32 | Elif

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Überfordert verharrte ich in meiner Position. Mein Blick auf die Scherben vor mir gerichtet. Ich hörte das Gerede der Leute. Spürte die Hand meiner Mutter, die immer noch mitfühlend auf meiner Schulter lag. Alles um mich herum kam mir vor, als würde es mich erdrücken. Meine Sicht verschwamm. Die Luft wurde schwerer.

"Schade. Dachte einer geht K.O." Malino stellte sich zu uns und hatte ein amüsiertes Grinsen auf den Lippen liegen.

"Malino, bring Nives nach Hause. Ruft euch ein Taxi." Meine Mutter holte aus ihrer Handtasche ihr Portemonnaie, doch ich drehte mich zu ihr und schüttelte meinen Kopf.

"Ich will allein sein." Ihre Augen weiteten sich auf meine Worte. Flüchtig blickte sie an mir vorbei zum Ausgang, während Angestellte schon damit anfingen, die Scherben aufzukehren.

"Du gehst nicht alleine. Ich kann-"

"Signora Mancini!" Irritiert drehte ich mich um und erkannte eine ältere Dame, die direkt auf keine Mutter zukam. "Was ist denn nur passiert! Wie kann..."

Da meine Mutter durch sie abgelenkt wurde, ergriff ich die Flucht und steuerte schnellen Schrittes den Ausgang an. Elio, Malino und Stella holten mich allerdings ein.

"Wir begleiten dich."

"No!", setzte ich mich zur Wehr und sah alle drei mahnend an. "Versteht ihr nicht, dass ich alleine sein will!"

"Aber-"

"Nichts aber!", unterbrach ich Elio, der von den dreien am besorgtesten aussah. Seine Augen glänzten. Sein Körper angespannt. Er wollte mit aller Macht für mich da sein, doch ich konnte jetzt keine Nähe oder sonst etwas ertragen. Ich brauchte Sauerstoff. Musste meine Gedanken neu sortieren. Alles fiel auf mich herab. Chaos brach in meinem Inneren aus. "Wir sehen uns zu Hause."

Ich wandte mich ab und verließ das große Gebäude. Draußen standen immer noch die Sicherheitsbeamten, die sich mit Serafino unterhielten.

"Signora?", sprach mich einer an, als ich an den Treppenstufen zur Straße ankam. Ich blickte zu ihm, ohne Serafino eines Blickes zu würdigen. Am liebsten hätte ich sofort angefangen zu heulen. Meine Tränen sollte aber keiner sehen. "Kennen sie diesen Mann?"

Ich verengte meine Augen und starrte Serafino nur für den Bruchteil einer Sekunde an, ehe ich wieder den breiten Kerl musterte.

"Nein. Noch nie gesehen."

"Nives!" Serafino starrte mich warnend an, doch ich drehte mich zur Straße und lief ohne den Funken eines schlechten Gewissens weiter. Sollten sie ihn doch festhalten. Ich wollte sowieso alleine sein.

Ich bog um eine Ecke in eine Seitengasse und erstarrte in meiner Bewegung, als ich Ayaz und Elif weiter hinten erkannte. Sie diskutierten. Ich verstand jedoch nicht, worum es ging.

Reglos beobachtete ich die beiden. Tausend Gedanken schwirrten durch meinen Verstand. Angefangen mit der Idee, einfach zu ihnen zu laufen und ihn bloßzustellen. Ich empfand so viel Wut. So viel Hass. Doch auch Sehnsucht nach seiner Nähe überkam mich. Ich wünschte, er hätte es mir früher gesagt. Mich darauf vorbereitet.

Als die beiden in ein Auto stiegen und wegfuhren, lehnte mich mich mit dem Rücken an die Hauswand hinter mir. Ich fühlte mich fertig. Erschöpft und Zerissen.

Wie konnte man jemanden so sehr verachten, wenn das Herz gleichzeitig für ihn schlug? Wie war das möglich? Es schmerzte, denn zu hassen und zu lieben war einfach. Beides für den selben Man. Zu empfinden allerdings kaum ertragbar.

"Du kennst mich also nicht?" Serafino trat an meine Seite. Er musterte mich und atmete mehrere Male tief durch, während er sich in der Gasse umsah.

"Kenne ich dich denn?", erwiderte ich ihm. "Deinen Namen, ja. Mehr nicht."

Lies from my bodyguard | Band 2Kde žijí příběhy. Začni objevovat