~XLV.~

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Mit zusammengebissenen Zähnen und mit gefesselten Händen lief ich vor den Elben her. Ári führte die Gruppe an. Wir marschierten Ewigkeiten durch den Wald auf einer Art Straße entlang, dann passierten wir eine riesige, durch die Witterung inzwischen vermooste Granitstatue eines Elbenkriegers mit Pfeil und Bogen und einem überdimensional großen Adler auf der Schulter. Gleich darauf kam das kleine Dorf in Sicht. Noch immer herrschten reges Treiben und angeregte Gespräche auf dem Marktplatz, doch dies änderte sich, als die Leute die Gruppe Elben mit einer Gefangenen - mir - erblickten und sie traten mit nervösen Blicken zur Seite oder in die Eingänge ihrer Häuser. Mir entging nicht der eine oder andere schuldbewusste Augenmerk, den einige Leute uns zuwarfen und das erleichterte Aufatmen, wenn die royale Garde kommentarlos an ihnen vorbei marschierte, ohne von ihnen Kenntnis zu nehmen. Etwas irritiert legte ich die Stirn in Falten. Irgendetwas stimmte nicht mit diesem seltsamen Ort. Irgendetwas war anders als in anderen Elbendörfern. Ich grübelte immer noch, als mich ein missgelaunter Mann mit einem unfreundlichen Knurren in meine Zelle stieß. Das Eisengittertor fiel laut ins Schloss und die Schlüssel schlugen unheilvoll aneinander, als der Wärter abschloss. Seufzend schaute ich mich in meinem neuen Aufenthaltsraum um. Steinboden, etwas Stroh, eine Liege, als Wand Steine, nur grob zurechtgerückt, und eine kleine Luke in der Wand fast ganz oben an der Decke bot eine herrliche und abwechslungsreiche Aussicht auf die Füße der Leute auf dem Marktplatz. Ich setzte mich auf die Liege und seufzte. Das alte Holz knirschte verdächtig unter mir und ich begann daran zu zweifeln, ob mich die Liege beim Schlafen aushalten würde. Aber das würde ich noch erfahren. Nachdenklich richtete ich meinen Blick zur Decke und anscheinend war ich eingeschlafen, denn als ich erneut meine Augen öffnete, war es draußen dunkle Nacht. Kein Geräusch drang durch das kleine Fenster in meine Zelle, nur der Mond, der ab und zu von Wolken verdeckt wurde, warf unheimliche Schatten auf den Pflastersteinboden. Ich bemerkte den Wasserkrug nahe dem Gitter, in dem sich der nächtliche Himmel spiegelte. Leise, um die anderen nicht zu wecken, die eingerollt in einer Decke auf ihrer knirschenden Liege schliefen, erhob ich mich und schlich zum Krug. Durstig trank ich einige schnelle Schlucke und wischte mir dann über den Mund. Ich machte mich auf zu der Luke. Draußen war es unheimlich still. Nur die Nachttiere ließen sich hören. Ein Igel trippelte eilig über den Marktplatz und irgendwo im Wald bellte ein Fuchs. Die Luft war frisch und der Mann, der im Schatten eines Hauses entlang eilte, zog seinen Mantel enger um sich. Langsam ging ich in einen Dämmerzustand über und ich taumelte zu der Liege, ehe ich wieder einschlief.

Ich wachte auf durch den mürrischen Elben, der schlecht gelaunt mit dem Besen durch die anheimelnden Kerkerkorridore sauste. Als er das beendet hatte, stellte er in jede Zelle eine Schüssel Suppe auf den Steinboden. Stöhnend setzte ich mich auf und rieb mir den Kopf. Die ersten Sonnenstrahlen fielen auf den grauen Gefängnisboden, doch schon bald schoben sich dunkle Wolken vor die grell-gelbe Scheibe. Nach nicht langer Zeit entließen sie die ersten Tropfen. Der stete Nieselregen hielt die meisten in ihren Häusern.

Im Laufe des Vormittags klarte es etwas auf und am Nachmittag wagte sich sogar die Sonne hervor. Gelangweilt wälzte ich mich auf meiner Liege herum und zählte die Gitterstäbe meiner Zelle. Plötzlich öffnete sich oben die Tür zum Kerker und fiel laut ins Schloss. Leichte Schritte ertönten auf der Treppe und erwartungsvoll blickte ich ins Dämmerdunkel, doch es war nur die Frau eines Insassen. Ich konnte sie reden und lachen hören.

Nach zwei Tagen saß ich noch an der genau gleichen Stelle und hing meinen Gedanken nach. Inzwischen hatte sich mein Tag-Nacht-Rhythmus ins Gegenteil verschoben, sprich: ich war nachts und morgens wach und mittags und abends schlief ich. So ging ich also schon einmal den lästigen Fragen der benachbarten Gefangenen, warum ich hier sei, aus dem Weg. Außerdem musste ich mir auch nicht das glückliche Wiedersehen zwischen Insasse und Besucher anhören und lauschte nachts, wenn ich wach auf der Liege saß, den Geräuschen der Tiere und wünschte mich wieder in den Wald zurück. Auch hatte ich schon die eine oder andere Beobachtung durch mein kleines Fenster gemacht. Vielleicht konnte ich mit Hilfe dieser Informationen um meine Freiheit verhandeln, denn eingesperrt war wie lebendig begraben zu sein.

Das Wetter war trüb und langweilig, genau wie ich mich fühlte. Auch wenn es nicht regnete, wanderten bei den Temperaturen nur wenige Leute über den Marktplatz.

Eine Ewigkeit lag ich in Gedanken versunken da und bemerkte nur nebenbei, dass die Sonne, die am frühen Vormittag noch munter geschienen hatte, inzwischen wieder verschwunden war. Irgendwann vernahm ich erneut das Öffnen der Tür und Schritte auf der Treppe, von mehreren Personen. Da mich schon seit Tagen Kopfschmerzen quälten und ich an Schlaflosigkeit litt, bereitete ich meine Liege zum Schlafen vor. Als die Schritte in meine Richtung kamen, blickte ich neugierig auf. Der Wärter, ein älterer Mann mit braunen Augen, faltigem und bleichem Gesicht und roten Haaren in einem Zopf nachlässig zusammengebunden und über seine Schulter geworfen, war plötzlich vor meiner Zellentür aufgetaucht und werkelte mit seinem klappernden Schlüsselbund am Schloss herum, in Begleitung von einer Person in einem langen Umhang. Ihrer Statur wegen konnte ich einen Mann ausschließen. Sie hielt den Kopf gesenkt, sodass ich ihre Gesichtszüge nicht erkennen konnte, doch ich erspähte einige weißblonde Haare, die aus der Kapuze hervor schauten. Nachdem der Wärter endlich unsanft die Gittertür aufgeschmissen hatte und die junge Frau in die Zelle trat, hob sie ihr Haupt und ich blickte in die eisblauen Augen von Haldir.

Im Hintergrund verhallten die Schritte des Wärters im Schatten der Gänge.

Der Wandel ist nun nicht mehr aufzuhalten (Lotr-FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt