Vampire?

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Am nächsten Morgen wartete Adele vor dem Schulhof auf Ria.

„Robin." Aufgeregt griff sie nach den Händen ihrer neu gefundenen Freundin. „Du glaubst gar nicht, was für tolle Nachrichten ich erfahren habe."

Ria, die nicht mit diesem Überfall am frühen Morgen gerechnet hatte, sah sie überrascht an. „Tolle Nachrichten?"

Verlegen starrte Adele zu Boden. „Du bist bestimmt wieder böse, wenn ich damit anfange."

„Geht es um deinen Zirkel?", fragte die junge Jägerin mit leicht gerunzelter Stirn. Ihre Freundin nickte zaghaft. „Dann erzähl es mir doch einfach. Ich möchte da nur nicht mit reingezogen werden." Aufmunternd nickte sie ihr zu.

Strahlende grünbraune Augen richteten sich auf Ria. „Ich darf bald zum Blutritual!"

Augenblicklich schrillten in Rias Kopf die Alarmglocken. „Blutritual?"

Adele nickte begeistert. „Ja, ich habe dir doch von uns Menschen mit schwarzen Seelen erzählt."

In diesem Augenblick klingelte es und die beiden machten sich auf den Weg ins Schulgebäude.

„Unser Meister ist ein Vampir und rekrutiert unter uns schwarzen Seelen Kandidaten für die Unsterblichkeit. Ist das nicht Wahnsinn?!"

Es dauerte eine Weile, bis Ria diese ganzen Informationen aufgenommen und verarbeitet hatte. „Vampire?"

Die Blondine funkelte sie begeistert an. „Ja, er ist wirklich unglaublich toll."

Ria könnte schwören, dass sich Adeles Wangen leicht röteten. „Bist du in ihn verliebt?"

Darauf regierte ihre neue Freundin mit einem koketten Lächeln. „Nun ja, er ist schon klasse. Nicht viele aus unserem Zirkel bekommen die Chance, an so einem Ritual teilzunehmen."

Sie glaubte, ihren Ohren nicht recht trauen zu können. „Du bist in ihn verliebt? Glaubst du, dass er dich deshalb zu einem Vampir macht?"

Rias plötzliches Interesse schien Adele irgendwie nicht ganz zu behagen. Ein wenig angegriffen rang sie sich zu einem würdevollen „Die Eignung hat nichts mit Gefühlen zu tun" durch.

Mittlerweile waren sie vor dem Kursraum angekommen. Sehr zu Rias Missfallen baute sich Janine vor ihnen auf. „Ach, sieh an. Die Kleine, die von der Polizei von der Schule abgeholt werden muss. Mich würde dein Vorstrafenregister wirklich interessieren. Es muss beachtlich sein, wenn du so exklusiven Schutz bekommst. Wegsperren sollte man dich, jawohl."

„Zum Schutze der Allgemeinheit", pflichtete Verona ihr bei und positionierte sich demonstrativ mit verschränkten Armen neben ihrer Freundin.

Ria schenkte den beiden Kunstblondinen einen kurzen abfälligen Seitenblick und betrat kommentarlos den Raum. In Gedanken war sie noch bei der Vampirgeschichte. Sollte es hier wirklich welche geben?

„Warum hast du nichts dazu gesagt? Die waren doch schon ziemlich gemein."

Sie wartete, bis die verständnislos dreinblickende Adele neben ihr platzgenommen hatte, bevor sie auf ihre Frage einging: „Nun ja, würde ich ihnen antworten bedeutet das doch nur, dass ich sie ernst nehme. Die können aber nichts als bellen. Oh, und die Intrigen, die die beiden zu spinnen vermögen sind garantiert nicht so schlimm wie die, die ich bislang erdulden musste." Ihre Miene verfinsterte sich unwillkürlich.

Forschend sah die Blonde ihrer Freundin ins Gesicht. „Du wirkst, als hätten dich alle deine Vertrauten betrogen."

Ria schenkte ihr ein schwaches Lächeln. „Ich bin nicht ohne Grund im Zeugenschutzprogramm."

Nach dem gestrigen Tag hatte sie sich dazu entschlossen, bei dieser Geschichte zu bleiben. Dank Al, der sich ja unbedingt verplappern musste.

Es war offensichtlich, dass Adele noch weitere Informationen aus ihr heraus kitzeln wollte. Zu ihrer Rettung betrat der Lehrer den Raum und setzte ihrem Gespräch somit ein vorläufiges Ende.

„Erzähl mir lieber von deinem Vampirfreund", forderte Ria Adele nach der Doppelstunde Deutsch auf, bevor diese erneut versuchen konnte, weiter in sie zu dringen.

Sofort trat ein schwärmerisches Lächeln auf die Lippen des Menschenmädchens. Das Ablenkungsmanöver funktionierte problemlos. „Er ist so wunderbar. Hach Ria, du solltest einmal mitkommen, dann wirst du sehen, was ich meine."

„Das Blutritual", erinnerte sie ihre Freundin mit sanfter Stimme. Sie musste unbedingt an Informationen heran kommen.

Adele nickte ernst. „Also, wie gesagt wird nicht jeder dazu auserkoren, daran teilzunehmen. Wie genau das abläuft, wissen wir nicht. Es ist jedenfalls eine große Ehre." Auf einmal färbten sich ihre Wangen in einem zarten rosa. „Er hat schon angedeutet, dass er vorher gerne den Abend mit mir verbringen würde."

Ria machte große Augen. „Mach das nicht."

Die Worte waren ihr nur so rausgerutscht. Als sie den Schmerz in Adeles Augen sah, tat es ihr schrecklich leid.

„Ich liebe ihn", flüsterte sie und rannte mit vor Tränen glitzernden Augen davon.

Ria beeilte sich, hinter ihr her zu kommen. „Adele", rief sie ihrer Freundin hinterher. „Adele, es tut mir leid. Es war keine Absicht. Für mich klang es nur so, als würdest du dich mit einem quasi Fremden treffen."

Erleichter lächelnd blieb Adele stehen und wischte sich mit einem Ärmel die Tränen aus den Augen. „Oh nein, es ist so viel mehr. Du müsstest sehen, wie er mich ansieht und die Art, wie er mit mir spricht..."

So, wie sie von diesem unbekannten Vampir schwärmte, bereute Ria es schon nach wenigen Augenblicken, sie überhaupt auf ihn angesprochen zu haben. Dennoch brachten die Schilderungen sie zum Nachdenken. Da konnte doch etwas nicht ganz koscher sein. Natürlich war ihr bewusst, dass es Menschen gab, die sich für Vampire hielten und irgendeinen ominösen Kult praktizierten, doch war ihr hierbei nicht wohl zumute. Adele war felsenfest davon überzeugt, dass es sich bei ihrem sogenannten Meister um einen Vampir handelte. Einen echten. Dem musste sie unbedingt auf den Grund gehen. „Wann soll das Ritual stattfinden?"

Adele unterbrach ihr stummes Anschmachten und musterte sie skeptisch. „Ich dachte, du willst damit nichts zu tun haben. Vermutlich wegen deinem Zeugenschutzprogramm oder? Hattest du vorher mit einem der missbrauchenden Zirkel zu tun?"

Am liebsten hätte Ria ihre Augen verdreht. Sie widerstand, weil sie ahnte, mehr von ihrer Freundin erfahren zu können, wenn sie ihre Sympathien hatte. Da sie nicht wirklich wusste, was sie sagen sollte, kamen ihr die Worte ein wenig abgehackt über die Lippen. „So etwas in der Art. Nicht direkt Vampire. Etwas Okkultes. Aber mehr darf ich dir wirklich nicht verraten. Du sollst wissen, dass ich dir beistehen möchte, wenn ich kann." Dabei erinnerte sie sich nur zu deutlich an das Ritual, mit dem Blake sie damals an sich gebunden hatte und schauderte. Das hatte wirklich niemand verdient. Außer vielleicht diese beiden Tussis...

Die Augen der Blonden wurden groß. „Wirklich? Das ist ja wunderbar."

Ria konnte sich ein schwaches Lächeln abringen. „Ich hoffe du kannst verstehen, dass ich nicht beitreten will. Dennoch bin ich für dich da und begleite dich, wenn du mich brauchst. Also, wann findet dieses Ritual jetzt statt?" Sie wunderte sich selbst darüber, wie ernst sie das meinte. Wann hatte Adele ihr Herz erweicht?

Nervös nestelte Adele an ihrem schwarzen Kleid herum. „Also Donnerstag hat er mich zu sich eingeladen. Mein Ritual soll am Freitag stattfinden."

Innerlich ächzte Ria. Das war ein enges Zeitfenster. „Diesen Freitag?"

Adele nickte zaghaft. „Ja."

Entschlossen ergriff sie ihre Hand. „In Ordnung. Ich werde dich Donnerstag zu deinem Freund und Freitag zu deinem Ritual bringen." Geschäftsmäßig zog sie ihr Handy hervor. „Hier hast du meine Nummer. Ruf an, wenn du abgeholt werden willst. Ich habe ein Auto", fügte sie zwinkernd hinzu. Damit bezog sie sich auf den kleinen Roten, den Blake ihr damals aufgedrängt hatte. Mit dem ganzen Autogeschwader in der Tiefgarage des Anwesens musste sie sich auch noch auseinandersetzen. Wie hatte ihr Vorgänger nur so viele Autos sammeln können?

Dunkel wie die Nacht [Schattenseelen 2]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt