Weder Freund noch Feind

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Ria träumte schrecklich. Ein Alptraum jagte den anderen. Es war, als wollten sie sie mit aller Macht in ihrem schrecklichen Bann gefangen halten. Mitten in der Nacht schreckte sie nach ihren Eltern schreiend auf. Dann fiel ihr ein, dass diese Tod waren und sie brach weinend zusammen. Eleasar, der an ihrem Bett wachte, konnte nichts tun, als sie in den Arm zu nehmen und beruhigend auf sie einzuwirken. Das ganze wiederholte sich noch einige Male.

Gegen Mittag entschlossen sich die beiden Männer dazu, mit der Kutsche zu abreisen. Ria war eindeutig nicht dazu in der Lage auf einem Pferd zu sitzen, geschweige denn vor einem der beiden. Auf halber Strecke stieß eine Gruppe von Reitern zu ihnen. Marjans Soldaten. Der König selbst, so hieß es, erwarte sie im Thronsaal.

Der Thronsaal war so ziemlich der letzte Ort, den Eleasar betreten wollte. Doch Marjan hatte Arams Freundin bei sich und setzte sie geschickt als Pfand ein, damit sie ihm auf jeden Fall einen Besuch abstatteten. Zuvor brachte er jedoch seine noch immer bewusstlose Last in sein Zimmer und hinterließ Anweisungen für das Dienstmädchen, das er zu Rias Bewachung herbeigerufen hatte.

Mit zu Fäusten geballten Händen erwartete Aram ihn vor dem Saal. „Adele als Pfand zu nehmen..." Es fehlte nicht mehr viel und er würde seine unterdrückte Wut an der Wand auslassen. Seine eigene Frau gegen ihn zu verwenden. Unverschämt.

Beschwichtigend legte Eleasar seinem Freund die Hand auf den Oberarm. „Ihr wird nichts zugestoßen sein." Er klopfte an die Tür und öffnete sie sofort, ohne eine Antwort abzuwarten.

Adele zuckte zusammen, als die Tür aufschwang und der Prinz an ihr vorbeirauschte. Er war zu schnell für ihre Augen. Dann fiel ihr Blick auf Aram. Erleichtert atmete sie durch und rannte auf ihn zu. Tränen der Erleichterung rannen ihre Wangen hinab. „Aram!"

Überglücklich, sie wohlbehalten zu sehen, schloss ihr Mann sie fest in seine Arme. „Wie geht es dir? Es hat leider länger gedauert als erwartet."

„Ich bin in Ordnung." Suchend sah sie sich um. „Wo ist Ria?"

„Ja", meldete sich nun auch Marjan zu Wort. „Wo ist die Jägerin?"

Arams Blick huschte zu Eleasar, der vor dem Thron stand und seinen Vater ausdrucklos ansah. „Sie hatte eine wenig erfreuliche Begegnung mit einem Lich."

Marjans Augen verengten sich zu Schlitzen. „Ich habe von dem Zwischenfall in Wasserstadt gehört. Wie hat sie einen Lich gegen sich aufgebracht?"

Ein Schluchzen durchschüttelte Adele. Wenn selbst der König besorgt wirkte, musste etwas Schlimmes vorgefallen sein. Hilflos versuchte Aram seine Frau zu beruhigen. Leider wusste er selbst nicht genau, wie es der Schwarzhaarigen ging. Zu seiner Überraschung stellte Eleasar sich neben ihn und legte Adele eine Hand auf den Arm. „Sie wird wieder. Hab Vertrauen in deine Freundin, sie ist stark." Zu seinem Vater sagte er schlicht: „Er wollte einen Kopf rollen sehen."

Mit großen Augen musterte Adele den braunhaarigen Mann, dessen Hand noch immer auf ihrem Arm ruhte. Er sah unverschämt gut aus. Das lange Haar rahmte seine feinen zugleich sehr maskulinen Züge ein und betonte diese auf mysteriöse Art und Weise. Seine blauen Augen hatten eine unglaublich reine Farbe. Es war das erste Mal, dass sie Arams Freund lange genug ansah, um festzustellen, wie gutaussehend er war. Aber gutaussehend waren die Wesen hier irgendwie alle, wie sie befand. Aram räusperte sich und die Hand des Anderen verschwand von ihrem Arm. „Danke."

Eleasar lächelte ihn entschuldigend an. Mit einem Blick auf die Tür bedeutete er ihm zu gehen. Zeitgleich sprach er seinen Vater in Landessprache auf die angespannte Lage mit Sem an. Das verschaffte ihnen Zeit, die Aram dazu nutzte, um seine Frau aus der Schusslinie zu nehmen.

Dunkel wie die Nacht [Schattenseelen 2]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt