Die fatalen Auswirkungen von Liebesgedichten

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Anderswelt.

An der Haustür bekam er die nicht hilfreiche Nachricht, dass der Hausherr nicht abkömmlich war. Wie gut, dass er hier gelegentlich ein und aus ging. Er kannte also jeden Winkel des Hauses. Nachdem er alle Räume abgeklappert hatte, kam er zu dem Schluss, dass die Auskunft des Bediensteten richtig gewesen war. Resignierend setzte er sich auf eines der weichen und kostbaren Sofas im Wohnzimmer. Jetzt hieß es, auf seinen Cousin zu warten. Adele würde gar nicht begeistert sein, ohne ihn aufzuwachen. Er konnte sich auch Besseres vorstellen. Doch er konnte sich das nicht länger ansehen. Es gab Grenzen. Und eine von denen hatte Eleasar überschritten. Weit überschritten.

Eines der Dienstmädchen, eine hübsche Blonde mit sturmgrauen Augen brachte ihm etwas zu trinken. „Es ist lange her, dass Ihr hier zu Gast wart." Kokett klimperte sie mit ihren langen Wimpern.

Aram konnte sich noch gut daran erinnern, wie ihr letztes Zusammentreffen ausgegangen war. Dieses Mal ließ ihn ihr Angebot jedoch kalt. Eleasar hatte es damals schon missbilligt, dass er sich mit seiner Angestellten vergnügt hatte. Dass die Frau noch hier arbeitete, grenzte an ein Wunder. „Wann kommt Eleasar zurück?"

Ihr Lächeln wurde eine Spur weniger verführerisch. „Seine Hoheit hat nichts gesagt."

Verärgert dachte er an seine Frau. „Schickt ihm einen Boten und sagt ihm, ich habe nicht den ganzen Tag Zeit." Immerhin wartete er schon eine ganze Weile hier.

Die Dienstbotin nickte und zog sich rasch zurück. Hoffentlich ließ sie sich nicht allzu viel Zeit.

Zwei weitere ereignislose Stunden später starrte er finstere Löcher in den Teppich. Entweder war das Botenpersonal unzuverlässig oder sein Freund unterschätzte die Dringlichkeit seines Anliegens. Aufgebracht sprang er auf und eilte zur Tür. Im Rahmen stieß er fast mit Eleasar zusammen. Sein Freund sah abgehetzt aus und müde. Ungewöhnlich, denn normalerweise wirkte der Prinz immer entspannt und ausgeruht. Tiefe Ringe lagen unter seinen Augen und seine Frisur wirkte ein wenig durcheinander. Dünne Strähnen hingen wahllos aus seinem Zopf heraus, als wäre er sich mehrfach durchs Haar gefahren, vergessend, dass er einen Zopf trug.

„Aram." Er deutete auf das Wohnzimmer. „Bitte, setz dich wieder."

Wortlos folgte Aram der Aufforderung. Er nahm neben seinem Cousin Platz, der den Dienstboten, der nach ihren Wünschen fragen wollte, sofort wieder wegschickte.

Müde fuhr Eleasar sich durchs Gesicht. „Entschuldige, dass du so lange warten musstest."

Aram schnaufte. „Lange ist gar kein Ausdruck. Adele wird mich lynchen, wenn ich ihr das nächste Mal unter die Augen trete."

Sein engster Freund lächelte schwach. „Du wirst es überleben." Sein Blick fiel auf Arams unberührtes Glas. „Ist dein Anliegen so wichtig, dass dir der Appetit vergangen ist?"

„Hör mal."

Eleasars Augenbraue wanderte fragend in die Höhe, als der Vampir vor ihm zu stottern begann. „Hat mein Vater schon wieder etwas angestellt?" Er bemerkte selbst, wie gereizt er klang und es tat ihm leid. Sein Cousin hatte es nicht verdient, so angefahren zu werden.

„Eleasar." Auf einmal klang Arams Stimme mehr als scharf. „Ich bin nicht zum Vergnügen hier. Mir ist etwas aufgefallen. Sehr spät, aber es ist mir aufgefallen."

Abwartend musterte der Prinz seinen engsten Vertrauten. „Und was wäre das?" Irgendetwas sagte ihm, dass es nichts mit seinem Vater und dessen Ignoranz der politischen Umstände zu tun hatte. Wenn Aram seine Frau ins Spiel brachte, konnte das nur eines bedeuten. Ihm wurde das Herz schwer. Er war sich sicher, dass er nicht hören wollte, was dem Vampir auf dem Herzen lag.

Dunkel wie die Nacht [Schattenseelen 2]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt