Hundert Meter. Einhundert Meter trennten mich von meinem zuhause. Die weiß verputzte Mauer um unser Grundstück stand noch da, auch wenn sie nicht mehr so rein weiß war, wie ich sie in Erinnerung hatte. Ebenfalls sah der Teil des Hauses, den ich sehen konnte, überraschend gut aus. Wenn man es so betrachtete, könnte man glauben es hätte keinen Krieg gegeben. Doch ein kurzer Blick in die ehemalige Nachbarschaft brachte einen schnell in die Realität zurück. Ruinen neben Ruinen und das in einem Stadtviertel, welches vorher das reichste Viertel der Stadt gewesen war.
Vor diesem Krieg hatte sich Villa an Villa aneinander gereiht, ein Garten prächtiger als der nächste. Von all dem war nichts mehr übrig. Nun ja, eben bis auf mein Elternhaus. Nur wirkte es jetzt völlig deplatziert. Wie ein kleines Paradies in der Mitte der Hölle, wenn man es so beschreiben wollte. Es war mehr als offensichtlich, dass man das Haus absichtlich geschont hatte. Doch verstand ich nicht wirklich wieso. Welchen Zweck sollte es bitte haben ausgerechnet dieses Haus inmitten der Zerstörung stehen zu lassen? Auch ich, selbst als Gefährte eines Werwolfs, war doch sicherlich nicht wichtig genug um dieses Haus zu beschützen. Das konnte doch nicht an mir liegen, oder?
Ich fühlte mein Herz in meiner Brust pochen. Es fühlte sich so seltsam an hier zu sein. Ich wollte hier sein und das alles hier sehen, doch fühlte sich das alles so unglaublich falsch an. Als sollte ich nicht hier sein, als ob ich hier als Mensch völlig deplatziert war.
,,Warum steht das Haus noch", fragte ich leise.
,,Das hat schon seine Gründe...", bekam ich die ausweichende Antwort. Doch darauf wollte ich es nicht beruhen lassen,
,,Und die wären?" Kian stöhnte leise auf.
,,Na gut. Jetzt da der Krieg zu ende ist, Teilen die Alphas die Welt neu unter sich auf. Immerhin muss es ja irgendwie weiter gehen und alles muss organisiert und strukturiert werden. Und nicht gerade wenige Alphas ziehen ein Haus einem Lagerplatz im Wald vor. Vor allem wenn man auch noch Menschen kontrollieren muss, ist ein fester Sitz von Vorteil. Diese Haus hat einige Vorteile."
,,Der Panikraum und Keller?" Kian nickte.
,,Waren die echt bei unseren Nachbarn alle nicht so gut ausgebaut? Die Nachbarn neben uns haben ständig mit ihrem tollen Weinkeller angegeben. Von deren Erzählungen her muss der riesig gewesen sein."
,,Davon weiß ich nichts. Ich war in dem Entscheidungsprozess auch nicht beteiligt. Meine Talente liegen eher weniger beim planen."
,,Also vielleicht haben sie doch gelogen, wie meine Mutter die ganze Zeit meinte..."
,,Mirco... wenn du nicht willst musst du da nicht rein. Nur wird es bald ziemlich schwierig hier her zu kommen, da dieses Territorium einem anderen Alpha zugeteilt wurde. Jetzt ist noch alles ... na ja, wie es war an dem Tag."
,,Wie- Wie kommst du darauf?", fragte ich ihn irritiert.
,,Du verhälst dich anders. Sprichst viel über eigentliche belanglose Dinge und hast dich seit mehreren Minuten nicht einen Zentimeter vom Fleck bewegt."
Es klang logisch, jedenfalls in meinen Ohren, war aber eigentlich nichts was ich jetzt gerade bewusst getan hatte. Dochbdas musste in meinem Fall eben auch nichts heißen. Mein Unterbewusstsein spielte da halt auch noch eine gewisse Rolle.
Aber wenn Kian recht hatte und jetzt wirklich noch alles so war, wie an dem Tag, dann sollte ich es mir vielleicht wirklich noch mal ansehen. Immerhin würde ich vermutlich nie wieder hier her kommen können.
,,Darf ich Sachen mitnehmen?"
Eigentlich eine blöde Frage. Immerhin war das mein Zuhause. Doch mit der Variable Werwölfe hatte sich nun mal einiges verändert.
,,Eigentlich nicht."
,,Und uneigentlich?", fragte ich nach und schielte zu ihm hin.
,,Solange du jetzt nicht vor hast das ganze Haus leer zu räumen oder ganze Möbel mit nehmen willst, sollte das Fehlen von ein paar Gegenständen niemanden auffallen. Seit dem Tag sollte eigentlich niemand mehr drin gewesen sein und da der Nutzen des Gebäudes schon vorher fest stand, gab es hier auch immer eine Wache, damit das Haus nicht so endet wie die anderen Häuser hier."
Ich musste mir ehrlich auf die Zunge beißen, um mir den Kommentar zu verkneifen, der mir bei Kians Worten in den Sinn gekommen war.
Immerhin hätte es ja diese Wache niemals gebraucht, wenn die Werwölfe nicht gemeint hätten, dass sie einen Krieg anfangen müssten.
Unsicher ließ ich noch einmal den Blick über die Umgebung Streifen. Bis auf mein Elternhaus erinnerte kaum mehr etwas an den Ort, der hier mal war. Und auch wenn ich mit hier bei weitem nicht nur schöne Dinge Verband, tat es mir doch weh diesen bekannten Ort in einem solchen Zustand zu sehen.
Wenn im Haus wirklich noch alles so war, wie es an dem Tag war, dann könnte ich mich vielleicht zumindest in meine Erinnerung an die normale Zeit früher flüchten.
Auch wenn es eben nur eine kurze Flucht in die Fantasie des 'Was-wäre-wenn' wäre. Immerhin würde ich nicht ewig hier bleiben können. Und bald schon, würde hier ein Alpha hausieren und sich den Ort zu seinem Zuhause machen. Spätestens dann war hier eben nicht mehr mein Platz.
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Wolfsseele - Geliebt von einem Werwolf
WerewolfEin Mensch und ein Werwolf. Die Welten in denen sie lebten konnten eigentlich nicht weiter auseinander sein. Doch durch die Entscheidung der Werwölfe, den Menschen den Krieg zu erklären, trafen sie doch aufeinader. Mirco und Kian. Und während Mirc...