Kapitel 46

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Ich legte die Schachtel ganz unten in den Rucksack. Ich hoffe wirklich, dass Kian sie mir nicht wegnehmen wird. 
Mit einem unwohlen Gefühl sah ich aus meinem Zimmer heraus, die Treppe herunter, um zu sehen ob Kian da war, doch war er nicht. Es schien jedoch so als ob er noch vor der Tür stand. Ich atmete einmal tief durch und lehnte mich kurz mit geschlossenen Augen gegen den Türrahmen. Es war aber ziemlich unbefriedigend. Es roch eben nicht mehr nach zuhause. Dafür hatte die ständige Luftzufuhr durch das kaputte Fenster gesorgt. Dieser vertraute Mischung unterschiedlicher Gerüche, war mit den Tagen verflogen. Ich konnte nicht mal genug sagen, wonach es eigentlich gerochen hat. Vermutlich eine Mischung aus den Putzmitteln gemischt mit dem Duft des Parfüms meiner Mutter. Aber davon war eben nichts mehr da und es würde wohl auch nie wieder in diesen Räumen so riechen. Es war schon deprimierend länger über das ganze Nachzudenken. 
Ich ging wieder zurück in mein Zimmer und öffnete meinen Kleiderschrank. Im obersten Fach lagen die Kleidungsstücke, die mir selbst zwar am liebsten waren, meine Eltern aber stets als unpassend empfunden haben. Hoodies. Ich besaß nicht wirklich viele von diesen, aber wenn ich mir einen kaufen durfte, dann meist im Urlaub. Und da wir jedes Jahr irgendwo im Ausland unseren Urlaub machten, hatten sich doch über die Jahre ein paar Exemplare angesammelt, auch wenn ich nie wirklich Chance hatte diese zu tragen. Insbesondere meine Mutter schien Hoodies nur an mir ertragen zu können, wenn ich krank war.  Und dann auch nur wenn ich zuhause war. Musste ich zum Arzt oder ähnliches musste ich mir immer etwas 'anständiges' anziehen. Nun, Kian würde es sicherlich nicht interessieren was ich trug und es gab vermutlich kaum etwas was man besser einfach so mitnehmen konnte als ein paar Pullis aus einem übervollen Kleiderschrank. 
Rasch suchte ich drei Hoodies raus, die mir am besten gefielen und steckte sie in meinen Rucksack. 
Unsicher sah ich mich um. Hatte ich noch etwas vergessen? Immerhin würde ich hier vermutlich nie wieder her kommen, da wollte man nicht einfach irgendwas wichtiges vergessen. Aber das wichtigste, der Karton, hatte ich ja. Alles andere war quasi nur noch Bonus und extra Gewicht, welches ich tragen musste. Und da ich auch nicht wusste, wie es nach Heute mit Kian und mir weiter gehen würde, wollte ich auch nicht zu viel mitnehmen. Die drei Hoodies und die Kiste füllten meinen Rucksack halt schon recht gut. Im Normalfall hätte ich sicherlich mein Handy und Ladekabel mitgenommen, aber was sollte ich heute noch damit? Es gab sicherlich keine Internet- und Funkverbindungen mehr. So war es eben nur ein fast komplett nutzloser Stromfresser. Immerhin war es stark zu bezweifeln, dass die Werwölfe diese Systeme wieder in Gang setzten würden und sie dann auch noch den Menschen zugänglich machen würden. 
Nun doch recht beruhigt nichts wichtiges vergessen zu haben, machte ich mich auf den Weg zurück nach draußen. Es brachte eben nichts noch länger hier zu bleiben. Schlussendlich war es doch eben nur ein Haus, ein Haus in einem Trümmerfeld. Ich konnte es einfach nicht mehr so sehen wie früher. Auch wenn hier drinnen vieles normal wirkte, ließ auch nur ein kurzer Blick nach draußen die Blase in meinem Kopf platzen. Das hier war eben nicht mehr so wie früher. Der Krieg, den die Werwölfe angefangen hatten, hatte eben alles unweigerlich verändert. Und von dieser Veränderung aus gab es auch kein zur9ck mehr. Es waren eben Dinge passiert, die es unmöglich machten zurück zur Normalität zurückzukehren. Mein Leben, wie auch das Leben aller anderen Menschen, die den Krieg überlebt haben, würde niemals wieder so sein wie vor dem Krieg. Und vermutlich wäre es für mich das beste, dass ich mich bemühte so schnell wie irgend möglich in dieser neuen Realität zu leben, gabz egal, wie sehr ich das vergangene vermisste.
Ich trat durch die Haustür nach draußen.
,,Ist alles okay?", fragte Kian.
,,Wie sollte es das sein? Ich hab gerade wahrscheinlich zum letzten Mal mein Zuhause betreten. Meine Eltern werden ebenso wahrscheinlich niemals hierher zurück kehren und bald werden hier die Leute wohnen, die an dieser ganzen Misere mit dran schuld sind.
Kian schwieg einen Moment. In meinen Augen gab es sowieso nichts gutes, was er darauf hätte sagen können. Selbst eine mögliche Entschuldigung wäre nicht gut, da ich ganz genau weiß, dass er es eben nicht so meint. Was die Thematik rund um diese ganze Kriegs Sache anging, würde ich so eine von ihm sicherlich nie kriegen, beziehungsweise auf keinen Fall eine ehrliche.
,,Was willst du jetzt tun? Wollen wir zurück zum Rudel?"
Von wollen konnte da ernsthaft keine Rede sein. Es gab vermutlich kaum einen Ort wo ich weniger sein wollte, als erneut von Werwölfen umgeben zu sein. Aber was blieb mir schon übrig. Kian würde es sicherlich nicht ewig mitmachen mit mir durch die Gegend zu laufen.
Doch da kam mir noch eine Idee, die mir zumindest ein wenig Aufschub gewähren würde.
,,Ich will noch so ein Lager sehen, in dem ihr die Menschen einsperrt."

Wolfsseele - Geliebt von einem WerwolfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt