Kapitel 19

53 11 0
                                    


Ellie zog das Handtuch enger um sich, spürte, wie das kühle Deck sie durch das dünne Tuch hindurchfrösteln ließ. Sie blickte in die Richtung, in die Adrian gegangen war, und spürte einen Anflug von Verärgerung. Was hatte ihn jetzt wieder gepackt, fragte sie sich. Er hatte sie einfach stehen lassen. Wenn Sie es nicht besser wüßte, würde sie sagen, dass Geschöpfe der Unterwelt dramatische unausgeglichene Wesen waren. Aber vielleicht war es nur Adrian Scratch und seine verschrobenen Angestellten. Dabei war sie doch diejenige, die allen Grund zur Verärgerung hatte. Er war es, der sie geküsst hatte, nur um sie dann abzuweisen, als wäre sie bloß eine vorübergehende Laune... oder ein toter Fisch. Es war nicht gerade die feine Art, wenn man sie fragte. Aber sie fragte ja keiner. 

Seit sie seit einpaar Tagen in diesem verschrobenen – wirklich wunderschönen aber auch unglaublich einsamen – Ort gelandet war, hatte sie das Gefühl, ihre alte Welt würde nicht mehr existieren. Sie fühlte sich wie ein Vogel im goldenen Käfig und vermisste die Arbeit in ihrem Laden. Ihre einzige Freude war der völlig zugewucherte und ungepflegte Garten hinter der Villa, den sie versuchte zu retten. Die Arbeit machte ihr Spaß, und sie konnte endlich einpaar Kräuter und Zutaten anpflanzen, die sie sonst, von weiter weg bestellen musste. 

Schwieriger wurde es nachts, wenn sie sich um die verlorenen Seelen kümmern musste. Aber auch ihre Kraft wurde stärker und die Zeit zäher. Sie spürte, wie sich die Magie des Fährmanns in ihr breitmacht, sich ausdehnte und ihre eigenen magischen Kräfte verbesserte. Die Nächte wurden immer länger und manchmal hatte sie sogar das Gefühl, an mehreren Orten gleichzeitig zu sein. Nur war sie viel zu langsam und sie konnte sie nicht alle erfassen. Sie sah es in Adrians Augen, dass er sich Sorgen machte, aber es nicht aussprach. Sie wußte, dass er ihr die Zeit lassen wollte. Jedoch brachte es sie um den Verstand, wenn sie an all die Seelen dachte, die dort allein herumirrten.  Sie musste schnellstmöglich eine Möglichkeit finden, ihre Kraft wieder an Adrian zu transferieren, damit er seine Aufgabe wieder übernehmen wollte. Aber wollte er das überhaupt?  Sie befürchtete, dass er nicht sonderlich daran interessiert war. Und eine andere Sache machte ihr Sorgen. Wenn nicht Adrian in die Hölle zurückkehrte... musste sie an seiner Stelle gehen? Sie befürchtete es und auch dieses Problem hing wie ein Damoklesschwert über ihr. 

Ein schwerer Stoff legte sich um ihre Schultern und sie erschrak, ganz aus den Gedanken gerissen. Adrian hatte ihr eine warme Decke um die Schultern gelegt und schob ihr einpaar Kleidungsstücke in die Hände. "Wenn du die Treppe in der Küche runterläufst, kannst du dich in dem Schlafzimmer umziehen", sagte er und sie nahm stumm die Kleidung an sich und ging unsicher in den Innenbereich. Sie konnte nicht schlau aus diesem Mann - Dämon - Fährmann - was zum Himmel  war er eigentlich? - werden. In einem Moment war er abweisend und kalt, in dem anderen fürsorglich - als hätte er beschlossen, die volle Verantwortung für sie zu übernehmen. 

Ellie lief langsam an der eleganten Küche vorbei und spürte die Kühle des Schiffsbodens unter den Füßen, während sie die Treppe hinunterging. Der Innenbereich der Yacht war luxuriös und durchdacht gestaltet, ohne übertrieben zu wirken – klare Linien, hochwertige dunkle Materialien, und die Fenster boten eine atemberaubende Aussicht auf den ruhigen Lake Michigan, der in der Dunkelheit sanft schimmerte. Sie erreichte die Kabine, die Adrian ihr gezeigt hatte, und ließ ihren Blick über das große Bett gleiten, das gemütlich und einladend aussah. Neben dem Bett befanden sich ein paar stilvolle Schränke und Regale, die sich nahtlos in das Design einfügten.

Sie legte die nassen Sachen ab und schlüpfte in den dunkelgrünen Jogginganzug, den er ihr gegeben hatte. Er war viel zu groß, die Ärmel reichten ihr bis über die Fingerknöchel, und als sie die Kapuze hochzog, reichte sie fast bis zu den Augen. Der weiche Stoff fühlte sich angenehm an, und ohne es wirklich zu merken, brachte sie den Stoff an ihr Gesicht und atmete tief ein. Der Duft erinnerte sie an ihn – an irgendetwas Vertrautes, Warmes, das sie aufwühlte. Fast sofort ließ sie den Sweater los, schüttelte den Kopf über sich selbst und krempelte die Ärmel hoch, bevor sie die weichen Socken anzog. "Himmel, bist du peinlich.", flüsterte sie zu sich selbst. 

Bound by Dark Vows - Umarmung der FinsternisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt