2 | Abschied

416 20 0
                                    

Wenige Augenblicke später fand ich mich in einem Raum wider, der ein Sofa mit Tisch und einem Waschbecken mit Spiegel für mich bereit hielt. Ich stellte mich vor den Spiegel und lächelte mich einen Moment selbst an, ehe ich mich aufs Sofa setzte und darauf wartete dass die Tür geöffnet wurde.
Endlich war es soweit. Ich war Tributin. Ich würde in die Spiele gehen und könnte endlich allen zeigen, was ich wirklich konnte. Ich würde den Sieg nach Distrikt 2 bringen und in Ruhm und Ehre in meinem eigenen Haus leben.
Vorfreude durchströmte mich und ich konnte es kaum erwarten, das stolze Lächeln meines Vaters zu sehen.
Endlich ging die Tür auf und meine Eltern und Dany standen vor mir.
Meine Mom hatte sogar Tränen in den Augen.
"Schätzchen, das hast du wunderbar gemacht. Einfach toll!", sie nahm mich in den Arm und küsste meine Stirn, "Ich bin so unglaublich stolz auf dich meine Kleine."
"Danke Mom."
Dany grinste mich fröhlich an.
"Ich werde dich vermissen große Schwester.", sie zwinkerte mir zu und ich nahm sie in den Arm.
"Du wirst mir unglaublich fehlen. Aber wir werden uns bald wieder sehen. Ich mache nur ein bisschen Urlaub.", antwortete ich grinsend und sie lachte.
"Ich bin froh, bald eine Siegerin als Schwester zu haben."
"Ich bin stolz auf dich.", hörte ich nun die tiefe Stimme meines Vaters, der mich einen Augenblick lang an der Schulter berührte. Er war nie ein Mann großen Körperkontakts gewesen und ich hatte auch nicht das Bedürfnis von ihm in den Arm genommen zu werden. Seine Anerkennung war alles, was ich wollte.
"Ich werde euch nicht enttäuschen."
Ein Friedenswächter kam herein und brachte meine Familie fort.
Als nächstes kamen scharen von Mädchen, die ich aus der Schule kannte. Einige Jungs von der Akademie, die mich beglückwünschten und ganz am Ende, als kaum noch Zeit blieb, kam endlich meine beste Freundin.
Souri.
"Du hast großartig auf dieser Bühne ausgesehen! Es war einfach perfekt! Du und dieser Telum, ihr seht so furchteinflößend aus!", kreischte sie mir entgegen ohne Luft zu holen.
Sie zog mich in ihre Arme und drückte mich beinahe zu Tode.
"Wenn du mich weiter so malträtierst wird das nix mit meinem Sieg. Ich will nicht zerquetscht werden.", lachte ich und sie ließ mich sofort los.
Dann wurde aus ihrem strahlenden Lächeln plötzlich eine ernste Miene.
"Du kommst doch zurück oder?"
"Dafür wurde ich ausgebildet. Ich habe mein ganzes Leben für nichts anderes gearbeitet als für diesen einen Moment. Ich werds nicht verhauen. Ich werde nach Hause kommen."
"Ich weiß, dass du es kannst. Aber bitte unterschätze das nicht. Unterschätze deine Gegner nicht.", ihre Stimme klang plötzlich mehr als nur besorgt.
"Du weißt was ich kann Souri. Es gibt nichts und niemand, das mich aufhalten könnte. Beinahe jede Waffe die es gibt liegt perfekt in meiner Hand. Ich bin der Albtraum aller Tribute, das wissen die nur noch nicht.", ich zwinkerte ihr zu und knuffte sie in die Seite.
"Ich werde nächstes Jahr deine Mentorin sein, darauf kannst du dich verlassen."
Souri lachte mich an und ich fühlte, dass sie noch immer nicht überzeugt war. Was war nur mit ihr los? Vor nur einem Wimpernschlag stand sie doch noch neben mir und war sich sicher, dass ich nach Hause kommen würde.
"Was ist los Souri? Du wirkst unglaublich verunsichert."
Sie hob den Kopf und zog mich noch einmal in ihre Arme.
"Ich bin noch nicht bereit meine beste Freundin zu verlieren. Das wird mir erst jetzt bewusst, da ich weiß, dass die Möglichkeit besteht. Die Möglichkeit ist vielleicht gering, aber es könnte sein. Die größten Kämpfer haben verloren. Die Besten sind schon gestorben. Dir könnte es auch passieren. Ich glaube an dich, das weißt du Vic. Aber ich will dich nicht gehen lassen. Was, wenn du nicht wieder zurückkommst? Was tu ich denn dann, ganz ohne dich?"
Ich sah ihr einen Moment in ihre dunklen Augen, zog sie dann noch einmal in meine Arme ehe ich ihr antwortete.
"Sollte der Fall eintreten und diese Möglichkeit ist nur sehr, sehr gering, wirst du in meinem Namen siegen. Du wirst für mich kämpfen, für mich töten und für mich den Sieg nach Distrikt 2 holen. Als Erinnerung daran, für was ich kämpfen wollte und für was ich immer trainiert habe. Ich weiß, dass du es schaffen kannst, denn sollte ich in der Arena sterben, wird meine Stärke immer bei dir sein, denn ich bin deine beste Freundin und wir sind verbunden."
Souri blinzelte Tränen aus ihren Augen als sie mich anstrahlte.
"Ich hatte ganz vergessen, dass tief in dir drin auch noch ein Mensch ist, der so wundervoll die Sorgen wegwischen kann.", zwinkerte sie mir zu.
"Ich bin nicht immer die eingebildete Zicke die die meisten vor sich sehen, wenn sie mich sehen. Das weißt du doch, sonst wären wir keine Freundinnen.", lachte ich, "Mach dir keine Sorgen um mich. Alles wird gut werden. Dafür habe ich trainiert. Heute ist mein Tag und spätestens in einem Monat bin ich wieder hier. Das weiß ich ganz genau."
Die Tür wurde erneut aufgerissen und ein Friedenswächter trat ein. Souri musste gehen.
"Ich drücke dir die Daumen.", flüsterte sie mir noch zu, ehe sie nach draußen gebracht wurde.
Nun war ich wieder allein.
Gleich würde es los gehen, denn die Zeit musste verstrichen sein.
Wenige Augenblicke später ging die Tür ein weiteres Mal auf und zwei Friedenswächter bedeuteten mir, ihnen zu folgen. Als ich nach draußen trat warteten Kathleen, Romulos und Athena bereits auf mich, Telum kam beinahe zeitgleich mit mir an.
Ich grinste ihn einen Moment an, bevor Kathleen das Wort an uns richtete.
"Ich freue mich, dass ihr die diesjährigen Tribute sein werdet! Starke Jugendliche die mutig genug sind die Hand zu heben und freiwillig in die Arena zu gehen. Euch wird das Kapitol unglaublich gefallen! Es wird euch im Vergleich zu Distrikt 2 riesig vorkommen und natürlich ist es das auch. Und oh Gott ich rede mal wieder viel zu viel. Steigt ein, steigt ein, wir haben keine Zeit zu verlieren. Der Zug wird schon bereit stehen.", sie quasselte noch schneller als Souri, und das schien mir schon eine unglaubliche Meisterleistung zu sein.
Telum und ich wurden zusammen mit Kathleen in ein Auto verfrachtet, während Romulus und Athena in einem zweiten Wagen nachkommen würden.
Schon auf dem gesamten Weg waren die Straßen mit Menschen gesäumt, sie wollten uns unbedingt sehen.
Sie riefen unsere Namen und jubelten, als sie unser Auto erkannten.
Am Bahnhof angekommen wurden wir durch eine Woge von Menschen geschoben. Mehrere Friedenswächter waren nötig um uns vor der Menschenmenge zu schützen.
Breit grinsend ging ich durch die schmale Gasse in Richtung Zug. Ich genoss es im Mittelpunkt des Geschehens zu stehen und liebte es, wie sie meinen Namen grölten.
Nun hatte ich es geschafft, ich war in aller Munde. Nun kannte absolut jeder meinen Namen.
Bevor die Türen des Zuges, den wir nach kurzer Zeit erreicht hatten sich schlossen, drehte ich mich noch einmal um und winkte den Menschen zu, die so sehr daran glaubten dass einer von uns als Sieger zurückkehren würde.
Natürlich wusste ich, dass nicht Telum nach Hause fahren würde. Ich war es, die gewinnen würde.

Oops! This image does not follow our content guidelines. To continue publishing, please remove it or upload a different image.
Victoria Masterson - Die 40. HungerspieleWhere stories live. Discover now