Kapitel 58

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Die flaumige, dünne Schneedecke, die das Lager überzog, verwirrte Glutherz etwas, als er am nächsten Morgen den Kriegerbau verließ. Der Schlaf steckte ihm noch in den Gliedern und sein Kopf war noch etwas vernebelt von einem angenehmen Traum, bei dem er zusammen mit Blaumond über eine sommerfrische Wiese gerannt war. Blaumond! Bei dem Gedanken an seine wundervolle Gefährtin und ihre verspielten Jungen, ließ der rote Krieger schnellen Schrittes den Bau hinter sich und schob sich an den vereinzelten Katzen, die bereits auf den Aufbruch der Patrouille warteten, vorbei zur Kinderstube.

Er wusste, dass sie es eilig hatten, aber er kam einfach nicht umhin sich von Blaumond und den drei Kleinen zu verabschieden. Natürlich war es sehr wahrscheinlich, dass sie noch schliefen, immerhin war die Sonne bisher noch nicht aufgegangen und nur der gemächlich heller werdende Horizont deutete an, dass sie sich bald zum Himmel erheben würde.

Trotzdem hoffte Glutherz, zumindest einen Blick auf die Kleinen zu erhaschen. Seit es sie gab, hatte sich eine Angst in seinem Unterbewusstsein breit gemacht. Die Angst, dass die drei eines Tages, wenn er von einer Patrouille zurückkehrte, nicht mehr da sein könnten. So, wie es mit Tulpenjunges und Traumjunges in den vergangenen Monden geschehen war. Die eine musste zwar krank gewesen sein, doch was sagte ihm, dass Schneejunges das nicht auch war? Zumal sie ihre Augen noch immer nicht geöffnet hatte! Und Traumjunges war einfach mitten im Lager gestorben. Angegriffen von einem Vogel! Das war mehr als beunruhigend. Bisher hatte er die seitdem noch größere ständige Wachsamkeit der Königinnen nicht verstanden. Jetzt tat er es. Blaumond und er wären am Boden zerstört, wenn sie eines der Jungen verlieren würden.

Zögerlich, da er niemanden aufwecken wollte, schob er seinen Kopf zwischen den Brombeersträuchern der Kinderstube hindurch. Sofort schlugen ihm die wohlige Wärme und der vertraute Geruch nach Milch entgegen. Es war noch dunkel im Bau, die einzigen erkennbaren Bewegungen machten Blaumond, Flammenstern und Fischschweif im Schlaf.

Vorsichtig und so leise wie irgend möglich, betrat der rote Krieger den Bau und schlich zu seiner Gefährtin, die schnurrte, wahrscheinlich, weil sie etwas angenehmes träumte. Belustigt zuckte Glutherz mit den Schnurrhaaren. Dann leckte er ihr liebevoll über den Kopf. Die blaugraue Königin schnurrte wieder, öffnete ihre Augen aber nicht, was gut so war. Er wollte ihren Schlaf nicht stören.

Dann blickte Glutherz auf Eisjunges, Frostjunges und Schneejunges, die als eng aneinandergekuscheltes Fellknäul an Blaumonds Bauch schliefen, hinab. Frostjunges Nase zuckte, aber der kleine bläulich graue Kater schlief tief und fest. Es war eine Seltenheit, dass der rote Krieger seinen Sohn so ruhig sah. Er war schon jetzt eine Ausgeburt an Übermut und Tatendrang.

Glutherz' Augen wanderten weiter zu Eisjunges, der erst gestern seine Augen geöffnet hatte. Es war ein anstrengender Tag für den weißen Kater mit dem grau-blau getigerten Rücken gewesen. Kein Wunder, also, dass er so seelenruhig schlief.

Zwischen den beiden Katern lag ihre etwas kleinere Schwester, die sich im Schlaf rekelte. Glutherz betrachtete die weiße Kätzin mit den roten Tupfen, bis ihn plötzlich zwei grüne Augen anblinzelten. „Papa?", murmelte Schneejunges müde. Überrascht schnappte Glutherz nach Luft. Seine Tochter hatte ihre Augen geöffnet! Und sie hatte seine Augenfarbe!

„Guten Morgen, meine Kleine", flüsterte Glutherz und leckte seiner Tochter über die etwas zerzauste Wange. „Schlaf schön weiter und wecke deine Wurfgefährten nicht auf, in Ordnung?", murmelte er und verließ nach einem Nicken der getupften Kätzin den Bau wieder. Es wurde langsam Zeit, sich seiner Patrouille anzuschließen.

Als er zurück in die Senke trat, war er, wie schon zuvor, überrascht über die Kälte, die dort herrschte. Am liebsten wäre er umgedreht und zurück in die Wärme der Kinderstube geflohen, aber dazu hatte er heute keine Zeit. Der Zweibeinerort musste erkundet werden! Und außerdem musste er auch noch mit Blattstern reden.

Warrior Cats - Das Vermächtnis des FeuersWhere stories live. Discover now