Überraschung Baby-Überraschungsbaby.

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Nach dem Kaffee wollten wir noch etwas spazieren gehen, naja Amira und Mohamed wollten. Ich wollte nur nachhause, Hicham auch, das ließ er mich auch spüren. Wir ließen den beiden Turteltäubchen ihren Freiraum und liefen einige Meter hinter ihnen her. Dann kam der Anruf. Hicham lief ein Stück abseits der Masse und ließ mich ganz allein. Ich wusste, dass es Souad war, die ihn angerufen hat. Sonst hätte er sich doch nicht so weit entfernt. Genervt blieb ich stehen und wartete. Und wo ein roter Pass alleine herum steht, braucht man auch nicht lange auf die Aasgeier warten. Der erste versuchte es mit, "psst azin". Der zweite ganz höflich mit einem salam und seinen "ernsten Absichten". Schade, würde der verehrten Männerwelt mal was neues einfallen, müsste ich nicht jedes Jahr über die selben, billigen Sprüche lachen. Wenn es nur bei Sprüchen bliebe. Der dritte, von der hartnäckigen Sorte, die auch nicht mit Fettfleckentferner weggeht, wurde handgreiflich und packte mich dreist am Hintern. Ich knallte ihm eine. Erntete sensationsgeile Blicke von allen Seiten. Als Hicham dazu kam, zog er mich am Arm hinter sich her. Seine Finger brannten sich in meine Haut. Wieso war er jetzt wütend? Er hat mich da stehen lassen.

Hicham: Musst du immer überall auffallen? Warum klatscht du ihm eine vor allen Leuten?

Ich: Ehm, hallo?! Er hat mich angefasst. Was hätte ich sonst machen sollen? Eigentlich hättest du ihm eine geben müssen.

Hicham: Was hab ich damit zu tun?

Das enttäuschte mich. Waren wir wieder an dem Punkt, wo wir uns Gleichgültigkeit vorspielen mussten, um die verwirrenden Gefühle abzuwehren?

Ich: Es ist dir egal, dass er mich belästigt und bedrängt hat??

Hicham: Er wollte doch bestimmt nur deine Nummer. Und wie ich dich kenne, hast du wieder die eiskalte gespielt, die alle abweist. Gib denen doch eine Chance.

Ich: Schön, setz dich ruhig für die ein, die mich noch anbaggern KÖNNEN. Dein Zug ist ja abgefahren, ne?

Wutentbrannt lief ich weg. Ich wollte Amira finden und nachhause, aber sie war nirgends zu sehen. Auch nicht ihr 2-Meter-Mohamed. Emotional am Ende setzte ich mich auf die Treppen vorm Mcdonalds. Vermutlich waren die beiden irgendwo da drinne, aber das Suchen in dieser Masse wollte ich mir nicht auch noch antun. Eine halbe Stunde später kamen sie raus, überrascht mich alleine vorzufinden.

Amira: Wo ist Hicham? Was machst du hier alleine? Ohh Salma...warum bist du nicht zu uns rein, wir saßen die ganze Zeit da im...

Sie sah, dass ich geweint hatte und verstummte. Sie flüsterte Mohamed was ins Ohr und er verschwand. Amira und ich gingen ein Stück am Wasser entlang, sie sah mich besorgt an.

Amira: Es tut mir leid, Salma. Ich hab dich voll alleine gelassen. Ich war so mit Mohamed beschäftigt, ich hätte dich nicht mit Hicham alleine lassen dürfen.' Tschuldigung....Willst du mir sagen, was passiert ist?

Wie ein Wasserrohrbruch platzen die Tränen wieder aus mir heraus. Ich wurde glühend rot, bei dem Gedanken, dass die ganzen Leute mich weinen sahen. Aber ich konnte nicht anders, als weiter zu schluchzen und ließ Amiras Frage unbeantwortet. Sie versuchte es nach geraumer Zeit nochmal.

Amira: Hat er ES dir also endlich erzählt, ja?

Ich zuckte zusammen und sah sie mit großen Augen an. Von welchem ES war die Rede?

Ich: Was erzählt?

Amira: Scheiße...Salma, ich dachte...Vergiss es. Vergiss was ich gesagt hab, bitte. Ich bin so dran.

Ich: Was erzählt?

Schweigen.

Ich: Was erzählt, Amira? Bitte!! Was sollte er mir erzählen?

In dem Moment kam Mohamed mit Hicham im Schlepptau.

Mohamed: Mädels, kommt, wir müssen euch nachhause fahren.

Ich sah Hicham an, er sah Amira an, Amira sah zu Boden. Ich spürte, dass sich gleich eine mittelschwere Katastrophe entfachen wird.

Amira nahm Hicham zur Seite. Mohamed sah mich verwirrt an, ich zuckte mit den Schultern. Wir sahen beide von der Ferne wie wild artikulieren. Amira war wütend, Hicham noch mehr. Als sie wieder kamen, schnappte Amira sich Mohamed und sie gingen in Richtung Auto. Sie machte noch einmal kurz kehrt und rief ,,Sag es ihr jetzt, Hicham, sonst sag ich alles."

Mir wurde schlecht, meine Hände schwitzten plötzlich. Ich war mir gar nicht mehr sicher, ob ich noch wissen wollte, was los ist. Hicham kam auf mich zu. In Zeitlupe, so kam es mir vor. Es folgte eine Reihe von Stottern, Räuspern, nach Luft ringen.

Hicham: Salma... ich ....oh man, ich wollte es dir vorher sagen. Ich...ehm, also Souad. Scheiße...

Mit jedem halben Satz wurde ich nervöser. Ich hörte sehr aufmerksam zu, aber es war wie ein Schlag in die Magengegend, sobald er wieder den Satz abbrach. Ich konnte irgendwann nicht unterscheiden, ob er mich hinhalten wollte oder ob ihm wirklich die Worte dafür fehlten.

Hicham: Souad war... also ist jetzt nicht mehr... also wir haben jetzt...

Was soll das heißen. Souad war was? Oder war sie und ist nicht mehr? Hat er sich von ihr getrennt? Es wurden mit der Zeit nur noch mehr Fragen in meinem Kopf, ich drohte zu platzen, vor Verwirrtheit und Angespanntheit. Ich konnte nicht mehr zu hören.

Ich: Hicham, jetzt sag mir, was du sagen willst ODER lass mich in Ruhe. Ich kann dir hier nicht zu gucken, wie du dumm rumstehst und vor dich hin stotterst. Was bitte, was ist so schlimm daran, dass du es nicht einfach sagen kannst? Sag jetzt was, bitte, sag was. Ich kann nicht mehr Hicham, bitte.

Ich drohte wirklich die Peinlichkeit des Abends und der Grund für eine Volksversammlung auf dieser Promenade zu werden. Aber er sprach trotzdem nicht, starrte sich auf die Füße.

Ich: Wenn du jetzt nichts sagst, brauchst du überhaupt nichts mehr zu sagen. Ich geh, vergiss es, ich will es gar nicht wissen.

Er hielt mich am Arm fest und hinderte mich daran, wegzurennen. Dann wieder zu tiefe Blicke.

Hicham: Souad und ich haben ein Kind. Ich habe eine Tochter. Salma, ich bin Vater geworden.

Als hätte ein Satz nicht gereicht. Er musste mir diesen Schlag-ins-Gesicht in 3 Sätzen und hübsch mit Schleife verpacken. Ich riss mich von ihm los und ging zum Auto. Einfach leer im Kopf.


Sommer à la HichamWhere stories live. Discover now