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London || 29.06.2012|| ARIELLE

"Woooooohoooooo!" 

Laut jubelnd und wie von der Tarantel gestochen, flitzte Elly an mir vorbei zur Tür hinaus. Draußen blieb sie breitbeinig stehen, senkte den Kopf und streckte eine Faust in die Höhe. Als würde sie Freddy Mercury verkörpern. 

Da wir uns mitten in London befanden, prasselte - wie sollte es anders sein - der Regen auf sie nieder. Was Elly jedoch nicht im Geringsten störte.

Langsam ging ich zu ihr, blieb jedoch unter dem kurzen Vordach stehen und lehnte mich an das alte Gemäuer. Ich hatte keine große Lust nass zu werden, denn mit meinem Glück würde ich mich erkälten oder mir gleich eine Lungenentzündung einfangen.
"Hast du vor dich zu ersäufen oder wie steht's?", rief ich nun zu Elly in den Regen hinaus.

Die drehte sich um und strahlte mich an.
"Komm schon AJ, sei nicht so eine Spielverderberin. Freu dich mal ein bisschen, schließlich haben wir gerade unseren Abschluss gemacht."

Wenn ich eins echt nicht ab konnte, dann wenn man mich AJ nannte, das klang einfach viel zu sehr nach Möchtegern Hiphop-gangster und das wusste Elly ganz genau. Ich warf ihr einen bösen Blick zu, den sie lachend quittierte. Seufzend verschränkte ich die Arme und lächelte zurück, ich konnte ihr nicht böse sein. Außerdem hatte sie ja Recht. Endlich hatten wir die Schule hinter uns.

A—Levels erfolgreich abgeschlossen — Uni-Welt wir kommen.

Doch bis dahin waren es noch fast zweieinhalb Monate, die ich mit Faulenzen verbringen durfte. Zumindest eineinhalb davon. In den restlichen vier Wochen hatte mein Dad mich zu einem Praktikum gedrängt. Laut Dad um "Wichtige Berufliche Erfahrungen zu sammeln" — Wie auch immer.

Nun würde ich vier Wochen lang seine Assistentin spielen müssen — unbezahlt. Versteht sich.

Es war ja nicht so dass ich Dads Arbeit nicht mochte, im Gegenteil. Ich fand es supercool einen Fotografen als Vater zu haben, der schon Menschen wie Angelina Jolie, Beyoncé oder Johnny Depp, für Fotoshootings, vor der Linse hatte. Aber mal ehrlich, ein bisschen was an Taschengeld hätte er mir ja schon geben können. Nicht dass ich kein Taschengeld bekam, aber Dad wollte eben nicht das ich zu verwöhnt war und so musste ich mir alles selbst erarbeiten. Zum Beispiel die Hälfte der Studiengebühren.
Bisher hatte ich zweimal die Woche in einem Supermarkt gejobbt um das Geld zu verdienen und ich hatte eigentlich vorgehabt, in den Ferien ein paar Schichten mehr einzulegen. Das war nun wohl nicht möglich, da Dad mich ja unbedingt vier Wochen lang unbezahlt Arbeiten lassen musste.

"Du machst ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter", riss Elly mich nun aus meinen Gedanken.

"Wenn man bedenkt, dass es seit beinahe zwei Wochen ununterbrochen regnet, ist das wohl auch berechtigt", schoss ich zurück und Elly lachte.
"Hast Recht. Aber du lebst in London, was hast du den erwartet?"
"Touché."
Grinsend trat sie zu mir unters Dach. Vom Regen klebten ihr, die blonden Haare im Gesicht und ihre Bluse war klitschnass. Auch ihre Hose und Schuhe sahen nicht besser aus und ihre Wimperntusche hatte sich munter über ihre Wangen verteilt. Alles in allem sah sie aus wie ein Panda. Ein triefnasser, über beide Ohren grinsender Panda. Dieses Grinsen kannte ich. Der warnende Blick den ich ihr zuwarf, ignorierte sie gekonnt, breitete die Arme aus und kam auf mich zu. Ich quickte und wich fluchtartig zurück. Dummerweise genau in den Regen hinaus. Wie blöd konnte man bitte sein.

Als ich mein Missgeschick bemerkte, begann ich zu lachen und vergaß weiter zurück zu weichen. Das nutzte Elly aus und hechtete auf mich zu. Sie schlang die Arme um mich und da ich auf so einen Angriff nicht vorbereitet war, purzelten wir als verschlungenes Knäuel auf den nassen Boden. Wir kreischten beide auf und begannen dann haltlos zu kichern. Ja, wir waren gebildete Erwachsene.

Headlong || shortstoryWhere stories live. Discover now