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London || 22.07.2012

Wie vorherzusehen war am Flughafen nicht viel los. Um diese Uhrzeit war das auch kein Wunder. Wie immer wenn ich mit Elly unterwegs war, waren wir eine halbe Stunde zu früh dort und müde wie ich war, ließ ich mich auf eine der unbequemen Plastiksitze fallen. Seit drei Wochen hatten wir nun schon Ferien und ich genoss sie aus vollen Zügen. Nächste Woche würde mein Praktikum bei Dad beginnen und an Ausschlafen war dann nicht mehr zu denken. Gähnend sah ich auf die große Uhr und hätte wirklich gern meinem Schlaf hinterhergeheult. Sechs Uhr war einfach zu früh für meine Verhältnisse und dann auch noch in meinen Ferien. Elly hingegen hopste neben mir auf und ab wie ein Gummiball und schien alle Lebensgeister dieser Welt in sich zu vereinigen.
"Was denkst du, wie regiert er wenn er uns sieht?", plapperte sie und strich sie über die Haare. Vor Aufregung hatte sie wohl verlernt Englisch zu sprechen, denn sie quasselte munter auf Französisch weiter.
"Denkst du er freut sich das wir gekommen sind? Er hat uns doch ebenso vermisst, oder?"
"Was denkst du denn?"
"Vielleicht?"
Unsicher sah sie mich an und ich schmunzelte. Logan, mein bester Freund seit fünf Jahren und seit zwei nun auch Ellys. Die beiden hatten sich von Anfang an gut verstanden und mit der Zeit hatte ich immer mehr den Eindruck dass sie mehr für den anderen übrig hatten, als sie sich selbst eingestehen wollten. Ellys Reaktion auf seine Rückkehr aus Afrika, wo er ganze sechs Monate lang bei einem Hilfsprojekt mitgearbeitet hatte, bestätigte mich in meiner Vermutung. Ich freute mich ja auch dass ich meinen besten Freund mal wieder zu Gesicht bekam, aber deswegen rastete ich noch lange nicht so aus wie Elly. Diese plapperte munter weiter und lullte mich damit ein, meine Augen fielen zu und ich döste weg. Eine halbe Stunde später wachte ich, müder als zuvor, wieder auf und sah das Elly eine neue Beschäftigung gefunden hatte; Klatschmagazin lesen.
"Ist sein Flug schon an-", fing in den Satz an, wurde jedoch recht bissig unterbrochen.
"Nein! Er hat Verspätung."
"Entschuldige dass ich gefragt habe", brummelte ich, doch sie hörte mir gar nicht zu. "Ich hole mir mal einen Kaffee." Ohne auf ihre Antwort zu warten, schlurfte ich davon, auf die Suche nach Koffein. Nach einer gefühlten Ewigkeit, kam ein Starbucks in Sicht und ich steuerte darauf zu. Es existierte tatsächlich eine Schlange, die aus einer kleinen, rundlichen Frau, einem Security Mann und einem Mittvierziger im Anzug bestand. Ich steuerte darauf zu und wäre beinahe mit einem jungen Typen mit Beanie und Sonnenbrille zusammengekracht. Zum Glück war sein Gehirn wohl schon funktionstüchtig, denn in letzter Sekunde wich er mir aus und überließ mir den Vortritt. Ich schnitt eine Grimasse die ein dankbares Lächeln darstellen sollte und stellte mich hinter den Anzugmann in die Schlange. Als die kleine, rundliche Frau mit ihrem Kaffee vorbeiwatschelte, sah ich ihr sehnsüchtig hinterher, bevor mir jemand urplötzlich auf die Schulter tippte. Der Beanie tragende Sonnenbrillentyp stand hinter mir und grinste verlegen.
"Kennen wir uns nicht?", fragte er und bevor ich darüber nachdenken konnte war mir die Antwort schon über die Zunge gerollt.
"Nein ich kenne niemanden der so bekloppt ist und in einem Gebäude eine Sonnenbrille trägt."
Der Typ kratzte sich am Ohr und sein Grinsen wurde noch breiter.
"Du bist es wirklich." Leichte Panik machte sich in mir breit. War der Typ etwa jemand aus meinem früheren Leben? Hatte ich mal ein Shooting mit ihm? Sollte ich ihn kennen? Und warum erkannte er mich? Schließlich modelte ich schon länger nicht mehr. Bevor ich irgendeine dieser Fragen stellen konnte, zog er sich mit einer fließenden Bewegung den Beanie vom Kopf und schob die Sonnenbrille hoch.
"Ach du schon wieder!" Ein Stein viel mir vom Herzen als ich ihn erkannte.
"Was denn schon wieder, immerhin ist das letzte Mal schon drei Wochen her."
"Naja eigentlich sollten wir uns erst in zwei Jahren wieder sehen", sagte ich lachend bevor mir einfiel das er sich ja vermutlich nicht mehr daran erinnerte. Verwundert sah er mich an.
"Daran erinnerst du dich?", fragte er sichtlich erstaunt und zu meiner Überraschung.
"Du meinst 2009 in diesem Café?" Er nickte.
"Der Nächste!", quakte die Frau an der Kasse übellaunig und ich sah das ich damit gemeint war. Ich bestellte meinen Kaffee Latte mit extra Milchschaum und wartete bis der dunkelhäutige Junge mir den Becher hinhielt. Ohne darüber nach zu denken nahm ich einen Schluck und verbrannte mir die Zunge. Während ich meiner Zunge Luft zufächelte, erschien Harry neben mir und sah mir belustigt dabei zu.
"Zunge verbrannt?" Ich nickte.
"Hier." Er streckte mir seinen Becher hin. "Ich trinke nur Eiskaffee." Zögernd nahm ich den Becher an und trank einen Schluck. Der kalte Kaffee linderte den Schmerz etwas, so dass ich nicht mehr das Gefühl hatte meine Zunge würde demnächst herausfallen.
"Besser?", fragte Harry als ich ihm den Becher wieder reichte.
"Ja, danke. Warum genau trinkst du bloß Eiskaffee?"
"Weil ich zu heiß für heißen Kaffee bin." Er grinste verschmitzt und ich sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an.
"Ich denke es liegt am Beanie. Denn solltest du es noch nicht bemerkt haben, wir haben Sommer."
"Schon gut. Wie heißt du eigentlich?"
"Warum sollte ich dir das verraten?"
"Du darfst auf meinem Ego herumhacken, von meinem Kaffee was abhaben und mein Beanie beleidigen aber ich darf noch nicht einmal deinen Namen wissen?"
"Also ich hacke nicht auf deinem Ego oder beleidige deine Mütze ich sage nur was Sache ist und du hast mir von deinem Kaffee angeboten." Er sah mich auffordernd an und ich gab nach. "Arielle Johnson, aber bitte nenn mich Ari, das tun alle."
"Arielle, so wie die Meerjungfrau?"
"Verschone mich damit." Er lachte. Wir unterhielten uns weiter und als mein Kaffee dann eine trinkbare Temperatur angenommen hatte, stürzte ich ihn regelrecht hinunter. Gerade als ich den leeren Becher in den Abfalleimer schmiss, knurrte mein Handy in der Tasche. Ich zog es hervor während ich zu Harry zurückging, der noch immer vor dem Starbucks auf den Klappstühlen saß, wo ich ihn zurückgelassen hatte. Elly hatte mir geschrieben:

Logan ist da, wo bist du!

Tatsächlich war es bereits viertel nach sieben und ich hatte somit ganze 45 Minuten mit Harry verquatscht. Ich teilte ihm mit was Sache war und er erklärte mir dass er sowieso in dieselbe Richtung müsse. Als ich von weitem Elly und neben ihr Logans dunklen Haarschopf sah, beschleunigte ich meine Schritte und konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. Bisher hatte ich ihn zwar vermisst, aber nicht so sehr wie jetzt, als er wenige Meter von mir entfernt stand.
"War nett dich wiederzusehen", sagte ich als Abschied zu Harry und er bestätigte dies. Wir umarmten uns ganz kurz und dann stürmte ich durch die Wartehalle.
"LOGAN!", brüllte ich und im letzten Moment drehte er sich mir zu, bevor ich die Arme um seinen Hals schlang.
"Ari!", sagte er erfreut und hob mich vom Boden hoch während wir uns wie zwei Affen aneinanderklammerten.
"Hast du mich vermisst?", fragte ich als er mich wieder absetzte und er grinste.
"Nein kein bisschen. Endlich hatte ich mal meine Ruhe." Ich schlug ihm auf die Brust und er zog mich noch mal in eine Umarmung, bevor er mich auf den Kopf küsste.
"Du hast mir auch gefehlt", lache ich in sein Shirt.
"Hey Elly, du brauchst da nicht so blöd rumzustehen. Komm her." Logan streckte den Arm aus und zog sie ebenfalls in die Umarmung. Sie strahlte übers ganze Gesicht, als sie sich zu uns gesellte.

Den restlichen Tag verbrachten wir zu dritt und genossen es einfach mal wieder zusammen zu sein. Erst als ich abends im Bett lag, dachte ich wieder an die Begegnung mit Harry. Ich war wirklich überrascht gewesen das er sich noch an unser allererstes Treffen erinnern konnte, immerhin war das fast zwei Jahre her. Würde es wieder zwei Jahre dauern bis wir uns wiedersahen, oder nur drei Wochen, würden wir uns überhaupt wiedersehen?

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Kursiv geschriebene Dialoge sind auf Französisch. Gerne hätte ich sie auf Französisch verfasst aber leider ist es mir nicht vergönnt diese Sprache zu sprechen, zumindest nicht gut genug hier für.

au revoir

-Keaty <3








Headlong || shortstoryWhere stories live. Discover now