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London||13.02.2013

"Ari jetzt komm schon!", rief Elly und ich beeilte mich sie einzuholen. Sie verschwand unterdessen in einem schwarz, glänzenden Containerwagen, der mit 'Garderoben' angeschrieben war und ich folgte ihr. Ich hasste Shootings im Winter, auch wenn es nicht mein eigenes war.
Ich folgte Elly zu der Treppe, die zum Podest führte und quetschte mich auf die erste Stufe. Die Eingänge waren etwas angehoben und von einem Überdach überspannt, das von Pfosten gehalten wurde. Hier herrschte reges Treiben, wie in einem Ameisenhaufen und ich musste höllisch aufpassen um nicht von der Treppe zu stürzen. Wie war Elly nur so schnell zu diesem blöden Eingang gekommen? Ich blieb auf der dritten Stufe schon stecken, weil irgend so ein Muskelprotz sich durchquetschen musste. Endlich entdeckte ich eine Lücke durch die ich schlüpfen konnte. Waren wirklich so viele Menschen für dieses Shooting nötig? Ich wusste dass immer viele Leute zu Gange waren, aber das hier schien mir dann doch etwas übertrieben.
Im nächsten Augenblick rempelte mich auch schon jemand an und ich stieß unsanft gegen das Geländer. Der Mann der mich angerempelt hatte, sah mich böse an und hetzte dann ohne ein Wort weiter.
"Ja mir tut das auch leid", rief ich ihm sarkastisch hinterher, aber er ignorierte mich. Ich ließ das Geländer los, nachdem ich reflexartig gegriffen hatte, schüttelte den Kopf und wandte mich nach vorne um endlich weiter zu kommen. Mühselig schob ich mich durch die Leute die Treppe hoch. Oben angekommen, atmete ich erleichtert aus. Mein Handy vibrierte in meiner Hosentasche und ich zog es vorsichtig hervor. Um mich herum wurde es langsam ruhiger so dass ich mich traute das Handy hervorzuziehen. Meine Mutter wollte wissen wie mein Shooting gestern mit Karl gelaufen war. Seit ich beschlossen hatte nun doch wieder ins Modelgeschäft einzusteigen, interessierte sie sich plötzlich wieder für mein Leben. Genervt begann ich eine Antwort zu tippen und trat durch die Tür zum Wagon. Genau in diesem Moment prallte ich mit jemandem zusammen und ließ mein Handy fallen.
"Pass doch auf!", schimpfte ich und sah hoch. Styles, wer sonst.
"Was tust du hier?", sagte er und grinste breit.
"Ich stalke dich, was dachtest du denn?", gab ich keck zurück und grinste Harry frech an. Der schüttelte lachend den Kopf und hob mein Handy auf um es mir zurückzugeben.
"Hab ich dir nicht schon Mal gesagt das die Dinger kaputt gehen wenn man sie durch die Gegend wirft?"
"Doppelt hält besser."
"Und dann registrierten die beiden flirtenden dass sie gar nicht allein im Raum waren", rief jemand als sei er ein Sprecher im Film. Tatsächlich merkte ich erst jetzt dass der Rest der Band auf der Couch saß und vermutlich nur auf Harry wartete.
"Die beiden flirten nicht!", sagte dieser gerade zu Louis und zog eine Schnute. Louis jedoch wackelte nur mit den Augenbrauen und machte eine wegwerfende Handbewegung wobei er Niall, der neben ihm saß, das Sandwich aus der Hand schlug. Gelächter wurde laut. Niall sah ziemlich betrübt auf den Haufen, der mal sein Sandwich gewesen war und kratzte es dann vom Boden auf einen Pappteller.

"Niall ich rate dir davon ab das zu essen", bemerkte Louis und sah Niall dabei ernst an.

"Ach was, warum das denn?", antwortete dieser sarkastisch.

"Na ich will ja nicht wissen was da so alles auf dem Boden liegt. Schlussendlich isst du noch eins von Harrys Haaren", erklärte Louis mit gerümpfter Nase und ignorierte Nialls augenverdrehendes Seufzen.
"Es könnten doch auch deine Haare sein Lou", argumentierte Harry und dann brach eine Diskussion darüber aus, wer wohl auf diesem Boden die meisten Haare hinterlassen hatte. Später kam Joanne, die persönliche Assistentin meines Dads vorbei und holte die Jungs ab. Elly und ich wurden zum Aufräumen verdonnert. Ja, Praktikantin zu sein war scheiße und doch zog ich das schon zum zweiten Mal durch. Es war einfach eine gute Art Geld nebenher zu verdienen, auch wenn ich es dank Karl bald nicht mehr nötig haben würde. Nach nur wenigen Monaten hatte ich beschlossen, dass ich mir mit dem Modeln vermutlich das Studium finanzieren könnte, ohne mich bei Dad anzustellen und um Geld zu bitten. Ich wollte das alleine hinkriegen. Auf eigenen Beinen stehen. Darum hatte mich letzte Woche auch bei Karl gemeldet, damit er mich wieder als sein persönliches Ausstellpüppchen missbrauchen konnte. Um ehrlich zu sein, gefiel mir das. Ich wollte sein Ausstellpüppchen sein, sein Vorzeigemodell, seine Muse. Aber diesmal würde ich vorsichtiger sein. Beim letzten Mal war mir das ein bisschen zu Kopf gestiegen. Wie hatte Elly es ausgedrückt? Eine eingebildete, arrogante Schlampe. Und genau das war ich gewesen. Ich hatte alles und jeden von oben herab betrachtet, mich für etwas Besseres gehalten und dadurch immer mehr den Boden verloren. Ich hatte Elly links liegen gelassen und mich nur noch mit den anderen Models getroffen. Wir waren feiern gegangen, hatten uns betrunken und ein Spiel daraus gemacht wer am meisten Typen an einem Abend küssen konnte. Damals war ich knapp sechzehn. Alle um mich herum waren älter als ich, doch das war mir egal. Ich fühlte mich genauso Erwachsen wie sie. Wenn ich heute darauf zurückblicke dann würde ich am liebsten Hermines Zeitumkehrer klauen um mir mit seiner Hilfe eine reinzuhauen. Nichts an unserem Verhalten war auch nur ansatzweise Erwachsen gewesen. So wollte ich nie wieder enden. Auch der internationale Durchbruch interessierte mich nicht mehr. Solange ich auf einigen Shows laufen und ab und an ein Shooting machen konnte, war das für mich und meine Studiengebühren vollkommen in Ordnung.
"Woran denkst du?" Ellys Stimme und ihre Hand vor meinem Gesicht schreckten mich aus meinen Gedanken.
"Daran wie leid mir 2010 tut." Ich sah meine beste Freundin lange an.
"Es ist Vergangenheit", antwortete sie mir schließlich. Das stimmte. Aber was wenn ich wieder abhob?
"Versprich mir dass du mich zurückhälst, bevor ich wieder versuche davon zu fliegen."
"Ich verspreche dir das ich dir Steine an die Füße binde, solltest du jemals auch nur einen Zentimeter zwischen dich und den Boden bringen."
"Danke." Sie nickte mir zu.
"Wir sollten gehen, man wartet bestimmt schon auf uns." Nun war es an mir zu nicken. Elly ging vorneweg. Ihre blonden Locken hüpften bei jedem Schritt. Wie froh ich war das ich sie hatte. Mit ihr würde ich niemals wieder abheben. Ein Absturz hatte mir gereicht, einen zweiten würde ich nicht ertragen. Denn der Boden der Realität war hart und die Wahrheit erschreckend hässlich, wenn man unten ankam.

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Headlong || shortstoryWhere stories live. Discover now