.:45:. Schattenseele in Aktion

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In den darauffolgenden zwei Wochen begleitete Aram Ria in die Schule. Sie empfand seine Gesellschaft als wesentlich angenehmer als die von Rory oder Nathan. Nachmittags trafen sie sich mit Adele und unternahmen irgendetwas gemeinsam. Wenn Eleasar keine Zeit hatte, trainierte sie ab und an mit dem Vampir. Auch wenn es von Mal zu Mal schwieriger wurde, geschickt auszuweichen. Fragte man Aram nach ihrem Training, so nannte er es Gleichgewichtsübungen. Ria konnte darüber nur ihren Kopf schütteln. Obwohl sie auf Bewegung bestand, nahm sie sich Harus Rat zu Herzen und ließ zu, dass ihr Mann sich sehr intensiv um sie kümmerte, wenn sie ihre Ruhe hatten. Ihm schien es gut zu tun und solange er ihren freien Willen nicht missachtete, konnte sie sich damit arrangieren.

Je näher die Feier anlässlich Raphaels Thronjubiläums rückte, desto ausgelassener wurde die Stimmung in der Stadt. Überall öffneten kleine Jahrmärkte und lockten unzählige Wesen an. Auf genau so einen wollten die beiden Frauen unbedingt. Also erschienen Eleasar und Adele gemeinsam mit Cian pünktlich zum Unterrichtsende am Schulgebäude. Dort suchte ihn ein aufgescheuchter Professor Logan auf. „Hoheit, ich muss Euch sprechen."

Mit einem kurzen Blick auf Adele nickte der Prinz knapp. „Ist Ihnen hier draußen recht?"

Der Gelehrte nickte fahrig. „Es geht um eure Gemahlin. Ihre Kräfte entwickeln sich anders als ich anfangs gedacht habe. Viel schärfer und schneller."

„Sie hat einen Mentor gefunden", antwortete er schlicht.

Logan schien verwirrt. „Für ihre Art gibt es keine Mentoren mehr."

Eleasars Miene wurde eine Spur abweisend. „Anscheinend schon." Sein Ton unterstrich, dass das Gespräch beendet war. Sein Gegenüber verstand und ging davon.

Fragend sah Adele dem Professor hinterher. „Ist etwas mit Ria?"

„Nein, er hat sie nur falsch eingeschätzt." Sein Gesichtsausdruck erhellte sich, als seine Frau auf ihn zutrat. „Na, überlebt?"

Genervt rollte sie mit den Augen. „Es geht. Aber mal ehrlich: Das, was vor fünfzig Jahren passiert ist, gehört für mich eindeutig nicht zur Geschichte."

„Natürlich nicht", entgegnete er spöttisch. „Das ist aktuelles politisches Geschehen."

Verärgert knuffte sie ihm in die Seite. „So, aufbruchsbereit? Ich will unbedingt das Stadtfest sehen."

Begeistert klatschte Adele in die Hände. „Au ja, dann mal los."

Sie schickten sich gerade an zu gehen, da gefror Ria plötzlich. Etwas war kurz durch ihre Wahrnehmung geflimmert - etwas ganz und gar Unwillkommenes. Ragna. Sofort war ihr Geist bei ihr. Du spürst es auch, oder?

Dreh dich um, knurrte er. Spüren ist gar kein Ausdruck.

Langsam und mit böser Vorahnung folgte sie seinem Ratschlag. Keuchend griff sie nach Eleasars Hand. „Elea, bitte sag mir nicht, dass Todesgeister aussehen wie Mumien nur ohne Fleisch." Eines der vielen vor ihr schwebenden Wesen sah nämlich so aus. Es schien, als sei das Skelett in Seide gehüllt worden. Stumpf starrte es sie an und Ria schauderte. Es war definitiv das gleiche Gefühl wie auf dem Neujahrsempfang.

Sie spürte, dass er sich verspannte und erlaubte ihm, ihre Wahrnehmung zu teilen. Zeitgleich lenkte ein anderer Geist ihre Aufmerksamkeit auf sich. Eine Banshee. Sie erkannte die Wasserleiche aus den Zeichnungen der Bücher wieder. Diese hier wirkte toter als tot. Es sah aus, als hinge ihr grüner Schleim aus den Mundwinkeln. Unwillkürlich schauderte sie erneut.

Eleasar fluchte lautlos. Dabei schnappte sie den Namen seines Onkels auf. Anscheinend dachte er, Camille hätte etwas damit zu tun. Etwas, was Haru ihr einst gesagt hatte, kratzte an ihrer Erinnerung. Geister konnten nicht angreifen, wenn sie sich tarnten. Und doch beschlich sie das ungute Gefühl, dass diese Geister nicht mehr lange unsichtbar bleiben würden. Geister sind mein Spezialgebiet, erklärte sie ihrem Mann entschlossen. Versuchen wir sie zu ignorieren. Wenigstens, bis wir hier weg sind. Ich will kein Aufsehen.

Grau wie der Sturm [Schattenseelen 3]Tahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon