Kapitel 24

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»Was, wenn ich nicht will?«, ruft er laut und dramatisch. Er hat, so wie ich, einen Drang zur Dramatik.

Die Dramatik im Sprechen, im Handeln...in allem, irgendwie.

»Wenn du was nicht willst?« Mein Kopf liegt im Nacken, oder eher im Kragen meiner Kapuze. Meine Wangen fühlen sich so kalt an wie mein Körper und meine Lunge saugt die eisige Luft in sich hinein, und sie friert.

»Herunter kommen, leben, reden, fallen, Weihnachten feiern.«

»Du musst Weihnachten nicht feiern, du musst nicht reden und du musst nicht fallen oder runter kommen...«

»Du willst, dass ich dir die Tür öffne, und somit muss ich runter kommen. Ich will aber nicht. Ich will hier oben bleiben, mich eventuell vom Balkon stürzen und mir ein paar Knochen brechen. Ich will gerade sterben, Jane, ich will gerade sterben, wenn ich ehrlich bin.«, seufzt er; reibt sich über sein Gesicht und schluchzt seine Tränen davon.

Ja Thaddeus, das würde ich auch manchmal gerne.
Aber mich lässt niemand sterben und ich lasse niemanden sterben. Nicht mehr.

»Ich versteh dich ja, aber-«

»Ich will mich vom Balkon stürzen.«, betont er wieder. Er verhält sich wie ein trotziges Kind. Doch ich lasse ihn.

»Thadde-«

»Hör auf mich so zu nennen.«, er legt seine Stirn an dem silbernen Geländer des Balkons ab, »Das tun meine Eltern auch immer.«

»Okay«, antworte ich, »Kommst du jetzt runter?«

»Nein«, sagt er rau.

Er sieht mich durch seine Augen an, die fast die selbe Farbe haben wie seine Lippen auch bald. Kaltes blau. So ziemlich alles hier scheint so blau und durchaus blau zu sein, da es Winter ist. Und so ziemlich alles im Winter wird mit den Farben blau und weiß assoziiert.

»Vielleicht erfriere ich ja hier draußen, dann muss ich mir wenigstens den Mist nicht mehr anhören, den mir meine Eltern immer wieder aufbinden wollen.« Er lässt einen großen Seufzer raus.

»Fein«, er sieht mir in mein Gesicht, »Dann erfrier halt dort oben. Du bist jedoch nicht die einzige Person, die scheiß Probleme hat. Merk dir das.«

Dann gehe ich, einfach und direkt. Er schweigt, leise und still. Seine Tränen tropfen ihm wahrscheinlich weiter von den Wangen und erfrieren am Boden der Tatsachen. Ich seh nicht zurück, um ihn erneut betrachten zu können. Nein, ich gehe einfach. Ich gehe zurück nach Hause, sehe einige Lichterketten an den Häusern von Leuten hängen, die ich eh nicht kenne. Durch manche Fenster sind Weihnachtsbäume zu sehen, die in einer Ecke vom Wohnzimmer stehen. Was ein Klischee. Weihnachtsbäume stehen so gut wie immer im Wohnzimmer. Dort, wo man sie am Besten sehen kann. Damit man sich ganz weihnachtlich fühlt. Und als Kind hat man immer aus den großen Fenstern nach draußen geschaut, wenn es bereits dunkel wahr, und gehofft das Christkind zu sehen. Sich eingebildet, etwas am Himmel blitzen gesehen zu haben. Und es gibt jedes Jahr das viele Gebäck, das tolle Festessen und die vielen Geschenke, von denen mindestens eines etwas ist, was man sich nicht gewünscht hat. Und die Eltern wollen, dass man fröhlich ist und singt, dass man Gedichte vorliest oder sie lesen einem Gedichte vor. Und alle haben dieses zufriedene Grinsen in ihrem Gesicht, der Hund oder die Katze hat auch ein Geschenk bekommen, und draußen liegt Schnee, oder es liegt auf Grund der zu warmen Temperaturen eben kein Schnee. Der Kamin ist geheizt, die Heizung aufgedreht und der Raum ziemlich warm, dass einem irgendwann die Wangen glühen. Und die Familie sitzt beisammen, alle haben spätestens um 10 Uhr abends ihre Geschenke, und testen die neuen Sachen, die sie von nun an ihr Eigen nennen können. Es wird sich nicht mehr die Mühe gemacht zu spülen, aufzuräumen oder die heruntergefallenen Nadeln der Tanne wegzufegen. Nein, es wird nur noch genossen und geliebt und fröhlich die schönen Filme am Fernsehen geguckt oder Musik gehört. Und alle gehen am Ende zufrieden schlafen, mit schönen Gedanken und dem Wissen, dass bald wieder ein neues Jahr anbricht, und alles besser wird.

Mystery | Taddl Where stories live. Discover now