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Die Kantine vorhin war leer und still und geruchlos.
Die Kantine jetzt war überfüllt mit Schülern und laut, das einem fast die Ohren platzten, und roch nach Fleisch und Gemüse und irgendetwas... anderem Würzigem.
Sie bestand aus einem langem Raum, der drei lange Tische besaß, an einem passten schätzungsweise an die dreißig, vierzig Schüler. Und so viele saßen da auch.
Jungen und Mädchen, ältere und jüngere, saßen da zusammen und lachten und quatschten und aßen ihre Gerichte, die auf den Tellern vor ihnen dampften.
"Ist es hier immer so laut? ", rief ich Ashlee über den Geräuschpegel zu.
"Hab ichs dir nicht gesagt?", brüllte sie zurück. Selbst sie mit ihrer lauten Stimme musste sich anstrengen, gehört zu werden. "Werwölfe neigen zu lauten Stimmen, besonders nach der Verwandlung. Aber das wird sich gleich ändern, ich versprechs dir. Komm mit."
Sie griff nach meinem Arm und zog mich, indem sie sich einen Weg durch die Masse bahnte, zur Essensausgabe hinten an die Schlange, die viele Wartene gebildet hatten.
"Wieso wird sich die Lautstärke gleich ändern?", griff ich das auf, was sie mir gerade erzählt hatte.
"Sieht du gleich", sie winkte ab und deutete auf den von uns aus gesehen linken Tisch, woran, insbesondere vorne, noch sehr viele freie Stühle standen.
"Du wirst dich dahin setzen müssen", sagte sie.
Ich runzelte die Stirn. "Wieso das? Keine freie Platzwahl? "
Sie lächelte und schüttelte den Kopf. "Nein. Es gilt folgende Regel: ganz Rechts sitzen die Leute, die schon lange hier sind und naja, Älter sind, links die ganzen Neuankömmlinge. Heißt, wenn du dich da gleich hinsetzt, wirst du auch gleich paar Leute aus deinem Alter kennen lernen, die in deine Klasse auch gehen werden. "
Ich sah zu dem linken Tisch rüber. Die Leute, die da saßen, unterschieden sich noch ein wenig von den der anderen Tische: sie sahen sich neugierig um, und weil sie sich wahrscheinlich noch nicht so gut kannten, waren da auch noch nicht wirklich angeregte Gespräche, sondern nur stummes Essenlöffeln und einander schüchtern-in-die-Augen-Blicken.
"Wo sitzt du?", wandte ich mich an Ashlee.
"In der Mitte. Nur zwei Plätze weiter wie..."
"Wie...?", forschte ich nach, als sie mitten im Satz abbrach und keine Anstalten machte, ihn zu beenden.
"Colin", sagte sie kurz, aber nicht ohne ein aufflimmendes Glitzern in ihren Augen.

"Was gibt's denn heute?", ihr Themenwechsel war wenig kreativ, aber ich tat ihr den Gefallen und machte mit.
Ich sah mich nach den Tafeln um, die sie mir vorhin, als der Saal nach leer war, gezeigt hatte. Sie hingen direkt neben der Theke der Cantinenfrauen, die das Essen aushändigten, aber über die Köpfe der großen Typen, die vor uns in der Schlange standen, konnte ich sie nicht sehen.
Ashlee, die etwa einen Kopf größer war als ich, dagegen schon.
"Steak, Kotelett, Geflügelkeule", zählte sie auf, "ich nehm definitiv das Geflügel. Was ist mit dir?"
"Ist es das Einzige, was es hier gibt?", erkundigte ich mich.
Sie sah mich komisch an. "Ich finde, das ist schon eine große Auswahl. "
Bevor ich zu einer Erklärung ansetzen konnte, warum ich das fragte, hörten wir eine Stimme hinter uns in der Schlange Ashlees Namen rufen.
Scheinbar irgendeine Freundin von ihr, denn kurzum verabschiedete Ashlee sich von mir, mit den Worten: Ist ja nicht so schwer, bestell einfach da dein Essen und geh zu deinem Tisch, viel Glück! Und eilte nach hinten in die Schlange und stellte sich zu einem blonden Mädchen, das sogar noch größer war als sie. Was schon eine Leistung war.
Danke, Ashlee, dachte ich bitter, dafür, daß du mich jetzt hier alleine stehen gelassen hast. Finde ich super. Ich kenne hier ja auch so viele.
Es ist unangenehm, zwischen einer Menge Fremden zu stehen und als Einzige nicht mit irgendjemanden zu erzählen und ich stand die ganze Zeit nur doof rum.
Als ich dann endlich an der Essensausgabe stand, atmete ich erleichtert auf.
Ich griff nach einem Tablett.
"Was darfs sein?", die Frau hinter der Theke, eine Blonde im mittleren Alter, sah mich fragend an.
"Äh...", ich sah zu den Tafeln links und rechts rüber, "das Gericht drei, aber geht es auch ohne Steak?"
Sie sah mich an als wäre ich ein Alien, frisch gelandet vom Mars.
Auch die Leute in der Schlange vor mir drehten sich entsetzt zu mir um.
Ein Werwolf, oder jedenfalls ein angehender, der kein Fleisch haben wollte?
Jeder Werwolf aß Fleisch, eigentlich sahen so gut wie alle in dem Gericht ihre lebenswichtige Hauptnahrungsquelle und hätten am liebsten nur Fleisch gegessen. Den ganzen Tag.
Deswegen wurde ich auch immer komisch angeguckt. Ich hatte nie gerne Fleisch gegessen, aß das nur, weil meine Tante und alle aus meinem Rudel sagten, das ich es essen müsse, weil es ach wie lebenswichtig sei. Aber ich mochte es nicht wirklich.
In dieser Sache war ich immer anders gewesen.
Und deswegen darin geübt, diese komischen Blicke zu ignorieren.
"Ja, genau", antwortete ich deshalb mit klarer, sicherer Stimme und lächelte.
Sie sah mich immer noch mit weit aufgerissenen Augen an, beugte sich dann aber runter zu den Kochtöpfen und während sie mir Kartoffeln und Gemüse auf einen Teller füllte, murmelte sie: "Na sowas, ich arbeite hier schon seit vierundzwanzig Jahren und nie is sowas vorjekommen.", während sie unablässig den Kopf schüttelte.

"Bist du Vegetarier, oder wie?", neben mir tauchte ein Mädchen auf, rotblonde Haare, die zu einem lockeren Knoten auf dem Kopf zusammengesteckt wurden. Sie war ein Stück kleiner wie ich und hatte grüne Augen, die mich belustigt ansahen.
"Menü 2, bitte", bestellte sie bei der zweiten Cantinenfrau.
"Hört sich menschlich an, was?", sagte ich und nahm meinen fleischfreien Teller in Empfang. "Aber nein, ich mag Fleisch einfach nur nicht. Ich esse es nicht gern."
Das Mädchen mit den grünen Augen beeilte sich, ebenfalls ihren Teller zu nehmen, um mir mit dem Tablett hinterher zu laufen. "Ah, okay. Finde ich ziemlich interessant. "
Ich sah sie an und entdeckte, das sie das nicht sarkastisch meinte, sondern durchaus ernst. "Das finden wenige. Die Blicke der anderen Wölfe sind sonst immer...unfreundlich. Kannst du dir vielleicht denken. "
Sie nickte. "Kann ich mir vorstellen, aber bei uns haben immer alle das gegessen, was die älteren meinten. "
"Ja, bei uns auch. Abgesehen von mir", ich ging, zusammen mit dem Tablett und dem Mädchen zu dem linken Tisch, wie Ashlee vorhin mir das gesagt hatte und setzte mich auf einen der freien Stühle.
Sie setzte sich mir gegenüber.
"Ach, du bist auch neu?", fragte ich. Wenn ich Ashlees Erklärungen Glauben schenkte, dann war es so. Alle Neuen saßen links.
"Ja", sie lächelte, "ich bin übrigens Jane."
"Cool", ich lächelte zurück, während ich meine Kartoffeln stampfte. "Ich bin Jade."
Wie der Edelstein.
"Seit wann bist du hier?", erkundigte sie sich.
"Seit heute, seit exakt", ich schaute mich suchend nach einer Uhr um.
Und da begegnete ich dem Blick von einem Jungen.
Der mir durchaus bekannt war.
Direkt gegenüber am mittleren Tisch saß...
Jap, niemand anderes als Colin.
Und der schaute mich an. Und grinste.
"Seit exakt zwei Stunden und fünfzig Minuten", murmelte ich.

Woolf-Academy | WinterWhere stories live. Discover now