1. September

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Nachmittags war nie viel los. Da viele Menschen von der Arbeit kamen oder von der Schule direkt nach Hause gingen. Doch am 1. September war nachmittags wirklich niemand da. Ich überlegte mir, den Laden zu schließen, um eine kleine Mittagspause zu machen. Doch dann kam sie. Um genau 14:00 Uhr betrat sie mein Café und setzte sich an den kleinen Tisch in der Ecke. Ich wartete bis sie ein wenig in der Speisekarte gelesen hat und ging dann langsam an ihren Tisch. Sie sagte mit zittriger Stimme, das sie gerne einen Fenchel-Tee mit etwas Honig und dazu ein Stück Erdbeertorte hätte. Ich merkte mir ihre Worte und eilte hinter die Theke. Solange der Tee kochte, schaute ich sie mir an. Ihre Haare waren nass, obwohl es nicht geregnet hat. Ihre Wangen waren rot, obwohl es nicht kalt war. Sie trug eine violette Wollmütze und eine gelbe Winterjacke. Sie war jünger, was ich auf den ersten Blick nicht sah, aber später feststellte. Sie war zwar recht groß, trotzdem erst 15. Das merkte ich, als sie sich setzte und ich ihr Gesicht von nahem sehen konnte. Sie hatte blondes Haar, die nass aus der Mütze hingen. Ihre Stimme war leise und zerbrechlich. Man hörte sofort, dass sie etwas bedrückte, doch ich konnte sie ja nicht fragen. Als der Tee fertig war, brachte ich ihn ihr mit dem Kuchenstück an den Tisch. Ein leises "Danke" konnte ich noch hören. Als ich wieder hinter die Theke ging, sah ich, wie sie in ein schwarzes, ledernes Notizbuch etwas aufschrieb.

Sie saß recht lange da, aber nach einiger Zeit kamen wieder Menschen, und ich musste mich um die Bestellungen kümmern. Sie schrieb abwechselnd in ihr Notizbuch und schaute aus dem Fenster. Sie hatte ihren Tee nicht angerührt, er war bestimmt schon kalt. Sie hat nur die Erdbeere und die Sahne von dem Kuchenstück gegessen. Um 19:00 Uhr trank sie auf einmal ihren Tee aus, packte ihr Notizbuch in den Rucksack und verließ meinen Laden. Das ganze Stück Kuchen hat sie übrig gelassen.

Kalter TeeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt