9. September

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Sie kam anscheinend wieder regelmäßig. Es war drei Uhr Nachmittag und heute hatte sie wieder ihre gelbe Winterjacke an und die violette Wollmütze auf dem Kopf. Ich betrachtete sie mir genauer. Ihre Mütze und die Jacke waren komplett alt. Sie waren zerrissen und dreckig, als hätte man sie aus einer alten Kisten vom Dachboden rausgenommen. Es interessierte mich, warum sie keine neuen Sachen hatte. Aber ich traute mich nicht sie zu fragen. "Nicht viel los heute?", fragte sie mit zitternden Stimme. "Morgens war auch niemand da", antwortete ich. Sie schaute mich an. Ich erkannte ihr strahlenden grünen Augen. Sie stachen zu. Wie zwei Pfeile stachen sie mich mitten ins Herz. Ich hatte noch nie ein so schönes Mädchen gesehen. Sie hatte ein rundes Gesicht, eine Stupsnase und einen schmalen Mund in rosé. "Naja, die Menschen kommen von der Arbeit nach Hause, deswegen vielleicht", antwortete sie. Ich hätte sterben können bei ihrer süßen Art. Sie war unbeschreiblich schön, hatte einen klaren Kopf und dazu noch eine tolle Art. Und zum ersten Mal sprach sie normal mit mir. Und zum ersten Mal traute ich mich. "Und was ist mit dir?". Sofort wollte ich die Worte wieder in meine Mund stecken. Ich war bestimmt zu aufdringlich. "Ich war in der Schule. Doch, naja, ich wollte nicht das sie mir mehr wehtun." Sie zog ihren Ärmel hoch und ich sah eine riesige Brandwunde, die sich fast über den ganzen Unterarm zog. Ich konnte es gar nicht glauben und stand mit offenem Mund bestimmt fünf Minuten neben ihr. Ich wurde aus dem träumen geweckt, als sie den Ärmel wieder runter zog. "Was meinst du damit, dass sie aufhören dir wehzutun?" Ich wusste es. Ich tat nur so als ob ich es nicht wüsste. "Die..." Sie hörte auf und drehte sich, wie ich, zur Tür, da eine halbes Seniorenheim gerade in meinen Teeladen kamen. "Du entschuldigst", sagte ich dem Mädchen gegen den Lärm. Sie nickte. Ich eilte zurück in die Küche und nahm die Speisekarten und verteilte sie den anderen Tischen. Ich schaute immer wenn ich konnte zu dem Mädchen. Dem fremden, doch so vertrautem Mädchen. Sie schrieb in ihr Notizbuch. Und ihre Augen wurden glasig. Sie weinte nicht, sie war zu stark dafür, aber ihr Augen waren aus Glas, und ich hatte Angst, dass sie anfängt zu weinen. Natürlich brachte ich ihr auch die Bestellung. Doch als ich mit ihr reden wollten, riefen mich wieder andere Gäste. Es war bis sieben Uhr abends voll. Und um sieben packte sie ihre Tasche, trank ihren Tee, aß die Erdbeere und die Sahne und verschwand wieder aus meinem Teehaus.

Kalter TeeWhere stories live. Discover now