Aufgerissene Wunden und blutiger Schmerz

5.1K 180 0
                                    

Vor gut einer halben Stunde sind wir aus dem Zug ausgestiegen, dort hatte ich mich auch nochmal schnell umgezogen und bin in die dunkle Jeans mit der schwarzen Bluse geschlüfpt, dass ich mich auch noch für die hübsch mache?! Milo hat mich die ganze Zeit beruhigt und sind durch die kleinen Stadt in der ich aufgewachsen bin gelaufen. Ein Schwall von unangenehmen Erinnerungen kommt in mir hoch und ich verfinstere mein Gesicht noch mehr:"June?!" Milo zieht mich die ganze Zeit am Arm in die richtige Richtung:"Reiß dich zusammen! Wir müssen dahin." Ich mache meinen Arm los und schaue ihn an:"Müssen wir das?... du willst es doch genauso wenig wie ich?!" Sage ich nun etwas schroffer und auch er senkt den Blick:"Du musst doch nur anwesend sein! Verdammt June! Es ist unsere Mutter!" Ich schaue ihn an:"Ja und? Sie hat uns fast verkommen lassen! Sie hat uns doch gehasst!" Ungläubig schaut er mich an, dann geht er einfach weiter, in die Richtung des Friedhofes:"Tu mir doch den Gefallen und tu so als ob du trauern würdest. Stell dir vor es sei Alex." meint er mit einem monotonen Ton und ich starre ihn an. Was? Das musste ja noch sein. Manchmal hasse ich dich auch... ach, ne manchmal hasse ich alles und jeden. Trotzig folge ich ihm:" Halt die Klappe." Er sagt mit dem Rücken zu mir gewandt:"June, ich kenne dich zu gut... ich erkenne wenn du etwas hast und alles andere auch." Ich halte einfach den Mund und folgt ihm. Wir sollten uns den Leichnahm unserer Mutter begutachten, bevor sie in den ewigen Tiefen der Erde verschwindet.

Eigentlich wäre mir das zweite lieber, wenn wir das sofort durchziehen würden, aber nein.

Wir beide treten in die kleine Kapelle ein und begrüßen den Bestatter, dann dürfen wir für ein paar Minuten, bevor der Rest der Leute die sie gut kannten oder die einfach nur auf das Essen, was sehr gering ausfällt, scharf sind sich verabschieden dürfen. Ich gehe auf den viel zu einfachen Sarg zu, wer auch immer das bezahlt hat... und sehe den schlafend wirkenden Körper meiner Mutter darin liegen. Sie wirkt das erste mal friedlich und meine Hand krallt sich in die Kante des Sarges. "Warum hast du uns so behandelt? Warum hast du uns allein gelassen? Warum hast du uns so gehasst..?" frage ich und diesmal kullern mir Tränen über die Wangen, während Milo meine Hand still hält. Verdammt warum kann ich nicht so stark sein wie er... warum muss ich mir das hier bieten lassen? Ich will zurück! Zurück in die Arme von Alex die mich festhalten und mir Wärme spenden, aber nein! Ich starre den leblosen Körper an. Die Frau deren Ebenbild ich bin liegt nun dort. Meine Erzeugerin, die ich so verachte.Das Kleid was sie trägt kommt mir so bekannt vor... woher nur. Lange Minuten vergehen, bis ich langsam weggezogen werde und wir vor der Kapelle auf ein sehr mageres Grüppchen von Menschen treffen die uns Bemitleiden, doch meine Gednaken kreisen mmer nur um jemanden anderen, dass kotzt mich an.

Nun begleiten wir den Sarg zu dem ausgehobenen Loch und den einfachen Stein mit den leblos eingemeiselten Buchstaben. Wir trauern still, bis ich aufblicke und meine Augen durch die Reihen gleiten um zu sehen, wer denn alles gekommen sei, doch sie stocken.
"Was machst du Arsch hier?!" Er sieht mich und beginnt schon zu grinsen, dann breitet er die Arme aus um mich zu empfangen:"Jea-" Ich schlage ihm mitten ins Gesicht, sodass er zurücktaumelt und mich jeder in meinem Umfeld erschrocken anstarrt:"Lukas!!!Du Wichser was machst du hier?!! Zur Hölle verpiss dich!!" Schreie ich, völlig alles vergessend und wische das Blut seiner Nase von meinen Knöchel, doch er feixt:"Oh, hast deinen Biss also doch nicht verloren."Das er das noch kann. Bevor er den nächsten Satz anfangen kann, stürze ich mich auf ihn, reiße ihn zu Boden und schlage auf ihn ein, wie eine Irre, blanke Wut vor Augen, dann spüre ich Hände die mich zurück zerren, von ihm reißen und mich in meinem Wahn davon abhalten ihn zu Tode zu prügeln:"Du hättest es niemals wagen sollen hier her zu kommen!" schreie ich und versuche mich zu befreien, doch man Hält mich fest und ich keuche mehrmals um die Wut und das Adrenalin unter Kontrolle zu bekommen, noch nie seit ich aus dem Waisenhaus raus bin, habe ich das mehr gemacht und nun fahre ich beim Anblick dieses Arsches vollkommen aus meiner Haut und meine aufgerissenen Hände, von denen Blut tropfen geben mir Bestätigung das er von dem Fehler hier her gekommen zu sein, noch lange was haben wird. Dann geht alles irgendwie sehr schnell und ich betrachte wie der Sarg in die Erde gelassen wird.

Das Erbe was für uns bestimmt ist, besteht eh nur aus Schulden und zwei Briefen die wir überreicht bekommen. Die Einzelheiten werden mit unseren Adoptiveltern besprochen, da wir beide eh nicht viel Ahnung davon haben, so interpretiere ich es zumindest. Wir verabschieden uns und ich lege einen Arm um Milo.

Die Heimfahrt im Zug verlief zwischen mir und meinem Bruder eher still, doch ich wusste das auch er genauso dachte wie ich. Es war das Richtige irgendwie, dieser Kerl aus meiner Vergangenheit hatte nicht die Befugniss dort zu erscheinen. Am liebsten würde ich schreien...
Milo verabschiedet sich von mir und ich beobachte wie er aus dem Zug steigt und einem sehr netten Pärchen mit zwei zucker süßen Mädchen in die Arme fällt. Das ist also sein neuer Platz? Finde ich sehr gut... aber die Schwester wird er irgendwie nie los.. .
ich lächle und der Zug fährt mit einem Ruck weiter, bis er dann in den mir bekannten Bahnhof einfährt und ich mich dann doch erheben muss. Erst lasse ich alle drängelnden Menschen raus, bevor ich mit einem schweren Gefühl aussteige. Ich fühle mich aufeinmal so müde.

Es tut mir leid Mum. Alles tut mir leid.

"Hey, Prinzessin! Willst du da weiter rumstehen?" Ich schaue erstaunt auf und sofort bildet sich ein breites Lächeln auf meinem Gesicht.

Hey, It's June.Where stories live. Discover now