Chapter 10 -Das alles vernichtende Foto

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Ich war kein Mensch den man leicht schocken konnte. Das Meiste was an Drama auf der Schule passierte, ging mir am Arsch vorbei. Ich hielt mich auch immer erfolgreich aus allen heiklen Situationen raus, in die ich eventuell hinein gezogen werden könnte.
Aber das traf mich wie eine Faust mitten in den Bauch.
Ich krümmte mich leicht, weil sich meine Innereien zusammen zu krümmen schienen.
Sam hatte sich runtergebeugt, seitlich von Alec stand sie da und streckte ihren Arsch raus, und hatte ihre Hände auf die Knie gelegt.
Und ihre Lippen lagen verdammt nochmal auf denen von Alec.
Ich wusste nicht ob er den Kuss erwiderte oder ob er die Augen geschlossen hatte, das war nicht erkennbar.
Aber auch wenn ich das Ganze vielleicht nur eine Sekunde mitangesehen hatte, drehte es mir beinahe den Magen um.
„Scheisse, verdammte."
Keuchte ich leise und drehte den Kopf weg.
„Ich muss los."
Murmelte ich Felix zu und stolperte dann Los, um so schnell wie möglich aus dem Zimmer zu gelangen.
„Paige warte doch.."
Hörte ich Felix hinter mir noch rufen. Aber ich blieb nicht stehen.
Ich drängte mich an motzenden Menschen vorbei sie ihre Getränkte wegen meines Drängelns verschütteten und mir Beleidigungen oder Flüche nachriefen.
Mir egal, sie würden sich sowieso nicht dran erinnern.
Mit Händen und Füssen arbeitete ich mich in dem Haus vorwärts und blinzelte laufend, da mich die hellen flackernden Lichtern blendeten, die überall im Haus herum wanderten und von der Decke strahlten.
Die laute Musik, die sonst immer mein Herz zum Beben brachte, bei jedem tiefen Schlag, hatte keinen Einfluss mehr auf mich. Sie verblasste bloss im Hintergrund, denn ansonsten konnte ich nur meinen eigenen Atem und das Rauschen meines Blutes in meinen Ohren hören.
Ich hätte nie gedacht dass ich selbst einmal zu diesen verrückten Frauen gehören würde, die so fühlten, wenn sie ihren Schwarm mit Jemand anderem sahen.
Ich stürzte ins Freie und holte tief Luft. Die Nacht war kühl, wegen all den Lichtern sah der Himmel bloss Rabenschwarz aus. Keine Sterne zu sehen, hoffnungslos.
Ich stützte mich am Balken der Veranda ab.
So ein Mist. Er hatte Sam geküsst, oder es besser gesagt zugelassen, dass sie es tat.
Dabei hatte er mir noch vor wenigen Stunden gesagt er wolle mich besser kennen lernen. Er wusste genau wie das ganze die Situation mit Sam und mir verkomplizierte.
So ein riesen Arschloch!
Mit geballten Fäusten stapfte ich den Gehweg entlang, und entfernte mich so schnell ich konnte von dem Haus. Den Lärm hörte man allerdings drei Häuser weiter immer noch.
So eine Kacke. Okay, Alec und ich waren nicht zusammen. Das heisst er durfte eigentlich rummachen mit wem auch immer er wollte. Ich sollte auch gar nicht eifersüchtig sein weil ich ja selbst gesagt hatte, ich wolle es auch langsam angehen. Vielleicht war es ihm aber zu langsam. Und jetzt schnappte er sich stattdessen Sam? Für was? Um mir eins auszuwischen?
Unmöglich! Genau deswegen wollte ich nicht noch mehr Gefühle entwickeln, als die, die sich bereits gegen meinen Willen gebildet hatten.
Tränen schossen mir in die Augen und ich verfluchte mich selbst, dass ich so dämlich war deswegen zu heulen.
Es war nur ein Kuss. Von zwei Betrunkenen.
Trotzdem hatte er sich mir gegenüber nie so verhalten als wäre für in klar dass man auch mit andern noch was haben durfte.
Ich schniefte und schüttelte frustriert den Kopf.
„Was für eine Scheiss Party."
Knurrte ich und kickte im vorbeigehen gegen einen Stein der aus dem Steinbett der gepflanzten Bäume ausgebrochen war quer über die leere Strasse.
Es knallte einige mal leise und dann blieb er liegen. Ich hätte mich jetzt auch gerne auf die aufgeheizte Strasse gelegt und gestreikt.
Gegen diese dummen Gefühle und den unnötige Herzschmerz den mir das alles zufügte.
Dann hörte ich Schritte hinter mir.
Ein Räuber? Oder schlimmer noch, ein Mörder?
Quatsch, was sollte der dann bitte hier, zur selben Zeit wie du zu suchen haben. Das wäre nun wirklich zu viel des Guten gewesen.  Nicht mal ich glaubte an sowas. Paranoia war ja eigentlich nicht so mein Fall.
„Paige! Paige warte!"
Hörte ich Alecs Stimme hinter mir und presste die Lippen zusammen.
Na der hatte jetzt ja grad noch gefehlt. Da wollte man einmal in Ruhe in Selbstmitleid versinken und selbst da musste er mich noch stören.
„Verschwinde!"
Rief ich, ohne mich umzudrehen.
„Paige jetzt bleib doch mal stehen."
„Nein, lass mich gefälligst in Ruhe!"
Schnauzte ich und schlug seitlich von mir mit beiden Händen in die Luft. Es sah aus als würde ich versuchen zu fliegen, es war aber eher als Geste meiner Wut zu verstehen gewesen.
„Wieso tust du jetzt so kompliziert?"
Mir schlug es beinahe die Beine unter meinem Körper weg.
Ungläubig blieb ich stehen und drehte mich zu ihm.
Wenn Blicke töten könnten, dann wäre er wohl nicht mehr als ein Häufchen Asche gewesen. War aber leider nicht so. Stattdessen stand er gutaussehend und selbstbewusst wie immer vor mir und hatte die Brauen zusammen gezogen.
„Du fragst dich wieso ich kompliziert tue?
Ach warte mal, ich sehe da roten Lippenstift an deinem Mund."
Lächelte ich herablassend, damit er nicht sah wie nahe ich den Tränen war. Wie konnte man sich in einem Menschen so täuschen, vielleicht machte Liebe wirklich naiv. Aber nein, ich liebte ihn ja nicht einmal. Ich mochte ihn.
„Paige," er hob beruhigend eine Hand und machte einige Schritte auf mich zu.
„Falsche Richtung Alec, geh lieber wieder zurück und steck Sam die Zunge in den Hals."
Blaffte ich und schenkte ihm meinen besten wütenden Blick.
Er seufzte und schüttelte den Kopf. Dann fuhr er sich mir der Hand durch die zerzausten Strähnen.
Wieso musste das auch alles so gut aussehen?
„Paige, jetzt lass mich doch erklären..."
„Lass mich raten, es war nicht so wie es ausgesehen hat?"
„Genau!"
Ich lachte hysterisch.
„Ach bitte verschon mich mit dieser Ausrede. Etwas originelleres ist dir nicht eingefallen?"
Ich verzog die Lippen.
„Weisst du ich dachte wirklich dass du mich auch magst und stell dir vor, ich wollte dich wirklich allen ernstes näher kennen lernen, aber..."
„Jetzt sei Ruhig!"
Ich zuckte zusammen, als seine Stimme plötzlich die Luft Durchschnitt und mein Redeschwall brach ab.
Mit grossen Augen starrte ich ihn an.
„Entschuldige, aber anders hättest du deinen süssen kleinen Mund nicht geschlossen."
Meinte Alec und stellte sich direkt vor mich hin.
Von irgendwo her hörte ich ein Auto, die Häuserkette neben uns beobachtete lautlos das Geschehen.
Einige Parkierte Autos standen nahe bei uns auf der Strasse. Und irgendwo ertönte eine Sirene. Eine ganz normale Nacht. Und dann waren noch seine Augen, die glitzerten als hätten sie die in der Nacht fehlenden Sterne in sich gefangen gehalten.
Er war eben doch ein Dieb. Er stahl Herzen. Herzen und Sterne.
„Bitte hör mit jetzt zu, Bambi," er holte tief Luft und legte sanft seine Hände an meine Schultern.
Ich schwieg. Aber nicht weil er es mir befohlen hatte...okay doch eigentlich schon deswegen. Er hatte mich mit seiner aufbrausenden Art ziemlich erschreckt. Aber gut zu wissen dass diese Seite auch zu ihm gehörte. Genau wie andere Frauen zu küssen.
„Du hast mir gesagt ich soll ihr von dem was vielleicht zwischen uns ist nichts erzählen. Das war dein Wunsch also hab ich nichts unternommen.
Ich kann nichts dafür, Sam interpretiert in wirklich alles was ich tue irgend ein Zeichen. Das ist einfach lästig."
Da hatte er leider Recht, ich durfte das auch schon beobachten. Trotzdem keine Ausrede, sie zu küssen.
Ich verschränkte die Arme, um das deutlich zu machen.
„Und das vorhin, sie war ziemlich dicht, und sie hat gesagt ob ich finde dass sie gut tanzen kann. Ich habe nichts erwidert. Und dann sagte sie dass ich wohl so sehr darüber staunen würde dass mir die Sprache verschlagen sei..."
Okay Sam war ab und zu wirklich leicht gestört, wer konnte sowas schon in ein Schweigen hinein interpretieren.
„Dann hat sie sich zu mir runter gebeugt und mich geküsst. Ich weiss nicht wie lange du da standest aber wohl nicht mehr als eine Sekunde. Denn ich habe sie sofort weg gestossen."
Ich riss die Augen auf.
Irgendwie streichelte es mein Ego und verbreitete Erleichterung in meinem Körper, dass er so reagiert hatte. Also war er doch Loyal zu mir und dem was wir vielleicht irgendwann mal haben würden.
„Aber was hast du ihr gesagt? Hast du uns etwa verraten?"
Rief ich geschockt mir aufgerissenen Augen aus.
Alecs Blick änderte sich zuerst in genervt und dann in Finster. Ups. Hatte ich ja toll hinbekommen.
„Hör mal Paige, ich gebe mir wirklich Mühe. Aber du musst dich langsam mal entscheiden was du willst, denn anscheinend ist egal was ich tue falsch."
Knurrte er und schlechtes Gewissen schlich sich in mein Herz.
„Und nein, ich habe ihr nichts von uns erzählt. Ich habe nur gesagt dass ich darauf keine Lust habe und bin aufgestanden. Dann hat Felix mir erzählt wie plötzlich du abgehauen bist. Da musste ich nur eins und eins zusammen zählen."
Ich seufzte und schlug mir gegen die Stirn.
Ich spottete innerlich immer über diese jungen Teenie Girls, die nichts besseres im Leben zu tun hatten, als aus allem ein persönliches Drama und Weltuntergang zu machen.
Und jetzt hatte ich gerade etwa dasselbe getan.
„Es tut mir leid, Alec. Ehrlich, ich hätte dir sofort zuhören sollen."
Schniefte ich mit deutlichem Schuldbewusstsein.
Er legte den Kopf schief und wirkte noch nicht ganz überzeugt.
„Ich hätte dich nicht sofort verurteilen sollen Alec. Aber es hat mich einfach..."
„Ja?"
Ich druckste herum.
„Verletzt."
Jetzt hatte ich seine Aufmerksamkeit. Aber war ich schon soweit? Es zu sagen? Nein, also blieb ich lieber bei dem was wir uns schon gestanden hatten.
„Du weisst dass ich dich mag, und ich glaube ich war einfach..."
Ich biss mir auf die Lippen. Mensch, war das schwer sowas zuzugeben.
„Eifersüchtig?"
Er grinste mich triumphierend an.
Ich hätte ihm wirklich gerne eine gescheuert.
„Ja, mag sein."
Nuschelte ich und sein spöttisches Grinsen verwandelte sich in ein echtes Lächeln.
„Das ist gut zu wissen."
Meinte er leise und strich mir durch die Haare, ganz leicht, er berührte mich kaum.
Ich genoss es unheimlich. Viel zu sehr, als dass ich es zugegeben hätte.
„Lass uns nach Hause gehen, Bambi."
Raunte er und ich lächelte leicht und nickte.
„Aber was ist mit Sam?"
Er richtete meine Kopf in Richtung des Strassenverlaufs. „Mach dir keine Gedanken um sie. Ich tue es auch nicht."
Ich seufzte und nickte geschlagen.
Er hatte recht, mein Leben drehte sich nicht darum, ihr Dienstmädchen zu sein.
Ich war es ihr nicht schuldig, ihr immer hinterher zu rennen und hinter ihr aufzuräumen, wenn sie dasselbe nicht für mich tat.
Und das tat sie nicht. Keine Ahnung wieso ich immer so in sie vernarrt war. Ich hatte gedacht sie wäre eine echte Freundin, weil sie mir immer dieses gute Gefühl gab.
Sie machte mir Komplimente über mein Aussehen und wirkte genau wie die Art Freundin, die man in der Senior High School eben hatte.
Ich hatte wohl gedacht dass es normal war und dass ich genauso sein musste wie sie.
Ich seufzte.
Mit einem Arm um meine Schulter gelegt, schlenderte Alec neben mir durch die Dunkelheit der Nacht.
Und ich fühlte mich sicher, bei jedem Schritt.
Ich wusste dass mir hier in seinem Arm nichts passieren konnte, egal was kommen sollte.
Und während ich im Laufen so zu ihm aufblickte und in sein ebenmässiges Gesicht sah, wurde es mir klar. Was ich wirklich für ihn fühlte und was ich mir bloss nicht eingestehen wollte.
Und ich glaube, genauso sollte es sich anfühlen.
Liebe.

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