Kapitel 2: Vergebung

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•Yatogami•

Ein unangenehm schmerzhaftes Schlagen auf den eigenen Kopf, liess Yato aus dem Tiefschlaf erwachen. Langsam öffnete er seine Augen und sah direkt in die pinken Irden von Iki Hiyori, deren Gesicht leichenblass wirkte. In ihrem Blick lag eine Mischung aus Trauer und Besorgnis, Wut jedoch konnte Yato im Moment nirgends in ihren Augen erkennen. Sie trug eine dicke Jacke und den üblich pinken Schal. Offensichtlich regnete es, denn sie hielt ihren Schirm über sich selbst und den gerade erst erwachtem Gott. Das Prasseln des Regens hinterliess einen sanften Rythmus auf dem Schirm. Ein beruhigender Klang, wie Yato fand. Trotzdem änderte dies nichts an seinen Schuldgefühlen - die so gross waren, dass Yato den Kopf von der Oberschülerin abwandte und die Augen wieder schloss, während sein Körper sich zurück an den Baumstamm lehnte.
Er hatte gestern Abend nach der Begegnung mit der komischen Frau nicht die Lust gehabt nach einem Dach oder Schrein zu suchen um zu schlafen, weshalb er sich unter den Baum gesetzt hatte und an dessen Stamm dann irgendwann tief in der Nacht eingeschlafen war. Anscheinend hatte er den ganzen Morgen verschlafen, denn Hiyori sah so aus als käme sie gerade von der Schule - am Licht konnte er es nicht abschätzen, dafür waren die Wolken zu dicht.
Ein Rascheln holte Yato zurück aus seinen Überlegungen und seine blauen Augen blickten neben sich, wo er Hiyori ebenfalls sitzen sah, die Beine angewinkelt und den Schirm offen auf dem unebenen Boden abgestellt. Sie hatte ihren Blick gen Himmel gerichtet und betrachtete diesen mit ihren pinken Augen voller Emotionslosigkeit. Anscheinend war es ihr egal ob sie nass wurde oder nicht, denn ihr tropften immer wieder kalte Regentropfen ins Gesicht, schlichen sich an ihrem Gesicht entlang und weiter ihren Hals runter. Die blasse Haut wirkte in dem kahlen Licht noch weisser als sie sowieso schon war und die sonst so strahlenden Haare schienen all' den Glanz vollkommen verloren zu haben.
"Bist du sauer auf mich? Oder auf Yukine? Auf Kofuku und Daikoku?", erkundigte sich die Braunhaarige nach einiger Zeit der Stille.
Einen Moment wusste Yato nicht was er antworten soll. Das war eine gute Frage.
War er böse auf Hiyori und Yukine? Oder auf Kofuku und Daikoku? Bishamon und Kazuma?
"Nein...", murmelte er nach einiger Zeit der Überlegungen und liess seine Augen ebenfalls in den Himmel blicken. Er wirkte trüb - fast so, als hätte er Hiyoris Trauer verdeutlichen wollen. Verdammtes Klischee!, zischte Yato in Gedanken und atmete unbewusst einmal tief durch.
Die Frage lag Yato auf der Zunge. Genau die Frage, welche Hiyori wohl bereits den ganzen Tag beantworten musste in der Schule.
"Wie...geht es deinem Vater...?", wagte der Blauäugige doch die Frage und versuchte sich nicht vor Angst zu verkrampfen - was ihm natürlich nicht gelang.
Eine ganze Weile lang sagte Hiyori nichts, blickte bloss in den Himmel. Bis ihre Lippen schliesslich ein: "Er ist tot" formten.
Das Klischee traf erneut ein, genau in eben jenem Moment donnerte es an einem fernen Ort und liess den Himmel erzittern.
"Die Ärzte haben meiner Mutter gesagt dass er zwar im Koma, jedoch die Wahrscheinlichkeit dass er aufwacht sehr gering ist. Und wenn doch, dann wird er Schmerzen bis zum Ende haben. Meine Mutter bat die Ärzte gestern, die Geräte aus zu schalten..."
Yato wollte sich zu Hiyori drehen. Sie trösten und bei ihr sein, sie in den Arm nehmen. Doch er konnte nicht. Er war wütend - wütend auf sich selbst, verdammt noch Mal! Warum musste es so kommen?! Das war so unfair!
Yato war so in seiner Rage gewesen dass er die geballte Faust die sich in den nassen Boden krallte gar nicht bemerkt hatte. Dass er das besorgte Rütteln Hiyoris nicht wahrgenommen hatte.
Doch als sie ihm plötzlich eine saftige Ohrfeige gab und ihn aus tränenerfüllten Augen genau ansah, machte es bei ihm 'Klick'. Als hätte Hiyori den Knopf betätigt, schaute er geschockt in die pinken Irden der Oberschülerin. Sie hatte ihre beiden Hände auf seine Schultern gelegt und schaute ihm genau in die Seelenspiegel. "Rede mit mir Yato! Was ist los?!"
"Es ist meine Schuld dass dein Vater tot ist! Ich habe ihn getötet!", war Yatos geschriene Antwort. Hiyori schüttelte kräftig ihren Kopf, wodurch einige Tränen ihre Wangen runter flossen und sich mit dem kalten Regen vermischten. Es blitzte und nicht einmal zehn Sekunden später donnerte es erneut. Das Gewitter kam näher.
"Es ist nicht deine Schuld! Keiner wusste dass es mein Vater war, auch ich nicht! Du hast mir das Leben gerettet! Du hast meinen Vater von der Qual ein Ayakashi zu sein erlöst!"
Yato griff nach Hiyoris Händen und drückte diese von sich weg. "Ich bin ein eiskalter Killer! Wegen mir hat Yukine schreckliche Schuldgefühle und sticht mich sekündlich deswegen! Das ist meine Strafe! Es ist meine Schuld!"
"Ist es nicht!", verneinte die Braunhaarige laut und zog die Aufmerksamkeit eines fremden Pärchens auf sich. Da die beiden Yato nicht sehen konnten, wirkte es auf die beiden so, als wäre die Oberschülerin vollkommen übergeschnappt und redete mit einem Baum. Doch es interessierte sie nicht einmal, dass die Menschen während dem schnellen Schutz suchen vor dem stärker werdendem Regen verblüfft zu ihr hinüber gafften. Das Pärchen verschwand hinter der Mauer des Parkes und hinterliess bei keinem der beiden diskutierenden einen Eindruck.
Yato packte Hiyoris Hände und drückte sie gegen den Baumstamm, hielt ihre Hände über ihr angepinnt fest und schaute ihr in die Augen. Die pinken Irden waren vor Schreck geweitet und starrten in die blauen des Gottes.
"Ich bin ein Mörder, Hiyori! Warum musst du so ein guter Mensch sein und mich sehen?! Warum musstest du mich dank des guten Willens vor einem Auto retten?!"
Die Schülerin kniff ein Auge zusammen und murmelte: "Yato,du tust mir weh..."
"Wenn du mich nicht kennen gelernt hättest wäre das nie passiert! Du hättest bereits einen Freund und würdest glücklich sein!", fuhr Yato fort, schien Hiyori gar nicht wahr zu nehmen.
Die Verzweiflung brannte sich beinahe in seinen Körper, liess Yato noch einmal das Bild des blutenden Vaters vor Augen führen. Wie er seine Tochter traurig und erleichtert lächelnd anschaute aus glasigen und leeren Augen. Wie er da lag, ohne eine Regung.
"Du bist und bleibst ein Todesgott...", vernahm der Schwarzhaarige die süsse Stimme der unbekannten Frau, die er gestern Abend gespürt hatte. Er schloss die Augen, drückte Hiyori während dessen unbewusst immer stärker an den Baum, hörte ihre Versuche ihn zu erreichen kein Stück.
Nein...ich bin kein Todesgott...ich will Glück bringen...
"Sieh es ein, du wirst immer Unglück bringen. Wo auch immer du bist, deine Freunde werden leiden..."
Das ist nicht wahr...
"...sie werden schreien vor Schmerzen..."
Nein...ich liebe meine Freunde, sie sind mein Halt...meine Stütze und meine Barriere...meine Familie..., verneinte Yato in Gedanken, schien so mit der Stimme in seinem Kopf reden zu können. "...und sie werden irgendwann sterben. Einfach nur weil du bei ihnen bist..."
Vollkommen in Gedanken versunken verstärkte Yato den Griff um Hiyoris Handgelenke. Kräftig schüttelte er den Kopf, wimmerte vor sich hin - Worte die weder er selbst noch die Braunhaarige verstehen konnten.
Meine Freunde werden nicht sterben...nein...!
"...einfach weil..."
Plötzlich spürte Yato einen kalten, weiblichen Körper an seinem Rücken. Kalter Atem streifte seinen Nacken und liess ihn seine Augen erschrocken aufschlagen. "...du exisierst...", beendete die Stimme ihren Satz und liess Yato verzweifelt den Kopf schütteln.
Ich bin kein Monster...ich bin kein Todesgott mehr...ich bin ein guter Gott...
Eine unangenehme Erinnerung nach der anderen holte Yato ein: Die Erinnerung an all' die Momente in denen er seine Freunde nicht beschützen konnte. An alle Momente, in denen er da war - aber seine Freunde in Gefahr waren. In Lebensgefahr.
Ich bin...eine Gefahr für alle die ich zu lieben und schätzen gelernt habe..., dachte Yato und schloss seine Augen, gab der dunklen Macht die er gar nicht bemerkt hatte vollkommen nach.

Into the DarknessWhere stories live. Discover now