12- Die Rebellion

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Als ich unten ankam, waren viele bereits tot. Unsere Leute, genauso wie die vom System.

Ich stand da, unfähig mich zu bewegen. Vor mir ein verletztes Kind. Umringt von ihrem eigenen Blut. Sie starrte mich an und weinte leise. Ich kniete mich zu dem kleinen Mädchen hinunter und begutachtete ihren fast toten Körper. Es sah schlecht für sie aus. Ich rief immer wieder um Hilfe, doch niemand kam.

,,Ich habe Angst", flüsterte sie mir mit rauer Stimme zu. ,,Vor'm Sterben".

Ich schaute sie entsetzt an.

,,Nein, dass brauchst du nicht. Du wirst nicht sterben!" Versprach ich ihr schnell.

Sie lächelte schwach.

Aus ihrem Kopf strömte immer mehr Blut bis schließlich ihre blonden, wunderschönen Haare die dunkle Farbe aufgesogen hatten.

Um uns herum ein Gefecht aus Kämpfern, die ihr Leben für die Freiheit opferten.
Ein Mann zischte mir zu, wir sollten verschwinden. Er war einer von uns. Im nächsten Augenblick durchfuhr ihn eine Klinge, die ihm bestürzt zu Boden gleiten ließ.

Geschockt ließ ich einen Schrei los. Doch meine Stimme wurde vom den lauten Tumulden des Kampfes übertönt. Es war einfach nur furchtbar.

Mein Blick landete schließlich wieder auf dem Körper des sterbenden Mädchens vor mir. Ich schluckte einmal. ,,Komm mit", flüsterte ich, überwand meinen inneren Schweinehund und legte sie über meine Schulter.

Mit letzter Kraft lief ich mit ihr los. Sie durfte nicht sterben! Ein Schuss fiel und ich blieb wie angewurzelt stehen. Ein Mann mit grauem Haar und einer Narbe überm rechten Augen stand nun vor mir. Ich wusste sofort, dass er einer von der anderen Seite war. Er gehörte nicht zu uns und er würde uns töten, würde mir nicht gleich etwas einfallen.

,,Stehen geblieben", sprach dieser finster und kam einen Schritt weiter auf mich zu. Ich hatte Angst und ich war unbewaffnet. Wir würden sterben. Beide.

Er richtete seine geladene Waffe auf meine Brust und lachte. Ja, er lachte nur. Ihn machte der Krieg wohl Spaß. Ängstlich schloss ich meine Augen und wartete auf den Tod.

Mein Körper begann heftig zu schwitzen und ich spürte wie meine Knie anfingen zu zittern.

,,Na nu, hat da jemand Angst?" Lachte er erneut auf, wobei seine metallischen Augen aufleuchteten.

Ohne nachzudenken trat ich ihn gegen sein Bein. Sofort durchfuhr mich ein heftiger Schmerz. Er blieb normal. Emotionslos. Ja, er war wohl zum größten Teil schon durch Altmetall ersetzt wurden. Ich drängte mich an ihn vorbei, doch nun lag seine Waffe an meinem Kopf.

Dann fiel der Schuss.

Eine Atmung wurde abrupt gestoppt. Es vergingen mehrere Sekunden bis ich begriff, dass ich gar nicht getroffen wurde. Ja, ich lebte! Nur er lag nun vor mir. Zusammengekauert und bettelnd nach Hilfe.

Ich drehte mich um, erkannte das er es war, der ihn zu Boden fielen ließ.
Er war es, der mich rettete.

,,Lauf!" Schrie er und deutete in Richtung Ausgang. Leon stand einige Meter von mir entfernt. Mit einer Waffe in der Hand und Blut im Gesicht kleben.

,,Lauf! Lauf so schnell du kannst", rief er, dann rannte ich los.

Lief immer weiter. Immer schneller. Nur noch weg.

Hinter einer Ecke machte ich schließlich halt. Viele Rebellen waren da. Verletzte und Tote ebenfalls. Ein etwas älterer Mann kam auf mich zu. Ich setzte das Mädchen vor ihm ab und er begann nun sie zu versorgen.

Alle Rebellen hatten diese eine weiße Uniform an, hatten verbrannte Asche im Gesicht und waren voller unbeschreiblicher Wut und Verachtung.

,,Was ist mit ihr?" Flüsterte ich nun und schaute ihn fragend an. ,,Wird sie es schaffen?"

Erst antwortete er nicht, doch irgendwann meinte er ,,Unwahrscheinlich, doch ich gebe mein Bestes".

,,Versprochen".

Ausdruckslos kullerte mir eine Träne die Wange hinunter und fiel lautlos auf den Boden. ,,Nein, bitte. Bitte nicht, sie darf nicht sterben!"

Der Arzt schaute zu mir auf und musterte mich angespannt. Ich fiel zu Boden und nahm ihre kalte Hand in meine. ,,Komm schon!" Flüsterte ich und presste mein Gesicht an ihre Wange. ,,Du schaffst das. Bitte, bleib am Leben".

Ihre geschlossenen Augen nach zu urteilen war es aber bereits zu spät. Sie verlor an Farbe im Gesicht und ich wusste: Es war vorbei.

Sie war tot.

Um mich herum verschwommen die Bilder. Ich erkannte noch wie den Arzt, der alles versuchte, doch es war zu spät. Weitere Tränen liefen mir übers Gesicht.

Eine Explosion folgte, mehrere Schüsse und Schreie.

Mein Lippe zitterte und mein Kopf war so leer.

,,Ich brauche eine Waffe", zischte ich und wand mich an den dunkelhäutigen Mann neben mir. Er nickte zögerlich und übergab mir Pistole. Einfach so.

,,Danke". Wieder nickte er. ,,Töte sie. Töte sie alle. Wir wurden lange genug kontrolliert. Du schaffst das Mädchen".

Ohne jeden Ausdruck im Gesicht stand ich auf, blickte ein letztes Mal auf das verstorbene Mädchen, dessen Name ich noch nicht einfach erfahren hatte, und ging los.

Zielstrebig folgte ich den lauten Geräuschen. Wieder explodierte eine Bombe und riss mich und viele andere zu Boden. Sofort sprang ich auf und rannte los. Jetzt aber schneller und mit mehr Wut im Bauch.

Ich werde sie rächen. Ich müsste sie rächen. Für sie. Für die Rebellion. Für die Freiheit und die Hoffnung. Für uns alle.

Tausende Benutzer lagen am Boden. Rauch verdeckte mir zum größten Teil die Sicht, doch es war mir egal.

Die Kuppel war kaum noch wieder zu erkennen. Eine durchgehende Sirene ertönte und der Ausnahmezustand wurde einberufen.

Es herrschte nun offiziell Krieg.

Vor mir verzeichnete sich eine Frau, sie trug dunkle Kleidung. Die Kleidung des Bösen. Unserer Feinde.

Sie war vom System!

Sie tötete in diesen Moment einen jungen Mann. Ich kannte ihn gut. Doch nun war auch er tot. Alle starben in dieser einen Nacht. Mir wurde bewusst, dass danach nichts mehr so sein würde, wie es einmal war. Diese Nacht veränderte einfach alles.

Ohne mein Ziel aus den Augen zu verlieren stolzierte ich geradeaus auf sie zu. Blitzschnell drehte sie sich zu mir um, sodass ihre braunen, langen Haare sich einmal um sie herum schlugen. Sie war noch zu 100% Mensch, ich erkannte es in ihren Augen.

Ohne noch einmal zu zögern hob ich meine Waffe und feuerte einen Schuss ab. Er traf mitten ins Schwarze. Sie brach noch vor mir zusammen. Ein leises Keuchen ihrerseits, dann war es vorbei. Mein erster Mord.

Ich wusste es war falsch, doch sie hatte zu viele meiner Leute auf dem Gewissen. Ich blickte mich um, um nicht überrascht zu werden. Viele aus meiner ehemaligen Stufe kämpften, Eltern, sowie Kinder. Sie alle kämpften um ihre Freiheit, das einzige was uns Hoffnung gab.

,,Mia!" Ich kannte die Stimme.

,,Mia, hilf mir!" Erklang es erneut.

Perplex schaute ich mich um.

,,Wo bist du, Anna?"

Das SYSTEMWhere stories live. Discover now