Die Frau in Schwarz

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„Spürt ihr das?" Finns Stimme klang auf einmal viel höher, als sonst.

Eine tiefe Beklemmung hatte sich auf uns gelegt. Ich fühlte einen ekelhaften Druck hinter meinen Augäpfeln und musste mich zusammenreißen, dass ich mir nicht meine Handballen in meine Augen drückte.

„Yup."

„Ähm... und das ist Blut an ihren Händen, oder?"

„Sieht ganz so aus."

„Gut... gut. Wollte nur sichergehen."

Oh scheiße! Okay, kein Grund zur Panik. Was, wenn das eine total unerwartete zweite Erscheinung war? Das war nicht das erste Mal, dass so was passierte. Oder? Meine Erinnerung ließ mich gerade im Stich.

Neben mir holte Maya vorsichtig wieder ihre Waffe hervor. Ich konnte förmlich spüren, wie Finns Gedanken rasten.

„Finn?", meine Stimme klang angespannt, „Jetzt wäre der Zeitpunkt für eine deiner cleveren Ideen."

„Ich arbeite dran."

Mayas Augen flackerten zwischen uns und der Frau an der Tür hin und her:

„Wir sollten uns zurückziehen."

Ich fluchte. Warum hatte ich nicht auf Maya gehört und nach einem zweiten Ausgang gesucht? Ich war froh, dass sie den Takt hatte, es nicht zu erwähnen. Es bliebt uns nichts Anderes übrig, als zu versuchen die Erscheinung einzufangen.

Wir traten ein paar Schritte zurück, ohne unsere Augen von der Frau zu nehmen. Sie schien uns nicht zu bemerken. Plötzlich, ohne Vorwarnung, und mit unglaublicher Schnelligkeit rannte sie auf uns zu, ein greller Schrei durchschnitt die Bibliothek.

„Maya, schieß!"

Maya stand stocksteif da und starrte auf die Erscheinung.

„Maya!"

Die Frau kam immer näher, als wäre sie mehr ein Schatten als alles andere. Ich sah panisch zu Maya, die auf einmal aufzuwachen schien und hastig ihre Waffe hob.

BAM! Maya hatte ihr direkt ins Herz geschossen. Die Frau in schwarz verschwand, ohne ein Geräusch, aber wir wussten, dass sie jede Sekunde wieder auftauchen konnte.

„Irgendeine Ahnung wer diese nette Dame ist?"

Ich versuchte, meine Stimme ruhig zu halten, aber ich hatte einen gehörigen Schrecken bekommen. Maya atmete schwer und starrte noch immer auf den Ort, an dem gerade die Erscheinung verpufft war. Sie hatte ihre Waffe im Anschlag.

Neben mir spähte Finn nervös über seine Schulter: „Ich hab das Gefühl ich hab's gleich. Ihr Kleid sieht viktorianisch aus. Und sie hat Blut an ihren Händen, aber nirgendwo sonst an ihrem Körper. Es ist also nicht ihr eigenes."

„Schauerroman?"

„Wahrscheinlich. Eine mörderische Frau in einem schwarzen Kleid... klingt irgendwie bekannt, aber ich komm einfach nicht drauf."

Ich atmete tief durch.

„Okay, wir müssen sie zum Reden bringen. Maya, wenn sie wiederkommt, schieß nicht, wenn du es vermeiden kannst. Ich rede mit ihr, wir finden raus, wer sie ist und wir werden sie einfangen."

Ich nahm mein Messer in die Hand und sah mich um. Es dauerte nicht lange.

„Da!"

Maya wirbelte herum und zielte auf die Frau. Sie war nur wenige Meter von uns entfernt wieder aufgetaucht. Ich sah etwas in ihrer Hand schimmern. Was immer es war, ich wollte es nicht näher kennen lernen.

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