Zwei Idioten in den Straßen

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Dieses Kapitel widme ich allen Müttern, die tagtäglich für uns Kinder da sind. Insbesondere natürlich meiner lieben Mom, ohne die ich echt aufgeschmissen wäre.

Zwei Idioten in den Straßen
Jolina

Unsanft riss mich das Schrillen meines Weckers aus dem Schlaf. Mürrisch rollte ich mich auf die andere Seite und fiel dabei fast vom Bett. Die Sonne leuchtete hell durch mein Fenster. Ich wunderte mich, dass sie bereits hoch am Himmel stand, bis mir einfiel, dass heute der erste Tag des Wochenendes anbrach und ich meinen Wecker auf Elf Uhr gestellt hatte.

Müde gähnte ich und kuschelte mich in die hässlich grauen Laken. Die letzte Woche war wie im Flug vergangen. Erst der Umzug, der Beginn des Studiums, die vielen neuen Bekannten und schließlich Jenna, die ihren Besuch vorverschoben hatte. Wir waren am Dienstag nach dem Unterricht zusammen Kaffee trinken gewesen und Donnerstag hatte ich ihr meine Bleibe mitsamt Pam und Kacy vorgestellt.

Entgegen meiner Erwartung waren Jenna und Pam auf den ersten Blick voneinander begeistert. Es dauerte kaum fünf Minuten, da führten sie bereits eine hitzige Diskussion über die besten Filme und Drehbücher der letzten fünf Jahre. Kacy und ich hatten der Debatte kopfschüttelnd und stumm beigewohnt, stets darauf bedacht, nicht zwischen die Fronten zu geraten.

Mit meinen Eltern hatte ich gestern Abend ausführlich telefoniert. Mom wollte jedes kleine Detail erfahren, während es Dad hauptsächlich darum ging, zu fragen, ob es mir gut ginge und ob mir etwas fehlte, dass er mir nachschicken sollte.

Nebenbei hatte ich jeden Tag meine Kurse besucht, die mich aufs Äußerste forderten, da ich beweisen wollte, dass ich meinem Stipendium gerecht wurde. Kein Wunder, dass ich heute ohne einen Wecker wahrscheinlich gar nicht aufgewacht wäre. Normalerweise hätte ich mir erst gar keinen Wecker gestellt, sondern gleich bis Sonntag durchgeschlafen. Normalerweise hatte ich aber auch keine Verabredung zum Laken-Kaufen.

„Morgen, Pam", gähnte ich, als ich mehr schlecht als recht in die Küche stolperte. „Müsli steht schon auf dem Tisch", begrüßte mich diese, ohne von ihrem Buch aufzusehen. Ich wusste nicht genau, in welcher Beziehung Pam zu ihrem Müsli stand, aber ich sah sie selten etwas Anderes essen, was mich erst ein wenig irritierte. Andererseits musste ich zugeben, dass das Müsli wirklich gut war.

„Hast du heute was vor?", fragte ich sie. „Vielleicht, vielleicht auch nicht", grummelte sie träge. „Und du?" Ich rutschte unruhig auf dem Sofa hin und her, auf welchem ich es mir – mit Müsli – bequem gemacht hatte. „Ich habe mich mit Lane zum Laken-Aussuchen verabredet", versuchte ich so gelassen wie möglich zu erzählen. Zum ersten Mal sah Pam von ihrem Buch auf und musterte mich mit einem Lächeln, das mir Angst einjagte. „So, so", sagte sie dann aber nur. Heute Abend würde sie mich löchern, so viel stand fest. „Ich mach mich dann mal fertig", verkündete ich und huschte aus dem Wohnzimmer.

Schon wenige Minuten später kämpfte ich mich die vielen Treppenstufen nach unten – und bei jedem Stockwerk fragte ich mich, welcher sadistisch veranlagte Architekt entschieden hatte, dass dieses Gebäude keinen Lift benötigte. Ich beschloss den Weg zum Café, vor welchem ich mich mit Lane verabredet hatte, zu Fuß zurückzulegen, da mir noch reichlich Zeit blieb – sehr reichlich Zeit, denn als ich den Treffpunkt erreichte, war ich immer noch eine ganze halbe Stunde zu früh. Doch ich war nicht die Einzige.

Lane saß an einem kleinen, runden Tisch. Vor ihm ein dampfender Kaffee. Er hatte mich noch nicht bemerkt, was mir die Zeit gab, tief durchzuatmen und dann gefasst auf ihn zuzugehen. „Hi", begrüßte ich ihn und schon als sich sein Lächeln anzudeuten begann, war es um meine Fassung geschehen. Vermaledeites Lächeln, bei welchem sich mein Herz zusammenzog und frisch fröhlich in meiner Brust herumhüpfte.

Er schob seinen Stuhl zurück und machte den Anschein mich zu umarmen. Um nicht gleich aufzufliegen, versuchte ich meinen Herzschlag unter Kontrolle zu bringen; ohne großen Erfolg. Es schlug so schnell wie bei einem Kaninchen, das seit endlosen Stunden vor dem Fuchs zu flüchten versuchte, als sich seine starken Arme um mich schlossen. „Dein Puls rast", flüsterte er. „Bin gerannt", antwortete ich belämmert, weil mir bei Weitem nichts Besseres einfiel. „Damit du eine halbe Stunde zu früh bist?", hakte er nach. „Ich muss meine Ausdauer trainieren", erklärte ich und freute mich, weil die Aussage genaugenommen keine Lüge war. Ich musste wirklich an meiner Ausdauer arbeiten. Lanes Blick verriet mir, dass er mir kein Wort abkaufte. Ich konnte es ihm nicht verübeln. Zu meinem Glück beließ er es jedoch dabei und bohrte nicht weiter nach. Doch wäre ich nicht so sehr damit beschäftigt gewesen mein verräterisches Herz zu beruhigen, wäre mir vielleicht aufgefallen, dass nicht nur mein Puls ganz schön schnell schlug.

Ich ließ mich auf den Sitz vis-à-vis von Lane fallen und bestellte mir einen Kaffee, um noch die letzte Müdigkeit aus meinen Knochen zu vertreiben. Wir tranken schweigend, beobachteten die Menschen auf den Straßen und hingen unseren eigenen Gedanken nach. Ich konnte mir nicht erklären, wie ich darauf gekommen war, aber als die Rechnung kam und wir bezahlten, kreisten meine Gedanken um die Frage, was ich meiner Mutter zum Muttertag schenken sollte. Dabei war es gerade mal Juli.

„Kommst du?", lächelte Lane und hielt mir den Arm hin. Da ich nicht wusste, was ich mit seinem Arm sonst tun sollte, hakte ich mich bei ihm unter. So wanderten wir durch die Straßen meiner neuen Heimat und tauschten uns über die vergangene Woche aus; wer was von welchem Kurs hielt, welcher unser Lieblingskurs war oder welchen Kurs wir am liebsten hinschmeißen würden (wir entschieden uns einstimmig für die Yoga-Tortur).

„Siehst du diesen Mann im grünen Hemd? Der, der seine Beine so gegen außen schwingt". Lane nickte mit dem Kopf in die Richtung des besagten Mannes und ich bejahte leise, dass ich ihn sehen könnte. „Ich wette du kannst seinen Gang nicht perfekt nachahmen", behauptete er, was ich selbstverständlich nicht auf mir sitzen ließ. Sobald der Mann um die nächste Straßenecke gebogen war und uns nicht mehr sehen konnte, ließ ich meine Knie beim Gehen leicht nach außen kreisen – und siehe da, ich konnte den Typen perfekt nachstellen.

„Nicht sehr elegant", bemerkte Lane mit einem unterdrückten Grinsen, „aber ich muss zugeben, dass du den Gang perfekt imitiert hast." Ich lachte los, als ich mir vorstellte, wie dumm ich dabei aussehen musste und entschied dann, ebenfalls für Lane eine Herausforderung zu suchen. Dabei fiel mir eine bunt gekleidete Frau ins Auge, die regelrecht von Bordstein zu Bordstein hüpfte. Ich zeigte sie ihm und nur Sekunden später konnte ich mich vor Lachen kaum mehr halten. Es sah aber auch zu witzig aus, wie er mit seinen langen Beinen versuchte den schrulligen Gang der bunten Dame zu imitieren.

Wir führtendas Spiel fort, wiesen uns gegenseitig auf ungewöhnliche Gangarten hin und versuchten sie zu übernehmen, was manchmal besser und manchmal weniger gut gelang. Doch gleichgültig, wie es herauskam, Lane und ich hatten unseren Spaß dabei!

Jaune CanariWhere stories live. Discover now