Kapitel Vier

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Als die Königin ihr Arbeitszimmer betrat war der Rabe gerade herein geflogen. Ihr Herz frohlockte, nur eine Person hatte den Raben rufen können. Schnell eilte sie zu ihrem dunkel gefiederten Liebling.

Mit einem Spruch strich sie ihm über den weichen Kopf. Augenblicklich hörte sie die Nachricht in ihren Gedanken.

Ich habe alles erledigt. In wenigen Stunden werde ich zurückkehren.

Die Königin konnte nicht verhindern, dass ihr Herz vor Freude schneller schlug. Bald würde sie das Herz dieses Narren in ihren Händen haben! Vor Glück lachte sie laut auf.

Sie hatte sich schon am Tag zuvor zusammen reißen müssen, als sie den Prinzen verabschiedete. Am liebsten hätte sie ihm ins Gesicht gesagt, dass er geradewegs in seinen Tod lief! Zu gern hätte sie sein Gesicht gesehen als ihre Jägerin die Klinge in ihn drückte.

Das letzte mal hatte sich die Königin so gefühlt, als der alte König endlich gestorben war. Doch die Freude wehrte damals nicht lange. Jetzt gab es jedoch kein Hindernis mehr, das Reich würde sich sehr bald ändern. Bald würde ein jeder auf sie hören müssen!

Zuerst würde sie diesen ganzen jämmerlichen Besuch der Bauern einstellen! Sie verpesteten mit ihrem alleinigen Geruch den ganzen Palast. Zudem bereitete ihr das ganze Gebitte und Gewünsche große Kopfschmerzen.

Danach würde sie dafür sorgen, dass mehr Geld in die königliche Kasse floss. Mit einem breiten Lächeln betrachtete sie sich im Spiegel. Bald hätte sie alles erreicht was sie je gewollt hatte. Wer hätte gedacht, dass es dazu schlicht eine einfache Dienerin brauchte?

Mit diesem Lächeln verließ sie das Zimmer. Die Frau verspürte Appetit und zudem musste sie nun ein neues, prächtiges Kleid bestellen. Bald würde sie zur alleinige Herrscherin gekrönt, da musste sie eindrucksvoll aussehen.

Sie rief einen Diener herbei.
"Ruf den Schneider! Er soll seine prächtigsten Stoffe bringen!" Ihr stand der Sinn nach einem hoheitsvollen Blau. Genau, ein dunkles, schimmerndes Blau! Alle würden sie darum beneiden.

Sie malte sich schon die neidvollen Blicke der adligen Damen aus. Sie konnte heute gar nicht mehr aufhören zu lächeln.

Freudig betrat die Königin den Speisesaal. Die Diener schafften es nicht ihre Verwunderung zu verbergen. Noch nie hatten sie ihre Königin mit so einem Lächeln und Appetit essen sehen. Sie dagegen wollte heute darüber hinwegsehen.

Ihr Tag hatte schon mit der best möglichen Nachricht begonnen. Sie überkam eine Gänsehaut, wenn sie an das Herz dachte, welches bald in ihren Händen liegen würde. Zudem freute sich die grausame Frau über die Geschichte, die sich ihre Dienerin über den tragischen Verlust des Prinzen ausgedacht hatte.

Was würde die Jägerin wohl erzählen? Sie ermahnte sich nicht laut auf zu lachen. Jetzt nicht und nachher schon gar nicht! Nicht solange Zuschauer anwesend waren, wenn sie später wieder in ihrem kleinen Zimmer war konnte sie ihrem Glück Ausdruck verleihen.

Selbstverständlich kam der Schneider noch vor dem Mittagessen. Er hatte viele Blau- und Grüntöne, doch ihre Wunschfarbe war nicht dabei. Weshalb der Helfer noch mal losgeschickt wurde um diesen Stoff zuholen und der Königin zu zeigen.

Nach dem Mittag wurde sie unruhig. Sie wollte endlich, dass ihre Jägerin eintraf! Sie verschloss sich in ihrem Zimmer und lief in Kreisen. Wie lange konnte es denn noch dauern?
Sie öffnete das geheime Nebenzimmer mit ihren Spiegeln, mit einer einzigen Handbewegung.

"Spieglein, Spieglein an der Wand, zeig dich Mutter!"

Aus dem milchigen Strudel erschien das Abbild der vertrauten Frau.
"Was wünschst du mein Kind?"

"Du weißt genau weshalb ich dich gerufen habe! Sag mir wie lange meine Jägerin noch braucht!"

"Du solltest dich in Geduld üben. Deine Dienerin ist klug, sie ist sicher weit gelaufen, damit kein Bewohner des Reiches so einfach auf den Körper stoßen kann."

"Das ist mir schon bewusst! Aber ich will sein Herz endlich haben!"

Schweigend betrachtete sie die Frau im Spiegel. Dann schnaubte sie.
"Kannst du mir wenigstens seinen toten Körper zeigen?"

"Ich kann ihn nicht finden, sie muss ihn gut versteckt haben."

Ihre Lippen wurden schmal vor Wut.
"Kannst du mir wenigstens meine Jägerin zeigen? Oder liegt es auch nicht in deiner Macht?"

Ohne eine Antwort zu geben zerfloss die Frau in den Strudel und langsam wirde ein Bild klar.

Die Königin sah wie die junge Frau durch den Wald schritt. Ihr grässlicher Hund war nicht dabei, doch was an ihrem Gürtel, bei jedem Schritt, gegen ihr Bein stieß, ließ das Herz der Königen schneller schlagen.

In dem Beutel musste sein Herz sein. Sie legte eine Hand auf die Stelle wo ihres kräftig Schlug. Amüsiert betrachtete sie die Jägerin, diese würde nie wieder etwas anderes als einen ruhigen, rhythmischen Schlag spüren.

Dann blitzte in dem Bild die Spitze des Schlosses auf. Ja! Es konnte nun wirklich nicht mehr lange dauern!

"Es reicht, ich habe genug gesehen." Die Frau drehte sich vom Spiegel weg und trat an eines der Fenster. Ja, selbst von hier konnte sie nun eine Person erkennen.

"Hast du noch einen Wunsch?" Meldete sich hinter ihr der Spiegel.

"Nein, du kannst wieder schlafen."

Nach kurzer Zeit trat ein Diener ein, um ihr mitzuteile, dass ihre Jägerin alleine und voller Blut eingetroffen war. Die Königin eilte die Flure entlang. Für alle würde es aussehen, als wäre sie besorgt.

Endlich stand sie ihrer Dienerin gegenüber. Sofort viel die junge Frau auf ein Knie und neigte den Kopf herunter. Sie sah schlimm aus, ihre Kleidung war voller Blut.

Angewidert zog die Königin die Nase kraus. Die beiden Frauen befanden sich alleine in einem der vielen Zimmer.

"Los sag schon, was ist passiert?" Dies musste die Königin fragen, denn man wusste nie wann die Wände Ohren hatten.

"Ein riesiger Eber hatte uns überrascht. Er stürzte sich plötzlich auf den Prinzen, ich reagierte zu spät. Es tut mir leid."

Lautlos löste die Jägerin den Beutel von ihrem Gürtel und streckte ihn ihrer Herrin entgegen. Diese konnte sich ein leichtes Lächeln nicht verkneifen, als sie den Gegenstand abnahm.

"Es ist wirklich ein tragischer Verlust für das ganze Königreich. Nachdem sie ihren geliebten König verloren haben ist nun auch der Prinz von uns geschieden. Diener!"

Ein dürre Mann trat ein, am Zittern seiner Hände war schon sichtbar, dass er jedes Wort belauscht hatte.

"Bitte versammle den Rat und die Ältesten, ich habe schreckliche Neuigkeiten." Kaum waren die Worte gesprochen eilte der Mann überraschend flink für sein Alter den Flur entlang.

"Herrin, dürfte ich nun gehen?"

"Natürlich, dich brauche ich jetzt nicht, du hast gute Arbeit geleistet."

Kurz neigte die Jägerin ihren Kopf tiefer, dann verschwand sie aus dem Zimmer.

Es war schon tiefe Nacht in der die Königin endlich alleine für sich war. Die Nachricht hatte sich wie ein Laubfeuer im ganzen Schloss verbreitet und bald würde das ganze Reich davon wissen.

Sie erweckte den Spiegel zum Leben.
"Ich habe sein Herz! Schau nur."
Die Königin streckte den geöffneten Beutel dem Spiegel entgegen. Doch dieser lachte nur laut auf.

"Das soll sein Herz sein? Es ist nichts weiter als das dumpfe Herz eines Wildschweins!"

Augenblicklich viel der Beutel zu Boden. Die Königin erzitterte vor Wut. Wie hatte sie es wagen können?
"Wo ist sie? Wie konnte sie es wagen mich zu betrügen?"

"Ich kann sie nicht finden. Sie muss Erde um sich haben, deine Dienerin ist wirklich schlau."

"Nein! Ich will, dass du jede Minute nach ihnen suchst!"

Zornig besah sie das Herz zu ihren Füßen, die beiden würden nicht weit kommen. Sobald die Königin sie fand würde sie beide qualvoll Bluten lassen!

Niemand hinterging die Königin!

Das Herz der JägerinDonde viven las historias. Descúbrelo ahora