Kapitel 45 - Krankheit

7K 483 102
                                    

(Matts Sicht)

Er setzt sich in einer fließenden Bewegung auf einen der Barhocker neben mir. Sein Blick fällt erst einmal auf die Kaffeetasse in meiner Hand. Mit einem Seufzer reiche ich sie ihm, worauf er dankbar lächelt und einen Schluck nimmt.

"Also, was musst du mir sagen?", frage ich  einerseits interessiert, anderseits mit schlechter Vorahnung.

"Matt, ist dir eigentlich jemals etwas aufgefallen beim Weglaufen?", fragt er zögerlich.

Verwirrt mustere ich ihn einen Moment, dann zucke ich ahnungslos die Schultern. Ich hab immer nur darauf geachtet so schnell als möglich weg zu kommen, hätte doch jeder.

"Hast du sie jemals... Gesehen?", fragt er als nächstes, dabei wirkt er so gequält.

Kurz muss ich nachdenken, will auch schon mit "Nein" antworten, nur habe ich sie einmal gesehen. Da war Caleb sogar dabei, damals beim Einkaufen. Also sage ich ihm das auch.

Seine Augen weiten sich ein Stück, Erkenntnis spiegelt sich in ihnen. Er schüttelt leicht den Kopf, erklärt mir, dass das nur Männer seines Vaters waren, welche er hinter mir hergeschickt hat, um mich einzufangen. Das waren damals also nicht meine Verfolger.

"Dann habe ich sie nie zu Augen bekommen.", gebe ich zu, fühle mich schon wieder so klein, wie sollen die Leute etwas glauben, was sie nicht sehen? Ich bin mir nicht sicher, ob Caleb mir glaubt.

"Und du hast sie immer so wahrgenommen, als wären sie direkt neben dir, oder?", will er wissen.

Meine Augenbrauen ziehen sich zusammen, das habe ich ihm nie erzählt. Woher weiß er das? Er hat sie also auch gehört, er glaubt mir also!

"Ja.", antworte ich mit fester Stimme, sehe ihn abwartend an. Er fragt Dinge, welche ich er scheinbar bereits weiß.

"Matt, ist dir jemals in den Sinn gekommen, dass diese Verfolger nur in deinem Kopf sind?", fragt er also letztendlich.

Schockiert weiten sich meine Augen, ich weiche zurück, falle dadurch vom Sessel, doch zum Glück bleibe ich auf meinen Füßen. Er steht auch auf.

"Du hast sie seit fast ein einhalb Wochen nicht mehr richtig rufen hören, habe ich recht?", seine Augen durchdringen mich, langsam kommt er auf mich zu, doch weiche ich zurück.

"Du bekommst seit einer Woche ein Medikament, welches dir hilft, damit die Stimmen verschwinden.", erklärt er.

Als er mich berühren will, stoße ich ihn weg. Er will mir erzählen, dass meine ganze Angst eine Lüge ist. Er erklärt mich für verrückt, genau, wie alle anderen auch.

"Aber durch unsere Verbindung wirst du sie nie wieder hören.", meint er mit einem dezenten Lächeln.

"Du musst keine Angst mehr haben.", sagt er.

"Du denkst, ich bin verrückt! Du willst mir weiß machen, ich bin ein vollkommener Verrückter!", gehe ich ihn an.

Energisch schüttelt er den Kopf, nun sind seine Augen vor Schock geweitet. Seine Hand findet ihren Platz an meiner Schulter, an welcher er mich zu sich zieht.

"Matt, du bist nicht verrückt!", haucht er mir mit zittriger Stimme ins Ohr.

"Deine Verfolger waren real, aber nur für dich! Ich würde dich nie deswegen verurteilen!", erklärt er mir ruhig, doch spüre ich seine Angst.

"Wie soll ich dir das glauben?", frage ich und drücke mich fort von ihm.

"Wie soll ich dir glauben, dass mehr als die Hälfte meines Lebens eine verdammte Lüge ist?!", schreie ich ihn nun an.

Ich bemerke, wie mein Mund zittert, ich bin so in Rage.

Wieder schüttelt er den Kopf, er wirkt überfordert und als hätte ich ihm eine Ohrfeige verpasst. Seine Augen huschen hektisch von einer in die andere Richtung. Nicht wie ein Alpha.

"E-es ist keine Lüge! Sie sind wirklich wahr gewesen, aber eben nur für dich!", versucht er mich zu überzeugen.

Ich kneife meine Augen zusammen, raufe meine Haare, um nicht vollkommen durchzudrehen. Wenn er recht haben sollte, dann...

Ohne auf ihn zu achten, gehe ich an ihm vorbei, stoße hart seine Schulter. Ich kann ihn jetzt einfach nicht sehen, nicht, nachdem, was er mir versucht zu sagen.

Mit viel Schwung öffne ich die Haustür, sehe in das schockierte Gesicht von Riley, ihre Hand ist zum Klopfen angesetzt. Einen Moment sehen wir uns gegenseitig an, nichts kann ich aus ihrem Blick deuten. Doch ist sie mir in diesem Moment auch egal, ich will einfach nur weg.

Ich laufe einfach zum Wald, entledige mich in der Hütte meiner Kleidung und laufe als Wolf los. Einfach rennen, so wie ich es immer getan habe.

Wenn er recht hat, dann habe ich immer umsonst Angst gehabt. Wieso hat mir nie jemand gesagt, was mit mir los ist? Wenn Calebs Medikamente tatsächlich geholfen haben sollten, dann hätten sie früher doch auch helfen können. Ich hätte ein komplett anderes Leben führen können.

Ein Leben mit Freunden und Spaß, anstatt Einsamkeit und Furcht. Die Leute hätten mich nicht ausgelacht, sie hätten mich nicht als verrückt erklärt, weil sie nie etwas mitbekommen hätten. Ich hätte normal sein können, ich wäre nicht der Außenseiter gewesen. Es ergibt keinen Sinn.

Meine Eltern haben mir immer gesagt, ich solle laufen. Sie haben immer gesagt, ich solle mich nicht fangen lassen. Sie hätten mich nicht angelogen, das hätten sie nicht. Aber Caleb würde mich auch nie anlügen.

Er hätte keinen Grund dazu, mir eine Unwahrheit zu erzählen. Außerdem hat er doch mit meinen Eltern geredet, zumindest hat er das angedeutet.

Meine Eltern haben gelogen... Sie haben gelogen!

Nein! Haben sie nicht!

Es ergibt keinen Sinn!

Wenn Caleb recht behält und alles was er sagt wahr ist, dann gibt es eine Lücke, etwas, was ungeklärt ist.

Wieso sollte ich schon bevor ich das erste Mal dieses Medikament eingenommen habe, nicht mehr vor ihnen weglaufen. Das bedeutet doch, dass das Medikament eigentlich nichts bewirkt hat. Vielleicht... Vielleicht haben meine Eltern das bereits gewusst.

Ich will nicht in dem Glauben bleiben, meine Eltern hätten mir nie helfen wollen. Dafür war ich doch viel zu oft bei Ärzten und Therapeuten. Sie haben mir nur nie den Grund genannt, weshalb ich dort bin. Sie wollten mich vor mir selbst schützen.

Ich hätte ihnen damals vermutlich noch weniger geglaubt, als ich es jetzt Caleb glaube. Nur das ich Caleb nun glaube... Was er sagt, es stimmt.

Ich bin...

Krank.

----

Dam. Daam. DAAAMM.

Eigentlich hat er sogar ganz gut reagiert, aber von Matt kennt man ja eigentlich, dass er empathisch ist, dadurch also in andere hineinführt.

Was sagt ihr zu seiner Reaktion?

Schreibt es gerne in die Kommentare!

Aja, ich werde vermutlich nur mehr einmal die Woche updaten, weil ich bissi mehr abstand von hier haben will. Sagt mir bitte, ob ihr lieber Freitag oder Sonntag als Tag haben wollt! ☺️

Schöne Woche euch!

Alles Liebe, Damo <3

VerleugnungWhere stories live. Discover now