Kapitel 56 - Hilflos

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(Calebs Sicht)

Den ganzen Rückweg geht es mir nicht mehr aus dem Kopf. Mir ist sofort klar gewesen, was es bedeutet, dass seine Spur einfach endete und ich den Geruch meines Vaters vernahm. Matt ist also in der Gewalt meines Vaters. Schlimmer könnten die Umstände wirklich nicht sein.

Ich hätte ihn nicht alleine lassen sollen. Dieses Arschloch hat nur auf seine Gelegenheit gewartet. Und mir war es klar, genau deswegen wollte ich ihn nicht von meiner Seite weichen lassen. Trotzdem ist es geschehen.

Leider bringt es uns beide nicht weiter, wenn ich daran jetzt untergehe. Erst wenn ich Matt gefunden und befreit habe, kann ich mir Vorwürfe machen. Bis dahin muss ich den Kopf klar bewahren, damit ich gerade denken kann. Ergab das Sinn? Egal.

"Caleb, bleib ruhig. Setz dich hin.", befiehlt mir Chris.

Sofort fixiere ich ihn, bemerke seine bereits blutunterlaufenen Augen. Er muss wirklich müde sein, nur scheint er mit dem Geist noch hellwach zu sein. Genauso wie ich eigentlich.

Denn auch ich bin müde. Meine Augen brauchen viel länger um sich an Licht zu gewöhnen und ich erkenne kaum noch etwas in der Ferne, alles ist unscharf. Außerdem fühlt sich mein Körper schwer an. Nur kann ich nicht schlafen, es würde nicht funktionieren.

Trotzdem tue ich, wie mir befohlen und ich lasse mich auf die Couch fallen. Chris legt einen Arm um meine Schultern und zieht mich an sich ran. Ohne zu zögern, lehne ich meinen Kopf an ihn. Seine Wärme spendet ungemein Trost.

"Am besten wäre es, wenn du jetzt erst einmal eine Nacht darüber schläfst. Du kannst nichts ausrichten, wenn du so fertig bist, wie du es eben bist.", erklärt mein bester Freund.

Und was er sagt ergibt Sinn, aber wie soll ich schlafen, wenn mein Freund irgendwo da draußen mit meinem Vater zusammen ist. Diese Vorstellung allein lässt mich schaudern, leider ist es keine Vorstellung sondern die Realität, was mich fast erbrechen lässt. Noch immer kann ich es nicht wirklich glauben.

Er beginnt mich mit seiner Hand an der Schulter zu streicheln, doch schüttle ich seinen ganzen Arm ab. Wieder stehe ich auf meinem Beinen und es dauert nicht lange, bis ich wieder auf und ab gehe. Meine Adern sind nicht mit Blut, sondern mit Adrenalin gefüllt, als ob ich da noch weiterhin auf meinem Hintern sitzen könnte.

Chris seufzt entmutigt, dann steht er ebenfalls auf und geht aus dem Wohnzimmer. Vollkommen überfordert sehe ich mich nun um. Nur stelle ich mich gerade hin und atme tief durch. Chris ist eine Hilfe, aber nicht mehr mein einziger Grund, die Besinnung zu bewahren. Ich muss es auch schaffen, ohne ihn dabei zu haben.

Nur kommt er bereits zurück, in seiner Hand hält er ein Glas Wasser. Dieses reicht er mir, nur schüttle ich den Kopf, denn ich habe doch gar keinen Durst.

"Trink das!", gibt er nun mit fester Stimme von sich.

Mit einem tiefen Grollen nehme ich also das Glas und trinke es leer. Chris' Mundwinkel sind erhoben, in seinen Augen erkenne ich jedoch keine Freude, als ich es ihm wieder reiche. "Zufrieden?", spucke ich hervor.

Nur ist es tatsächlich ein angenehmes Gefühl. Die Flüssigkeit verteilt sich und lässt meinen erhitzten Körper ein paar Grade abkühlen. Und es lässt mich auch ein wenig schläfrig werden. Um genau zu sein sehr schläfrig.

"Oh Wow, das wirkt schnell bei dir.", bemerkt Chris.

So schnell, wie es mir möglich ist, drehe ich meinen Kopf zu ihm. Immer schwerer fällt es mir, die Augen offen zu halten.

"Leg dich auf die Couch.", sagt er, seine Augen sind weit aufgerissen.

"Hast du mir Schlafmittel gegeben?", bekomme ich noch hervor, da Zorn und Unglaube in mir aufkommt.

Schon das zweite Mal, seitdem Matt da ist, werde ich, ohne mein Einverständnis, mit Medikamenten vollgestopft. Ich sollte echt mal meinen Standpunkt klarmachen, denn wenn sich das irgendwann jeder erlaubt, dann werde ich noch zum Junkie.

Nur lösen sich meine Gedanken immer mehr auf. Schwärze macht sich breit. Eine wohlige Wärme breitet sich in mir aus, die lässt mich nur noch tiefer in meine Müdigkeit sinken. Kein Wunder, dass es so schnell bei mir wirkt, genauso wie mein Heilungsprozess schneller geht, ist es auch mit dem Wirken von Pillen.

Und schon nach ein paar Minuten sinke ich ins Reich der Träume. Aus dem ich Stunden später hochschrecke, als hätte ich eine Alptraum gehabt. Wenn ich einen gehabt hätte, dann kann ich mich jetzt wenigstens nicht mehr daran erinnern.

Wie bin ich überhaupt in mein Bett? Das Chris mich nicht tragen kann, wissen wir beide bereits, zumindest nicht auf die Dauer und bestimmt keine Treppe hoch.

Nicht lange bleibe ich im Bett liegen, denn umso länger ich wach bleibe, desto mehr kommt mir wieder in den Sinn.

Matt ist weg.

Sprunghaft steige ich aus dem Bett, laufe die Treppe hinunter, obwohl ich nur in Unterhose bekleidet bin. Auf der Suche nach meinem Handy finde ich Chris auf dem Sofa.

"Hier.", gibt er von sich und hält mir mein Handy hin.

In Windeseile nehme ich es, wähle dann auch gleich die Nummer meines Vaters. Es läutet zweimal. Und in dieser Zeit schafft es mein Körper wieder in Hochbetrieb zu gehen.

"Wo ist er?!", gebe ich laut, aber nicht schreiend von mir. Ich muss ruhig bleiben, sonst komme ich nicht weiter.

Sein tiefes Lachen bekomme ich als Antwort. Immer mehr Zorn staut sich dadurch in mir auf, nur tritt dieser in Form von Tränen aus mir aus.

"Du musst ihn schon selbst finden, aber der Ort sollte dir bekannt sein.", gibt er von sich. Sogar durch den Hörer bekomme ich sein schadenfrohes Grinsen mit.

Mir will nicht in den Kopf gehen, warum er mir nicht einmal mein Glück lässt. Er muss doch wissen, wie es ist, seinen Gefährten zu bekommen. Oder war sein Herz schon damals eingefroren?

"Wenn es sonst nichts mehr gibt, dann werde ich jetzt zu meinen Tätigkeiten zurückkehren, Sohn.", erklärt er, als wäre das gerade ein ganz normales Gespräch gewesen, als hätte er nicht meinen Freund gekidnappt.

"Nein! Warte...", versuche ich es noch, nur legt er bereits auf.

Schon fühle ich mich viel weiter von ihm entfernt, als wäre er mir durch meine Hände geglitten.

"Chris! Wir müssen uns etwas ausdenken!", gebe ich wieder vollkommen ernst von mir.

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Ahoi, Matrosen!

Schön, dass ihr alle wieder mit am Bord wart!

Ich hoffe, die Reise hat gefallen gefunden, wir sind jetzt wieder am Festland angekommen.

Ach, und wenn ihr das Schiff verlasst, dann lasst doch bitte eine Flaschenpost für mich da, mit der Meinung über diese spezielle Seefahrt!

Bis zur nächsten Expedition!

Euer Kapitän, Damo! <3

VerleugnungWhere stories live. Discover now