》Kapitel 38 - Kreuzworträtsel《

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Meine Hand ruhte auf seinem Brustkorb, der sich im gleichmäßigen Tempo hob und wieder senkte.
Die Wellen hatten sich beruhigt und auch die Gewitterwolken traten den Rückzug an.
Ich malte mit meinem Zeigefinger kleine Kreise auf seiner muskulösen Brust und flüsterte:"Siehst du? Das geschieht mit den Menschen, die mir etwas bedeuten. Sie sterben auf jede erdenkliche Weise.
Du hast es gerade am eigenen Leib erfahren und ich werde den Vorgang gleich endgültig beenden."

Mein Blick fuhr eingehend seinen ganzen Körper entlang und es war jämmerlich diese Schönheit wegwerfen zu müssen.
"Ich bin nicht das Mädchen, für die du mich hältst. Denn ich bezweifle, dass du auf jemanden stehst, der Morde begangen hatte. Du hättest mich kennenlernen sollen, bevor dies alles geschah. Ich war ein selbstbewusstes, kluges und glückliches Mädchen. Das Wort Brutalität war nicht in meinem Wortschatz vorhanden gewesen und du hättest sie sicherlich mehr geliebt als diese Art von mir.
Meine jetzige Persönlichkeit ist gebrochen, brutal und einsam", gestand ich und streichelte seine blasse Wange.

Der Blitz hatte nur seine Kleidung beschädigt, sein Äußerliches war merkwürdigerweise unversehrt.
Als befände sich über der Hautschicht noch eine beschützende Schicht.
Er hätte von Anfang an einen unvergesslichen Eindruck bei mir hinterlassen, wenn er nicht so übertrieben attraktiv wäre. Seine Schönheit ließ ihn eingebildet wirken, aber dass war er keineswegs.

"Es ist besser für uns beide, wenn du jetzt stirbst. Sonst verliere ich dich noch, wenn du mein Leben wirst. Und ich kann das nicht zulassen. An der Liebe ist nichts gutes dran. Mag sein, dass es einen in manchen Momenten überglücklich macht, aber ist es das Wert, am Ende verletzt zu werden? Es kann als Waffe gegen uns verwendet werden und ist ein Zeichen der Schwäche. Und ich will nicht schwach sein, weshalb du aus meinem Leben verschwinden musst, damit ich dich vergesse. Und da ich weiß, wie hartnäckig du bist, bleibt mir nichts anderes übrig, als dich von dieser Welt zu verbannen", wisperte ich und spürte den Schmerz, der in meinem Herzen stattfand.
Schon jetzt fühlte ich, dass er mir schon zu wichtig geworden war und weigerte mich, dass die Tränen ausbrachen.
Es kam mir nämlich vor, dass ich mehr Tränen vergossen hatte, als geatmet hatte.

Meine Hände, die vom eiskalten Wasser blau geworden waren, umschlossen seinen Hals und ich drückte langsam seinen Atemweg zu.
Er röchelte nach Luft und schlug um sich, bis ich den Griff verstärkte und seinen Nacken verdrehte. Ein ekliges Knacken war zu hören und er hörte auf, herumzuzappeln.
Langsam zog ich meine Hände zurück und beugte mich über ihn.
"Ich liebe dich, ja. Aber nicht genug, um mit dir eine Beziehung anzufangen. Nicht genug, um eine Zukunft mit dir vorzustellen. Nicht genug, um dein Leben zu verschonen."

Ich fühlte nach seinem Puls und merkte befriedigend, dass er keinen mehr hatte. Nun hatte ich die Gefahr entsorgt und musste ihn nur noch in den Pazifik werfen, damit niemand je seine Leiche finden würde.
Ich hievte ihn hoch, indem ich unter seine Achseln packte und schleppte ihn so quer über den unebenen Boden.
Als wir am Wasser ankamen, warf ich ihn mit Schwung hinein und war dankbar, dass ich eine solche Kraft besaß, um sein Gewicht zu tragen.
Er flog um die zehn Meter vom Land entfernt und sank, bis die Stelle wieder vollkommen still war, wie der Rest an diesem Ort.

Überfordert fiel ich zu Boden und grub meine Finger in den feuchten Sand hinein. Seit ich ihn kennengelernt hatte, waren so viele Dinge geschehen, dass ich die an meinen ganzen zwanzig Fingern und Zehen nicht abzählen könnte. Und wenn ich eine Erfahrung daraus gesammelt hatte, dann, dass ich kaltblütig war.

Während er mich vor dem Tode gerettet hatte, als ich beinahe ertrunken wäre, hatte ich einen Blitz auf ihn befördert und ihn eigenhändig getötet. Die einzige Person, die mich noch geliebt hatte, hatte ich ermordet, um mich selbst zu retten.
Bedauerlicherweise war es nicht einmal mein erster Mord in der kurzen Zeit.
Ich hatte drei Leben genommen und davon hatte ich zwei getötet, die mir wichtig waren.
Den einen hatte ich sogar zweimal umbringen müssen. Allerdings bereute ich es nicht. Ich war überzeugt, dass es das Richtige war.

Ich war auf allen vieren, sodass ich mit meinem tränennassem Gesicht in den Sand landete, als meine Arme zusammenbrachen und ich bäuchlings wie ein Stück faules Essen da lag, dass niemand leiden konnte.
Zwar wollte ich keine Tränen vergießen, aber es war unumgänglich, denn ich hatte meiner ersten Liebe das Leben genommen.
Ich wusste nicht, was in mich gefahren war.

Wie konnte aus mir jemand so unmenschliches werden? Dieses Töten wurde langsam zur Droge und ich spürte die Panik in mir aufsteigen. Was. wenn ich eines Tages zu den kriminellsten Mördern gehörte und irgendwann völlig die Kontrolle über mich verlor? Wenn ich nur noch das Leben anderer nahm, um Freude zu empfinden und es nicht mehr aus meinem eigenen Nutzen zog?
Doch das schlimmste an der Sache war, dass ich mit dieser Wendung des Schicksals einverstanden wäre.
Tatsächlich verspürte ich keinerlei Reue, sondern nur den Schmerz wegen dem Verlust.

Bibbernd raffte ich mich auf und taumelte wie eine Betrunkene zum nassen Zelt. Erstaunlicherweise hatte das Zelt keinen großen Schaden abbekommen, sondern war nur durch den Regen feucht geworden.
Ich verkroch mich in seinen getränkten Schlafsack und wischte mir damit den Sand aus dem Gesicht.
Intensiv atmete ich seinen Geruch ein, der daran hing und hasste mich dafür, dass ich ihn vermisste.
Das Zelt war schlicht eingerichtet und nicht gerade groß, aber er hatte darauf geachtet, dass zwei Personen hineinpassten.

Niedergeschmettert sah ich auf den Platz neben mir, der in den Nächten meiner gewesen wäre. Doch der war nicht ganz leer.
Auf dem Schlafplatz befand sich ein Zettel, welches mich an das Rätsel erinnerte, das ich letztens gefunden hatte.
Darauf war in geschmeidiger Handschrift ein Kreuzworträtsel abgebildet, wo in manchen Kästchen bereits Buchstaben eingetragen worden waren und daneben standen sieben Sätze, deren Lösung man in den jeweiligen Spalten einsetzen musste.
In Ruhe las ich mir die Sätze durch und zog den Schleim, der aus meiner Nase lief, kräftig hoch.

Ich starrte den Zettel eine ganze Weile an und mir fiel zu jeder Frage eine passende Antwort ein.
Ob diese korrekt waren, würde ich überprüfen müssen, indem ich dafür die Kästchen abzählte oder sie mit den eingetragenen Buchstaben ausprobierte.
Doch das Problem lag nicht an den Lösungen, sondern daran, dass es viel zu einfach war, im Gegensatz zu dem Rätsel, welches er mir hinterlassen hatte.
Leider fiel mir auf der Schnelle nichts ein, was daran verkehrt sein sollte. Vielleicht hatte er sich einfach nur umentschieden und hatte den Termin, wo er mir die ganze Wahrheit offenbaren wollte, auf einige Monate vorher verschoben.

Schniefend krabbelte ich aus dem Zelt und stolperte zitternd zum Sand, um die Lösungen dort hineinzukritzeln, da ich keinen Stift zur Hand hatte, um es in die Kästen einzutragen.
Dabei fing ich mit der ersten Frage an, die leicht zu beantworten war.

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