Schlimme Vorurteile

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,,Feo?" Verwirrt blinzelte Feo. ,,Entschuldigt", meinte er verlegen. ,,Ich war völlig in Gedanken versunken." ,,Also der Plan steht", sagte Ann, ohne auf den Drachen zu achten. ,,Feo, Rose, brecht am Besten direkt im Morgengrauen auf. Der Rest geht in die andere Richtung. Wir treffen uns in spätestens zwei Tagen wieder." Rose nickte.
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,,Beschafft euch noch etwas zu essen. Der Weg über die Berge ist lang und ihr habt kaum noch Proviant," wies Rose uns an. Die Sonne ging gerade hinter dem See auf und jeder war bereit zum Aufbruch. ,,In Ordnung", stimmte Danielle zu. ,,Beeilt euch. Falls etwas passiert werden wir euch brauchen", fügte ich hinzu. Mary schluchzte leicht. ,,Pass gut auf Mary auf", raunte die Elfe mir ins Ohr. Dann drehte sie sich um, winkte noch einmal kurz und rannte dann voraus, während Feo die Kinder auf seinen Rücken klettern ließ. Er prustete Julie noch einmal durch die Haare, schnaubte und machte sich dann ebenfalls auf den Weg.
Mary hatte tiefe Augenringe und ihre Lider waren schwer. Anscheinend hatte sie die ganze Nacht kein Auge zu getan. Es war ihr nicht zu verdenken, nach diesem Verlust. ,,Alles in Ordnung?", fragte ich sie sanft und wollte sie tröstend am Arm berühren, aber sie schlug meine Hand weg. ,,Fass mich nicht an!", fauchte sie mit einem mörderischen Blitzen in ihrem Blick. Überrumpelt und Verdattert trat ich einen Schritt zurück. ,,Mary, was ist los?" ,,Ich habe die ganze Nacht kein Auge zugetan, das ist los. Ich hatte genügend Zeit, um nachzudenken, und weißt du, was mir klar geworden ist?" Tränen liefen ihre Wangen hinunter. ,,DU hast ihn umgebracht!", schrie sie und kam mir gefährlich nahe. Hastig wich ich zurück. ,,Du hast ihn stolpern lassen, deinetwegen ist er in den See gefallen! Du hast ihn noch nie leiden können, da kam dir ein See mit einem Monster nur recht! Ganz allein wegen dir ist Nate TOT! Er wird nie wieder kommen!" Stocksteif stand ich da, während Mary schluchzend zusammensank und immer wieder ,,Brady ist schuld, er wird nie wieder bei mir sein", wimmerte. Und das Schlimme war: sie hatte recht. Ich hatte Nate stolpern lassen, Meinetwegen war er in den See gefallen. Aber ich hatte es nicht mit Absicht getan. Ann rannte zu Mary und versuchte sie zu beruhigen, aber auch in ihren Augen schimmerten Tränen. Danielle und Julie starrten mich an. ,,Ich muss hier weg", murmelte ich, drängte mich an Danielle vorbei und lief weg von den anderen. Weg von Mary. Weg von Marys Schmerz und Trauer. Weg von meinen Schuldgefühlen.

Es war Mittag, als ich mich dazu entschloss, zu den anderen zurückzukehren. Sie warteten am Ufer und Julie sprang erleichtert auf, als sie sah, wie ich mit den Händen in den Hosentaschen und gesenktem Blick auf die Gruppe zuschlurfte. Mary würdigte mich keines Blickes. Kurz darauf brachen wir auf, wortlos, aber Danielle nahm mich beiseite. ,,Ist das wahr, Brady?", fragte sie mich ernst und sah mir in die Augen. Etwas weiter entfernt blieb Julie stehen, aber ich bemerkte es nur aus dem Augenwinkel. ,,Hast du Nate umgebracht?" ,,Ich weiß es nicht", antwortete ich. ,,Er ist über mein Bein gestolpert, als ich gekämpft habe. Ich kann mich nicht mal daran erinnern, dass er überhaupt gegen mein Bein gestoßen ist. Aber letztendlich... ja, ich denke schon..." ,,Aber nicht absichtlich", hakte Danielle nach und drückte meine Schulter. ,,Oder? Du hast ihn ja nicht sonderlich... gemocht." ,,Danielle", erwiederte ich und blickte tief in die Augen meiner besten Freundin. ,,Ich habe Nate nie leiden können, das gebe ich zu. Aber deswegen bringe ich ihn doch nicht um! Das könnte ich ihm nicht antun. Und Mary erst recht nicht. Ich würde nie etwas tun, was sie verletzen könnte. Dazu habe ich sie viel zu gern." Erkenntnis huschte über Danielles Augen. ,,Du liebst sie", stellte sie fest. ,,Du hast Mary nicht nur gern, du liebst sie." ,,Ich will nicht darüber reden", sagte ich scharf. Die Intelligenz meiner besten Freundin ging mir gerade sehr auf die Nerven. Die ganzen letzten Monate hatte ich meine Gefühle für Mary so gut verstecken können, und mit diesem einen Satz war alles aufgedeckt. ,,Dann nicht", antwortete Danielle grinsend und ging vor zu Mary und Ann. ,,Danielle?" Sie blieb stehen und drehte sich zu mir um. Verlegen verzog ich meine Mundwinkel. ,,Bitte sag niemandem etwas davon." Meine Freundin nickte knapp und immernoch grinsend gesellte sie sich zur Gruppe. Ich lief ein Stück hinterher, denn ich brauchte mehr Zeit zum Nachdenken. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass die Gruppe kurz davor war, auseinander zu brechen. Immer wieder gab es Streit, zwei Reisende waren tot und zwei weitere auf einer Rettungsmission. Wie sollten wir es zu fünft über die Hohen Gipfel des Gebirges schaffen? Wenigstens hatten wir seit der Schlucht die Wüste hinter uns gelassen, was es uns etwas einfacher machen würde, Essen zu suchen. Hasen, Vögel, Beeren, irgend so etwas musste hier in der Nähe sein.
Die Gipfel von Anegor zogen sich nun deutlich über den Horizont und ragten drohend weit über uns hinaus. Entweder wir würden jetzt jagen gehen, oder gar nicht.

Wir teilten uns auf. Mary protestierte standhaft dagegen, mit mir jagen zu gehen, also ging ich mit Julie und Danielle, und Mary ging mit Ann los. Tatsächlich fanden wir einiges an Proviant, welches wir in unsere Rucksäcke stopfen konnten: mehrere Handvoll Beeren, ein paar essbare Wurzeln, zwei Eier von wer- weiß-von-welchen- Vögeln und zwei dünne Kaninchen, nach denen Julie ihren Dolch geworfen hatte. Mary und Ann hatten ähnliches aufzuweisen, allerdings noch zusätzlich ein paar Nüsse. Unsere Flaschen waren noch fast ganz voll und würden für den Weg über die Berge sicherlich reichen. Nun waren wir ausgerüstet für das Gebirge Anegor.

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Hallo Leudis!
Meine Freundin war gerade etwas verwirrt, was den Sichtwechsel angeht (grüße an june32 ), will ich schnell klarstellen, dass wir uns immer noch in der Sicht von Brady befinden und dass wir ab jetzt erst einmal seine Schritte verfolgen werden. Kurz vor dem großen Finale springen wir aber wieder um, den Grund werde ich aber nicht verraten ;)
Tschauiii!

The Quest - die Reisenden #wattys2016Where stories live. Discover now