8. Verdauungsstörungen und kleine Zitronen

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"Hi.", sagte er und musterte mich.

"Hey.", begrüßte Scar ihn fröhlich und er warf ihr einen kurzen Blick zu.

"Hey." Was machte er hier? Warum war er noch hier? Es war mittlerweile nach neun Uhr abends. Ich hatte gedacht, dass er schon lange gegangen war.

Er machte ein paar Schritte in den Raum und zog eine Schachtel aus der Tasche. Ich sah ihn ungläubig an als ich sah, dass es sich um eine Zigarettenschachtel handelte. Er wollte aber nicht wirklich jetzt hier drinnen rauchen, oder?
Er nahm eine Zigarette aus der Packung und ich wollte schon protestieren als er sie mir entgegen hielt und die anderen wieder zurück in die Jackentasche steckte.
Lächelnd griff ich nach der Zigarette und striff dabei seine Finger. Ein angenehmes Prickeln machte sich in meiner Hand breit und schnell zog ich sie wieder zurück.

"Danke.", lachte ich und zerdrückte die Zigarette mit meinen Fingern, um sie dann auf den Nachttisch zu legen.

"Keine Problem.", seine Mundwinkel hoben sich leicht an und er steckte sich die Hände in die Jackentaschen. "Also... wie geht's dir?", fragte er. Beschissen. Ich sterbe vielleicht oder lande im Rollstuhl.

"Gut.", lächelte ich gezwungen und er nickte. Die Situation war irgendwie unangenehm.

"Gut.", sagte er und sah sich um. Ich wusste nicht was ich sagen sollte.

"Ich würde mich von ihr fernhalten. Sie furzt im Schlaf.", brach Scar die Stille und ich spürte wie ich rot anlief. Warum konnte sie nicht einfach die Klappe halten?

Smokey's Augenbrauen schossen in die Höhe und er sah mich belustigt an.

"Ach ja?"

"Nein!", rief ich entsetzt. "Ich furze nicht im Schlaf. Scarlett redet Unsinn." Demonstrativ hatte ich ihren vollen Namen gesagt, wodurch ihr böser Blick mich traf.

"Oh doch, das tust du, meine Liebe."

"Gar nicht wahr!", protestierte ich und lief noch roter an. Konnte die Situation noch peinlicher werden?

"Und sie hat ganz schlimmen Durchfall! Und Blähungen!", Scar grinste mich an und während sie von meinen nicht existierenden Verdauungsstörungen erzählte, öffnete sich die Tür und mein Arzt betrat den Raum.
Okay, spätestens jetzt war mein Gesicht roter als eine Tomate.

Aber anstatt, dass Dr. Weyken ein Kommentar dazu machte oder lachte, sah er nur überrascht und ungläubig Smokey an.

"Jared?" Warte - was? Er kannte Smokey? Und Smokey hieß in Wirklichkeit Jared?

Smokey - Jared sah genauso überrascht zurück und warf mir einen kurzen Blick zu.

"Warte, ihr kennt euch?", sprach ich das offensichtliche aus, aber keiner der beiden reagierte. Dr. Weyken sah Smokey an und Smokey beziehungsweise Jared sah zurück.

Dann verließ er einfach ohne ein Wort den Raum.

"Was war das denn?", sprach Scar den Gedanken aus, der mir im Kopf herumspukte.

Dr. Weyken schüttelte kaum merklich den Kopf und lächelte mich dann wieder an als wäre nichts gewesen.

"Wir haben deine Eltern erreicht.", versuchte er normal zu sagen, was aber eher in einem gezwungenem glücklichem Tonfall endete.

○●○

"Renée!", die Stimme meiner kleinen Schwester ließ ein Lächeln auf meine Lippen treten und schnell wandte ich meinen Kopf zur Tür, durch die Madison gestürmt kam.

"Na, kleine Zitrone.", lachte ich und schloss sie in meine Arme.

"Nenn mich nicht so.", schmollte sie.

"Wie denn, kleine Zitrone?", neckte ich sie und pikte ihr in die Seite.

"Du bist doooof.", grinste sie und begann mich zu kitzeln. Lachend wand ich meinen Körper und tat so als würde ich versuchen sie von mir weg zu drücken, als sich auf einmal meine Brust verengte und ich keinen Sauerstoff mehr bekam. Ich rang nach Luft und sofort ließen die Hände meiner Schwester von mir ab. Mit weit aufgerissenen Augen sah sie mich an.

"Alles in Ordnung.", keuchte ich und strich ihr über das Haar, um sie zu beruhigen.
Erst jetzt fiel mir auf, dass ich diese Atemnot seit längerem hatte. Bei Lachenanfällen mit Piper, Lewis' oder Madison's Kitzelattacken oder meiner morgendlichen Joggingrunde. Ich hatte dem nur nie sonderlich viel Beachtung geschenkt.

"Hallo mein Schatz.", trat nun auch meine Mutter an mein Bett. Sie lächelte, aber trotzdem konnte ich die Sorge in ihrem Blick sehen.

"Hi Mom.", ich versuchte zurück zu lächeln und mir nicht anmerken zu lassen, dass die Luft immer noch schwer in meine Lungen gelang.

Sie drückte mir einen Kuss auf die Stirn und zog die immer noch verschreckte Madison von meinem Bett.

"Schatz, was hältst du davon wenn du und Lewis mal gucken geht ob es hier irgendwo Kakao und Kaffee gibt?", fragte sie mit sanfter Stimme und sofort leuchteten die Augen meiner Schwester auf.

"Ja!", rief sie begeistert und lief in Richtung der Tür. Dann drehte sie noch einmal um und kam zu mir ans Bett gelaufen.

"Hab dich lieb.", flüsterte sie mir ins Ohr und ich lächelte gerührt.

"Ich dich auch, kleine Zitrone."

Sie warf mir einen gespielt bösen Blick zu und lief dann aus dem Raum. Scar war mit einer der Schwestern verschwunden und so waren Mom und ich alleine im Raum.

"Wie geht es dir?", fragte Mom nun ernster und ließ sich auf den Bettrand sinken.

"Es geht.", sagte ich ehrlich und setzte mich wieder gerade auf.

"Heißt?", sie fuhr sich durch die Haare und schien plötzlich um Jahre gealtert.

"Ich weiß es nicht.", Verzweiflung schwang in meiner Stimme mit. Ich würde vielleicht sterben.

"Was haben denn die Ärzte gesagt?"

"Sie konnten noch nichts genaues feststellen.", log ich. Solange noch nicht feststand was genau mit mir war, wollte ich ihr nichts sagen.

Sie seufzte und musterte mich kurz.
"Es tut mir leid, dass ich jetzt erst da bin, aber die Ärzte haben mich nicht erreicht." Natürlich waren die Ärzte schuld. Es war ja nicht so, dass man erwarten könnte, dass Eltern erreichbar waren wenn eines ihrer Kinder im Krankenhaus lag.

"Ist schon okay.", ich machte eine Pause. "Wo ist Dad?"

"Er konnte nicht weg. Wir haben gerade ziemlichen Stress in der Firma und als Chef kann er nicht einfach so verschwinden. Aber er kommt so schnell er kann."

Ich war enttäuscht obwohl ich es bereits gewusst hatte. Welchem Vater war seine Arbeit wichtiger als seine im Krankenhaus liegende Tochter?

"Okay." Ich versuchte mir meine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen.

"Ich muss jetzt noch einmal telefonieren. Ich komm später wieder."

○●○

"Ich hab dir 'nen Kakao mitgebracht.", mit dem Ellenbogen schloss Lewis die Tür hinter sich.

"Danke.", lächelte ich und nahm den warmen Becher in die Hand. Die Matratze sank herunter als er sich neben mich auf das Bett setzte. Stumm musterte er mein Gesicht und schien dabei unglaublich ernst.

"Hey.", sagte ich ruhig. "Was ist los?"

Einen Moment schwieg er noch.
"Warum hast du deine Mutter angelogen?", ich konnte den Ton seiner Stimme nicht deuten. Sie war so... kalt.

Ich wusste nicht was ich sagen sollte.

"Ich hab dich mit einem Arzt gesehen. Was hat er dir gesagt? Ich weiß, dass er dir irgendwas gesagt hat, sonst wäre er nicht nach draußen gegangen. Also warum hast du Marcia gesagt, dass sie noch keine Ergebnisse haben?"

Ich sah ihm in die vertrauten Augen und zögerte einen Moment lang.

"Weil ich vielleicht sterben werde.", brachte ich dann hervor.

How do you spell lifeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt