7. Der Ton

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Als ich missmutig die Tür zum Flur hin öffnete, setzte mein Herz vor Schreck für mehrere Schläge aus: Ich hatte in der Anstalt schon viel Wahnsinn gesehen. Menschen, die ihre Augen wie irre in den Höhlen rollten, oder sich mit ihren langen Fingernägeln das eigene Fleisch abgezogen hatten.* Diese Bilder verfolgten mich immer noch bis in meine Alpträume. Auch wenn mehr der Ton, welcher wie eine leiernde Kassette im Hintergrund der Szenarien spielte, noch das Schlimmste bei diesen Déja-vus war. Wie auch immer. Trotz dieser ganzen Erfahrungen hatte ich noch nie etwas gesehen, was man mit dem jetzigen Anblick hätte vergleichen können.

Sein Gesicht war kreideweiß. Noch weißer als das von Jeff. Wobei ich gedacht hatte, Jeffs Aussehen wäre schon ein Ausdruck aller grauenhaften Superlative.
Auf den schwarz angemalten Lippen lag ein verstörend breites Lächeln, das sich bei meinem Anblick noch mehr in die Länge zog, bis schließlich eine Reihe spitzer Zähne zum Vorschein kam, und sein Gesicht schien, als hätte man es in zwei Hälften geteilt.
Entgeistert machte ich die Tür wieder zu. Draußen hörte ich daraufhin einen piepsigen Laut. Dann klopfte es. Laut. Und eine noch lautere Stimme, die rief:

"Komm schon, mach wieder auf! Ich hab Hunger! Notfalls nehme ich auch die Tür aus den Angeln." Dann, nach einiger Stille fügte er etwas kleinlauter hinzu: "Wobei Jeff mir dann den Kopf abreißen wird."

Ich schnaufte. 

"Es ist nicht mal abgeschlossen.", knurrte ich die geschlossene Tür an. Keine zwei Sekunden später wurde sie auch schon von dem Monstrum dahinter aufgerissen und weil das Scheißteil nach innen aufgehen musste, krachte es mir mit voller Wucht gegen die Schläfe. Benommen sank ich zu Boden. 
"Scheiße.", keuchte ich, und hielt mir die schmerzende Stelle. "Kannst du nicht aufpassen?!"
Mir wurde zur Antwort eine helfende Hand hingehalten. "Was bleibst du auch direkt dahinter stehen?", fragte der Kerl unbekümmert und lächelte süffisant. Er amüsierte sich ganz offensichtlich prächtig über mein Missgeschick.
Verübeln konnte ich es ihm nicht mal. Ich stand auf, ohne seine Hand anzunehmen und rieb mir dabei noch einmal über die anschwellende Verletzung. Er musterte mich indessen interessiert. So, als sei ich ein Insekt, das sich unter einem Vergrößerungsglas wand. Ein Schauer jagte mir über den Rücken.

"Gerade eben noch hast du meinen Kopf fast eingeschlagen, weil du Hunger hast.", versuchte ich meine Unsicherheit zu überspielen. "Stimmt. Aber da habe ich ja auch noch nicht gewusst, wie niedlich Jeffs Tribut dieses Mal aussieht.", säuselte er und fuhr mir mit einer schwarzen Kralle durch mein Haar. Dieser Typ hatte keine Meise. Das waren mindestens sechs. Wahrscheinlich konnte er durch das ganze Gezwitscher seine eigenen Gedanken nicht mehr hören. "...Jeffs Tribut?", fragte ich zögernd und duckte mich hastig, als er eine seiner schwarzen Klauen nach mir ausstreckte. "Fass mich nicht an!", zischte ich.  Unsanft wollte ich mich an ihm vorbeidrängeln, doch da hatte er meine Handgelenke schon ergriffen und mich gegen die Wand gedrückt. 

Ich brachte nur ein geschocktes Husten zustande, bevor die Furcht einsetzte. Erst jetzt fiel mir auf, wie riesig dieser Kerl war. Er überragte mich locker um zwei Köpfe. 

Ich wand mich in seinem Griff und vermied es ihm dabei in die blassen grauen Augen zu blicken. "Ganz genau. Jeff bringt manchmal Leute hier her, die sein Interesse geweckt haben" Ein irres Lachen blubberte ihm dabei über die schwarzen Lippen. "Sie überleben nicht lange, keine Frage. Aber es ist dennoch immer sehr unterhaltsam." Sein Griff um meine Handgelenke war mittlerweile so fest, dass es richtig wehtat. "Magst du Spiele?"
Ich starrte ihn lediglich stumm an. Meine Gegenwehr war mittlerweile erstorben. Er schnalzte mit der Zunge. "Komm schon – Ja, Nein,... Vielleicht? ... Da fällt mir ein; hast du in deinem Leben schon einmal einen Liebesbrief bekommen? Du weißt schon so einen ganz Klassischen, wo du Ankreuzen kannst."
Ich ballte die Fäuste. Der Kerl rückte mir noch näher auf die Pelle, ich konnte seinen Atem auf meiner Haut spüren. Irgendwie roch er nach... Zuckerwatte. 
"Es würde mich nicht wundern – du bist nämlich sehr süß." Er kam näher, berührte mich schon fast mit seiner spitzen geringelten Nase. "Die Kerle werden sich um dich gestritten haben, habe ich Recht?", fragte er, mit einem sehnsüchtigen Unterton. "Wenn ich mir nur vorstelle, dass du dich mit einem von ihnen auf Unanständigkeiten eingelassen hast..."

Ich schwieg. Einerseits fühlten sich meine Gliedmaßen irgendwie eingefroren an, andererseits überschwemmten Bilder aus Angst und Furcht gerade erneut meinen Verstand.  Plötzlich ließ er von mir ab. Ein Grinsen umspielte seine schwarzen Lippen.

"Komm. Lass uns essen gehen."

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*Anmerkung des Autors [09.11.2021]: Diese Geschichte bildet nicht die Wirklichkeit solcher Einrichtungen ab! Die Settings sind bewusst unrealistisch dargestellt worden ~ 

Tödliches Spiel (Jeff the Killer FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt