22. Das Feuer

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Die Luft schmeckte abgestanden und feucht, und als ich gierig einatmete, zuckte ein stechender Schmerz durch meine Lungen. Ich ächzte und blinzelte. Es dauerte einen Moment, bis ich mich soweit orientiert hatte.
So wie es aussah, befand ich mich in einem Kellerraum. Undeutlich erkannte ich die Schemen weniger Kisten und Möbel, die jemand hier lieblos abgestellt hatte. Dann sah ich Jane.

Sie hatte mit dem Rücken zu mir gestanden, doch jetzt wandte sie sich zu mir um und blickte mir direkt ins Gesicht. „Schön, dass du wach bist.", lächelte sie. Ich hingegen starrte sie hasserfüllt an. Auf meiner Zunge lag immer noch der Geschmack meines Blutes und mein ganzer Körper schmerzte jämmerlich. 
"Was soll denn dieser feindselige Blick?" Sie runzelte die Stirn und musterte mich mit einem Ausdruck von Bekümmerung, als sei ich ein Kind, das schon wieder mit seinem Essen gekleckert hatte. Ich biss die Zähne zusammen. Nicht nur, dass sie ganz offenbar in Begriff war mir jegliche Möglichkeit auf eine Zukunft zu rauben, sie benutzte mich, für ihre eigenen ekligen Machenschaften. Und ich hasste es, benutzt zu werden.
Jane trat jetzt auf mich zu. Sie hatte mich an einen Stuhl in der Mitte des Raumes gebunden. Die Seile schnitten schon bei der kleinsten Bewegung schmerzhaft in mein Fleisch. „Du musst wissen, dass ich kein Problem mit dir habe.", ließ sie verlauten, als sie sich zu mir beugte. Nach wie vor hatte sie die Sonnenbrille nicht abgenommen, obwohl es hier drinnen beinahe so dunkel wie draußen war. Lediglich eine einzelne, traurige Energiesparlampe tauchte das Zimmer in schmutziges, gelbes Licht. 

Ich schwieg und stemmte mich stattdessen gegen die Fesseln, in der Hoffnung sie auf diese Weise wenigstens etwas lockern zu können. Jane seufzte. So nah, wie sie gerade bei mir stand, konnte ich sie riechen. „Dann halt nicht." Ihre Haltung straffte sich und ihre Mimik schien einzufrieren. „Wusstest du, dass Jeff panische Angst vor Feuer hat?", fragte sie mich dann im Plauderton, während sie sich aufrichtete und gemächlich durch den Raum schritt. „Ich habe mir immer vorgestellt, wie es wäre, ihn noch einmal dieser Angst auszusetzen." Sie lehnte sich neben der Tür an die Wand und musterte mich aus der Entfernung. "... Er hat meine Familie und meine Freunde umgebracht. Er hat sie angezündet.", ließ sie plötzlich in die Stille fallen. 

Ich spürte, wie mir sämtliches Blut aus dem Gesicht wich. 

Angestrengt starrte ich auf meine Schuhspitzen. Verdammt, ich wusste, dass Jeff ein Mörder war! Trotzdem wühlte Janes Geständnis schmerzhaft in meinen Eingeweiden. "Du bist einfach zwischen die Fronten geraten, Schätzchen.", seufzte die schwarzhaarige Frau. Ihre Mundwinkel zuckten. "Ich weiß, dass mich meine Taten zu genau dem gleichen Monster machen, das er ist. Aber du musst verstehen, dass Rache zu nehmen für mich die einzige Möglichkeit ist, endlich meinen Frieden zu finden." Ihre Stimme klang brüchig. Sie tat mir leid. Aber das änderte nichts daran, dass ich absolut nicht bereit war, mich für ihre gestörten Pläne zu opfern. So unauffällig wie möglich kämpfte ich also weiterhin gegen die Fesseln an. Ich zitterte vor Erleichterung, als ich spürte, wie sich das Seil langsam begann, von meinem rechten Fuß zu lösen.

„Wusstest du, warum Jeff so aussieht, wie er aussieht?", fragte mich Jane jetzt und schürzte die schwarzen Lippen, als ich den Kopf schüttelte. "Ihm wurde Bleiche über das Gesicht gegossen." Ihre Stimme klang furchtbar trocken. "Und dann wurde er angezündet."
Mir wurde übel. Jane schnaubte, inzwischen war ihr Lächeln dem Ausdruck von blankem Hass gewichen. "Und ich Idiotin habe damals noch die Ambulanz gerufen." Für einen Moment verlor sie die Kontrolle; die letzten Worte gellten viel zu laut durch den Raum. Einen Augenblick später war nur noch ihr hektisches Atmen zu hören. Sie kam wieder auf mich zu. Kurz bevor sie vor mir stehen blieb, streifte sie sich die Sonnenbrille ab. 

Und ich blickte in Augen, die schwarz waren, wie heißes Pech. Und während ich in diese dunklen Löcher starrte, teilten sich ihre Lippen zu einer scheußlichen Drohung: „Ich werde das Gleiche jetzt mit dir machen." 

Es fühlte sich an, als würde mir der Boden unter den Füßen weggerissen werden. Sie hielt bereits eine weiße Plastikflasche in den Händen. Die roten und orangenen Warnsignale darauf schienen mich selbst im schummrigen Licht des Raumes regelrecht anzuleuchten. Giftige Panik ätzte mir die Speiseröhre weg. Doch mein Fuß hatte sich inzwischen nahezu vollständig aus der Fessel befreien können, und auch wenn mein Herz mir drohte, aus der Brust zu springen, so heftig wie es gerade gegen meine Rippen trommelte, erkannte ich darin meine Chance, zu entkommen. Jane trat noch näher an mich heran und befreite die Flasche von ihrem blauen Deckel.

„Nimm es nicht persönlich,", hauchte sie, und schickte sich an, das Gift über mir zu entleeren.
Ich trat aus. Feste. Direkt zwischen ihre Beine. Sie schrie auf und knickte ein, wodurch es mir möglich war, ihr mit voller Wucht gegen die Schläfe zu treten. Mit einem hässlichen Knacken flog ihr Kopf zur Seite und ihr Körper zu Boden.
Hektisch begann ich mich aus den Fesseln an meinen Hände zu winden. Mein Körper krampfte vor der Angst, es nicht schnell genug zu schaffen. Einige Tropfen der Chemikalie waren bereits auf mich hinabgeflossen und brannten höllisch auf meiner Haut. Ich spürte auch, dass ein Teil meiner Haare in Mitleidenschaft gezogen worden waren, doch im Moment hatte ich nicht den Luxus mich daran aufzuhalten. Beinahe hätte ich vor Erleichterung geweint, als auch endlich meine Hände freigegeben wurden. Zwar hatten die Fesseln sich dabei so tief in meine Gelenke gegraben, dass sie bluteten, aber alles war besser, als bei lebendigem Leibe verbrannt zu werden! 

Jane rührte sich immer noch nicht. Hektisch zerrte ich ihren dünnen Körper auf den Stuhl und band sie dort notdürftig fest. Rollentausch, "Schätzchen", dachte ich hämisch.
Dann eilte ich zur Tür. Zu meinem Glück war sie nicht abgeschlossen, was es mir ersparte, die Taschen meiner Entführerin zu durchwühlen.

Der Gang der sich jetzt vor mir erstreckte, war dunkel. Ich holte tief Luft und schritt beherzt in die Dunkelheit.

Tödliches Spiel (Jeff the Killer FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt