Palantir

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Als ich nach einem kurzen, aber erholsamen Schlaf wieder aufwache, finde ich mich alleine in meinem Zimmer wieder, aber die Stelle, an der Legolas neben mir gelegen hat, ist noch warm. Ich weiß nicht genau warum ich aufgewacht bin, denn es ist noch dunkel draußen und es ist kein Geräusch zu hören. Doch plötzlich spüre ich eine dunkle, böse Präsenz hier und springe schon beinahe aus dem Bett vor Schreck. Es ist als würde Saurons Auge direkt auf uns schauen. Schnell reiße ich die Tür auf und renne in die Richtung aus der diese Präsenz zu kommen scheint, und zwar in Richtung Festsaal.
Die Tür zu dem Raum, in dem die meisten Feiernden nach dem Fest geschlafen haben, steht offen und ich komme direkt hinein, da sehe ich Pippin am Boden liegen. Er windet sich lautlos und hält den feurig leuchtenden Palantir in beiden Händen, den Mund zu einem stummen Schrei aufgerissen. Merry starrt seinen Freund entsetzt an, da stürmen Aragorn und mein Verlobter durch eine andere Tür in den Raum. Aragorn nimmt Pippin die Kugel ab, kippt aber nach hinten und lässt sie wieder fallen, da wacht Gandalf auf. Er springt von seinem Lager hoch und schmeißt eine Decke auf den rollenden Palantir. Währenddessen knie ich mich neben den jungen Hobbit, der blicklos ins Leere starrt und nehme seine Hand. Diese ist eiskalt und sofort weiß ich, dass Sauron in Pippin gestarrt hat.
"Pippin", sage ich leise und streiche ihm über den Kopf, aber er reagiert nicht.
"Närrischer Tuk!", höre ich da von Gandalf und schaue zu ihm auf.
"Gandalf-", will ich sagen, doch der Zauberer stößt Merry unsanft zur Seite und ich weiche zurück. Da sehe ich dass Aragorn sich aufrappelt und gehe zu ihm und Legolas.
"Ist denn wenigstens mit dir alles in Ordnung?", frage ich den Menschen und er nickt.
"Es geht schon, Danke."
Wir alle schauen auf Gandalf und den jungen Hobbit, der nun beginnt wieder zu atmen und ängstlich die Augen aufschlägt.
"Sieh mich an", sagt Gandalf beruhigend, aber Pippin schaut unruhig im Raum umher und klammert sich an Gandalfs Hand. "Schau mich an", sagt Gandalf nun eindringlicher und Pippin schaut ihn an, scheint aber den Tränen nahe zu sein.
"Was hast du gesehen?", fragt Gandalf und Pippin schließt die Augen.
"Einen Baum, da war ein weißer Baum. Er war tot."
Mir tut Pippin leid, man sieht ihm seine Angst an.
"Die weiße Stadt... sie brannte", wimmert der Hobbit.
"Minas Tirith? Ist es das was du gesehen hast?", hakt Gandalf aufgeregt nach.
"Ich habe... ich habe ihn gesehen!", antwortet Pippin stattdessen und ich weiß sofort wen er meint. 'Er hat tatsächlich Sauron gesehen!'
"Ich habe seine Stimme in meinem Kopf gehört", erzählt er weiter.
"Was hast du ihm erzählt? Sprich!", ruft Gandalf und ich höre die Sorge aus seiner Stimme heraus.
"Er hat nach meinem Namen gefragt, ich antwortete nicht. Er hat mir wehgetan."
"Was hast du ihm über Frodo und den Ring erzählt?"
Darauf antwortet Pippin nicht, aber er scheint zu realisieren wie kurz wir vor dem Untergang gestanden haben und noch immer stehen. Gandalf lässt den jungen Hobbit nun erstmal in Ruhe und Merry kümmert sich sofort um seinen Freund. Ich will mich gerade zu den beiden setzen, da legt mir jemand einen Umhang um und ich drehe den Kopf. Legolas schließt die Brosche und neigt sich ein wenig zu mir.
"Ich kann dich doch nicht so rumlaufen lassen", sagt er leise an meinem Ohr und zieht den Umhang fester um mich. Ich gebe ihm einen Kuss auf den Mund, schaue noch einmal zu Merry und Pippin, und mache mich dann auf zu meinem Zimmer. Legolas folgt mir beinahe lautlos, aber für meine Ohren gerade noch hörbar.
"Ist alles in Ordnung?", fragt er mich in meinem Zimmer und ich schaue ihn an während ich den Umhang wieder ablege.
"Ja, warum auch nicht? Pippin wurde doch nur fast von Sauron persönlich getötet und hätte beinahe alles über Frodo und den Ring erzählt."
"Also geht es dir nicht gut."
"Legolas! Es muss mir nicht immer gut gehen, verstehst du? Das Befinden der Einzelnen ist irrelevant angesichts eines solchen Feindes!", fahre ich ihn an und er hebt überrascht beide Augenbrauen.
"Hey! Denkst du das weiß ich nicht? Aber du kannst es mir nicht vorwerfen wenn ich mir Sorgen um meine zukünftige Ehefrau mache."
Ich seufze und spüre wie meine plötzliche Verärgerung wieder verpufft.
"Tut mir leid. Ich weiß auch nicht was mit mir los ist."
Da zieht mich Legolas an sich und nimmt mich sanft in den Arm. Bei ihm fühle ich mich sofort geborgen und sicher und lehne meinen Kopf an seine Schulter.
"Vielleicht ist es das Wissen dass der Feind auf einmal so nahe ist, statt so weit weg und unerreichbar. So nahe wie heute war Sauron seinem Sieg noch nie", überlege ich laut und Legolas streicht mir über den Kopf.
"Das denke ich auch, es wäre auch seltsam wenn du anders reagieren würdest."
Ein kleines Lächeln huscht über meine Lippen, dann löse ich mich von ihm.
"Danke, aber jetzt husch, ich will mich umziehen."
"Heute Nacht hattest du nichts dagegen", antwortet er mit einem schelmischen Grinsen und ich zeige auf die Tür.
"Jetzt aber schon. Außerdem solltest du an die frische Luft gehen, ich weiß dass du einen Kater hast."
Irgendetwas murmelnd verschwindet er tatsächlich und ich grinse in mich hinein. 'Und er denkt ich würde nicht merken dass er ein bisschen Kopfschmerzen hat.'
Wenig später bin ich fertig mit umziehen und mache mich auf um die anderen zu suchen. Die sitzen, beziehungsweise stehen in Théodens Halle und scheinen sich gerade zu beraten, als ich mich zu Aragorn, Legolas und Gimli stelle. Théoden mustert mich nur kurz, dann widmet er seine Aufmerksamkeit wieder dem Zauberer zu.
"Es war keine Lüge in Pippins Augen. Ein Narr, aber ein ehrlicher Narr bleibt er", sagt Gandalf gerade und mein Blick fällt auf die beiden Hobbits. Pippin sitzt auf einem Schemel und sieht betroffen aus, während Merry ernst und nachdenklich zu Gandalf schaut.
"Er hat Sauron nichts von Frodo und dem Ring erzählt", fährt Gandalf fort und durch alle Anwesenden geht eine Welle von Erleichterung.
"Pippin hat durch den Palantir einen Blick auf die Pläne des Feindes werfen können. Sauron will die weiße Stadt Minas Tirith angreifen. In einem Moment der Schwäche zeigte er dies, aber er hat nun gesehen dass der Erbe Elendils zurückgekehrt ist, wenn auch nicht so wie er erwartete. Es ist vielleicht noch genug Mut in ihm um sich Sauron entegegen zu stellen. Sauron fürchtet das. Er wird nicht riskieren dass sich die Menschen unter einem König vereinen. Er wird Minas Tirith eher niederreißen als zu sehen wie ein neuer König der Menschen den Thron besteigt. Wenn der Angriff beginnt, muss Rohan bereit für Krieg sein!"
"Sag mir, warum sollten wie jenen zu Hilfe eilen die nicht zu unserer kamen?", widerspricht Théoden jedoch, und es bedarf keiner großen Intelligenz um zu sehen dass alle Anwesenden überaus verblüfft über diese Aussage sind.
"Was schulden wir Gondor?"
"Vielleicht aus dem Trieb einer alten Freundschaft zwischen Rohan und Gondor? Das Schicksal von Mittelerde wird vor Minas Tirith entschieden werden, da könnt ihr nicht unbeteiligt daneben sitzen und Däumchen drehen!", brause ich auf und trete wütend einen Schritt auf Théoden zu.
"Woher wollt ihr das wissen? Ihr seid nichts weiter als Gefolge und versteht nichts von der Welt", meint dieser kalt und dreht sich dann weg von mir. Vor Wut weiß ich nicht was ich sagen soll und suche fassungslos nach Worten. Gerade will ich etwas erwidern, da hebt Aragorn die Hand.
"Jedwiga, beruhige dich", sagt er auf Sindarin und legt mir die Hand auf die Schulter, doch ich stoße sie weg und gehe wütend aus der Halle. 'Irgendwann werde ich es ihm zeigen! Ihm und all jenen die glauben, Frauen seien schlechter und schwächer als Männer!' Energisch laufe ich die Treppen hinunter und ignoriere die überraschten Blicke der Wachen, als ich an ihnen vorbeirausche.
"Jedwiga?", höre ich da die Stimme von Eówyn und bleibe widerwillig stehen. Die junge Frau kommt zu mir und schaut überrascht als sie meinen finsteren Gesichtsausdruck sieht.
"Sagt, was ist es das euch verärgert? Ich habe noch nie solche Wut in euren Augen gesehen."
"Weil Elben normalerweise niemals so wütend werden! Außer wenn man unter Menschen gelebt hat", gebe ich zurück und versuche mich ein wenig zu beruhigen.
"Und was macht euch so zornig?"
Ich seufze.
"Die Tatsache, dass alle Männer glauben Frauen seien schwächer als sie. Ihr kennt das, ich weiß es. Auch euch traut niemand etwas zu."
Eówyn wirkt schockiert.
"Aber ich dachte eure Freunde respektieren euch?"
"Meine Freunde sind auch nicht das Problem. Sondern euer Onkel", antworte ich und sehe wie Gandalf, gefolgt von Merry und Pippin in Richtung Ställe geht.
"Und schon wieder verlässt er uns", murmle ich.
"Wie bitte?", hakt Eówyn nach, doch ich winke ab.
"Nichts. Entschuldigt, aber ihr habt gewiss noch Pflichten zu erfüllen, ich will euch nicht aufhalten."
Mit diesen Worten gehe ich langsam weg und lasse Eówyn alleine.

Die Geschichte von JedwigaWhere stories live. Discover now