66. Blutiges Nachbeben

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Mit der rechten Hand an seinem Schwert, wanderte Murtagh durch die immer noch verlassenen Straßen Belatonas. Nach dem Treffen mit dem Anführer der Werkatzen hatte Nasuada die Stadt wieder räumen lassen. Ihr war die Gefahr zu groß gewesen, dass sich in den Winkeln der Stadt immer noch einzelne Chimären aufhielten, die ihre Leute aus dem Hinterhalt angreifen konnten. Zwar war die Aussicht eine weitere Nacht auf offenem Feld zu nächtigen nicht unbedingt gut bei ihren Kriegern angekommen, aber die dunkelhäutige Anführerin der Varden war eisern geblieben. Ihrer Meinung nach hatte die Sicherheit ihrer Leute ihrem Verlangen nach Bequemlichkeit gegenüber Vorrang. 
Eine Entscheidung, der die Drachenreiter aus vollem Herzen zugestimmt hatten. Sie alle hatten, ebenso wie die Urgals und die Werkatzen aus erster Hand erfahren, wie hinterhältig Ecros Schöpfungen waren. Es war wirklich vernünftiger, vorerst außerhalb der Stadtmauern zu bleiben, bis man sicher sein konnte, dass alle Chimären innerhalb der Mauern getötet oder vertrieben worden waren, dachte Murtagh, während er sich seinen Weg durch die Trümmer bahnte. Deshalb war er jetzt auch in der eroberten Stadt unterwegs. Er suchte, ebenso wie die beiden anderen Reiter und ihre Seelengefährten nach vereinzelten, übriggebliebenen Chimären, ebenso wie möglichen überlebenden Bewohnern der Stadt am Fluss Jiet. 
Zwar hielt er die zweite Möglichkeit für recht unwahrscheinlich, aber es war besser sicher zu gehen. Man konnte nie ausschließen, dass vereinzelte Glückliche dem Gemetzel einer einmarschierenden Streitmacht entgingen und sich dann irgendwo versteckten. Sollte das der Fall sein, dann würden diese Menschen sicher Hilfe benötigen. Gerade, als er diesen Gedanken zu Ende gedacht hatte, vernahm er ein leises Tapsen, wie das Geräusch kleiner Füße, die schnell aber vorsichtig über den unebenen Boden liefen. Der Klang hallte aus einigen Straßen Entfernung zu ihm herüber und wurde zunehmend leiser. Schnell kletterte Dorns Reiter über ein eingestürztes Dach, auf die Überreste eines Hauses und blickte in die Richtung aus der das Geräusch kam. 
Ungefähr zwei Querstraßen weit weg, konnte er zwei kleine Gestalten erkennen, die sich an den Händen hielten und gerade in eine schmale Gasse zwischen zwei noch ziemlich aufrecht stehenden Gebäuden einbogen. Zuerst dachte er, dass es sich bei den beiden um Werkatzen handeln musste, da die Gestaltwandler ebenso wie die Urgals, bereits Erfahrung im Kampf gegen Ecros Schöpfungen besaßen und sich deshalb der Suche nach weiteren Kreaturen angeschlossen haben könnten, aber auch wenn ihre Größe in etwa zutraf, waren ihre Bewegungen weniger elegant und von unterdrückter Wildheit, wie Murtagh es von denen kannte, die er bereits getroffen hatte. Das konnte er selbst auf die Entfernung erkennen. Kurzentschlossen entschied er sich den beiden zu folgen. Elegant glitt er an der, den beiden zugewandten, Seite des Hauses, hinab und sprintete in die Richtung in der sie verschwunden waren.
„Hast du etwas entdeckt?“, hörte er auf einmal die melodische Stimme seines Seelengefährten in sein Bewusstsein fragen. „Ja.“, antwortete der Reiter und sandte dem roten Drachen die Eindrücke, die er von den beiden kleinen Gestalten gesammelt hatte. Dorn übermittelte die Informationen unverzüglich weiter an Sereth und Saphira, die sie ihrerseits an ihre Reiter weitergaben. So war es abgesprochen worden. 
Da die Stadt für die drei Kolosse zu beengt war, hatten sie sich einverstanden erklärt über ihren Reitern zu schweben und relevante Botschaften weiterzuleiten, sowie ihre zweibeinigen Seelengefährten vor möglichen Hinterhalten und Feindbewegungen zu warnen. „Ich gebe dir Recht. Werkatzen sind das sicher nicht.“ 
Nachdenklich begutachtete Karis die Bilder. „Vielleicht zwei Kinder, die es geschafft haben, sich vor den Chimären zu verstecken und jetzt ihre Eltern suchen?“„Aber wieso haben sie sich dann nicht einfach an die Varden gewandt, als sie in die Stadt gekommen sind?“, fragte Eragon. „Wir hätten ihnen doch geholfen ihre Eltern zu finden.“ 
„Du vergisst, dass diese Kinder gerade die Hölle durchgemacht haben, kleiner Bruder.“, antwortete Murtagh, während er in die kleine Gasse einbog, in die die Gestalten verschwunden waren. 
„Sie mussten mitansehen, wie Ungeheuer, die aus ihren Albträumen entsprungen zu sein schienen, in ihre Nachbarschaft einfielen und wahllos Menschen niedergemetzelt haben, die sie von Kindesbeinen an kannten. Und kaum dass diese Horrorgestalten verschwunden sind taucht eine fremde Armee auf, die die Stadt in Besitz nehmen will. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es ihnen leicht fallen wird, Vertrauen zu uns zu fassen.“ Nach kurzem Überlegen stimmten die beiden anderen Reiter ihm zu. „Dann wäre es vielleicht besser, wenn du dich ihnen alleine näherst. Wenn wir zu dritt bei ihnen auftauchen würden, könnte das zu einschüchternd auf sie wirken.“ 
„Ich?“ Irritiert von dem Vorschlag seines Meisters blieb Murtagh mitten in der Gasse stehen. Er sollte versuchen Kontakt mit verängstigten Kindern aufzunehmen, die vermutlich ebenso wie viele Menschen im Imperium mit Horrorgeschichten über seinen Vater und seit er gezwungen war dem König zu dienen, auch über ihn großgezogen worden waren.„Warum denn nicht?“ Abrupt schnitt Dorn den entmutigenden Gedankenstrom ab. „Du bist schon längst nicht mehr nur der Sohn deines Vaters und auch der Sklave des Königs bist du nicht mehr. Mit der Schlacht in Belatona haben wir beide begonnen unsere eigene Geschichte zu schreiben und es gibt keinen Grund jetzt wo wir begonnen haben Fortschritte in unserer Entwicklung zu machen vor einer so kleinen Hürde zurückzuweichen.“ 
„Dorn hat Recht.“, bekräftigte Sereth, der die ganze Unterhaltung ungeniert belauscht hatte. „Du bist ein Reiter und als solcher ist es deine Pflicht dich mit den Bedürfnissen der Schwächeren auseinanderzusetzen und sie zu unterstützen, wenn du kannst. Und es kann nicht schaden, wenn du jetzt schon damit anfängst.“ „Und solltest du dir immer noch Sorgen machen, dass du die Kleinen alleine durch dein Aussehen und deinen Namen erschreckst, kann ich dich beruhigen. Du bist bei weitem nicht so furchteinflößend, wie ich.“ Dieser trockene Kommentar des Schattenläufers, zauberte ein kleines Lächeln auf Murtaghs Lippen. 
Dem konnte er schlecht widersprechen. Immerhin genügte manchmal bereits das spitzzahnige Äußere seines Lehrmeisters um selbst gestandene Männer zurückweichen zu lassen. Auch wenn sich Dorns Reiter sicher war, dass er als der Schattenläufer, nachdem er damals Ecros entkommen war und zurück zu den Varden gegangen war, auch einige Gesichter in der Menge gesehen hatte, die ihn fast schmachtend angesehen hatten. Die Tatsache, dass er keine Zeit damit verloren hatte, ein Wams anzuziehen, sodass einige der weiblichen Mitglieder der Varden einen Blick auf seine muskulöse, wenn auch vernarbte Brust hatten erhaschen können, war dabei vermutlich ebenfalls ein wesentlicher Faktor gewesen. 
Nicht, dass er seinem Lehrer jemals davon erzählen würde.
Mit etwas leichterem Herzen, setzte er seinen Weg fort, bis er ans Ende der Gasse kam. Dort stellte er sich in den Schatten der Gebäude, sodass er von dem kleinen Hinterhof in dem sein Weg endete, nicht so leicht zu erkennen war und beobachtete, wie die beiden Gestalten, denen er gefolgt war und bei denen es sich wie er jetzt erkannte, in der Tat um Kinder handelte, eine Treppe hinunterliefen. Diese führte zu einer Hintertür, die wahrscheinlich zu einem Keller gehörte. 
Das Haus darüber war komplett verschüttet, sodass die Tür vermutlich der einzige Zugang war. Das, zusammen mit der Tatsache, dass die Tür ebenfalls halb hinter einigen Trümmern verborgen war machte den Keller zu einem recht passablen Versteck. 
Murtagh vermutete, dass sich die Kinder bei dem Angriff der Chimären in dem Keller verborgen hatten und als dann das Gebäude über ihnen eingestürzt war, hatten sie es nicht gewagt ihr Versteck zu verlassen. Gerade wollte er den Schatten der Gasse verlassen und sich auf den Hinterhof begeben, als er aus dem Augenwinkel eine Bewegung bemerkte. Ein Mann mit zerzaustem, schulterlangem grauen Haar und einem ungepflegten Bart, der den größten Teile seines Gesichtes verbarg, schlich sich auf den Hinterhof. Seine Erscheinung war alles andere als gepflegt, aber die feine Machart seiner Rüstung offenbarte, dass er offenbar einen hohen Rang innehatte. 
Kurz huschte sein Blick umher, um sich zu vergewissern, dass niemand ihn beobachtete, bevor er mit festem Schritt auf die kleine Treppe zutrat und kräftig dagegen klopfte. Das dumpfe Geräusch hallte über den Hinterhof. Misstrauisch geworden, pirschte der schwarzhaarige Drachenreiter näher. Er konnte nicht genau sagen was es war, das ihn aufmerksam gemacht hatte, aber irgendwie war ihm dieser Mann zuwider. Er spürte förmlich, dass an der Angelegenheit etwas faul war. Nervös durch die Gefühle seines Reiters geworden, unterbrach Dorn seinen Rundflug über der Stadt und flog in seine Richtung. Auch Eragon, Karis und ihre Seelengefährten lenkten ihre Aufmerksamkeit zu dem Aufenthaltsort des schwarzhaarigen Reiters.
Mit knirschenden Geräusch, öffnete sich die Tür und Murtagh glitt schnell hinter einen Trümmerhaufen. Dennoch konnte er die barsche Stimme des Mannes klar und deutlich, über den Hinterhof schallen hören. „Also, was habt ihr heute gefunden, ihr wertlosen Bälger?“ Fünf Kinder, zwischen 8 und 15 Jahren, traten aus der Tür und stellten sich mit gesenktem Kopf vor den Mann auf. 
Die einzige Antwort war ein verschüchtertes Murmeln. „Wie bitte?“ Der Mann brachte sein Gesicht gefährlich nahe an den ältesten der Fünf heran. Einen Jungen mit hellbraunem Haar, der ihm als einziger mit emporgerecktem Kinn entgegensah. 
Der Knabe zog einen prall gefüllten Beutel hinter seinem Rücken hervor und hielt ihn fest in seinen Händen. „Das haben wir heute gefunden. Werdet ihr dafür euer Versprechen erfüllen?“ „Kommt ganz darauf an, was es ist.“
Mit höhnischem Grinsen, reckte der Erwachsene ihm seine Hand entgegen, in die der Junge etwas widerwillig den Beutel fallen ließ. Sein Lächeln wurde wenn möglich noch breiter, als er den Inhalt überprüfte. 
„Das habt ihr wirklich gut gemacht. Ich bin sehr zufrieden mit euch.“ „Dann werdet ihr euer Wort halten? Ihr werdet uns helfen unsere Eltern wiederzufinden?“ So einfach, diese Frage auch klang, begannen in dem Kopf des Drachenreiters sämtliche Alarmglocken zu klingeln. Er konnte sich nicht vorstellen, dass dieser Mann tatsächlich in der Lage war den Kindern dabei zu helfen ihre Eltern wiederzufinden. Die Varden hatten den größten Teil der Stadt bereits erforscht und beinahe nirgends Überlebende gefunden. Und wären die Eltern dieser Kinder dabei gewesen, wären sie sofort auf die Suche nach ihrem Nachwuchs gegangen. Seine Sorge schien sich zu bewahrheiten, als der Mann den Beutel wieder zuknöpfte und ihn hinter sich zu Boden fallen ließ. 
„Natürlich, gleich seht ihr sie wieder.“ Ein schleifendes Geräusch, wie Stahl der über Leder schabte erklang und Dorns Reiter handelte instinktiv. 
Er sprang auf die Füße und fauchte: „Thrysta vindr!“ Ein harter Luftknoten bildete sich zwischen den Kindern und dem Mann, der sein Schwert gezogen hatte und schleuderte ihn einige Schritte zurück. Mit zwei schnellen Schritten, befand sich Murtagh zwischen den Kindern und dem Bärtigen, der überraschend auf den Beinen geblieben war. Argwöhnisch beobachtete Dorns Reiter wie sein Gegner ihn herablassend musterte. Auch wenn ihn der Zauber überrumpelt hatte, schien er davon nicht im Geringsten beeindruckt zu sein. Ein ungutes Gefühl breitete sich in dem jungen Reiter aus. Er erinnerte sich noch gut daran, wie er das letzte Mal diesen Zauber angewandt hatte um seinen kleinen Bruder zurückzuschleudern. Obwohl dieser über elfische Reflexe verfügte, war es ihm nicht möglich gewesen, diesen Angriff ohne weiteres wegzustecken und er hatte ihn von vorne kommen sehen. 
Dieser Mann jedoch hatte keinen Anhaltspunkt gehabt, woher der Angriff gekommen war oder in welche Richtung er geschleudert werden würde und dennoch war es ihm gelungen mit katzenhafter Eleganz auf den Beinen zu landen, sein Schwert immer noch in der Hand und das höhnische Lächeln glomm immer noch auf seinen Lippen.
„Warum mischt ihr euch hier ein, Argetlam?“, fragte der Mann mit einem falschen Lächeln. „Ich wollte den Kleinen doch nur einen Gefallen tun.“ 
Murtaghs Miene verdüsterte sich zusehends. „Ihnen einen Gefallen tun? Und wie soll der aussehen?“ „Ich wollte ihnen helfen, ihre Eltern wiederzusehen.“ Mit einem Lächeln, das so falsch war, wie die Behauptung, dass der Himmel grün wäre, wandte der Mann seinen Kopf zu den Kleinen. „Wollt ihr das nicht auch? Zurück zu Mama und Papa. Wieder zusammen sein mit den Liebsten, die man euch so grausam entrissen hat. Das wäre doch so schön.“ Mehr als eines der Kinder starrte ihn hingerissen an, als ob ihm Honig von den Lippen tropfen würde, der sich vor ihren Augen in die Gestalten ihrer Eltern und Familien verwandelte. Aber Murtagh hatte in Uru baen genug von Galbatorix honigsüßen Reden lauschen müssen, um zu wissen wie falsch jedes, noch so nichtige, Versprechen war, das von solchen Lippen tropfte.
„Du lügst!“ Messerscharf durchschnitt seine Stimme die Trance in die der Bärtige die Kinder getaucht hatte.
„Du hast keine Möglichkeit die Kinder wieder mit ihren Eltern zu vereinen.“ „Oh doch, die habe ich wohl.“ Herablassend hob sein Gegenüber seine Klinge, bis sie auf die Kinder hinter Murtagh wies. Jetzt konnte der Reiter erkennen, dass die dunkle Klinge über eine merkwürdig geformte Parierstange verfügte, die zwei zur Klinge hin gekrümmten Fledermausflügeln nachempfunden zu sein schien. 
Das unheilvolle Grinsendes bärtigen Mannes wurde breiter und eine deutliche Spur grausamer, bis es komplett falsch in seinem Gesicht aussah. „Ich könnte sie ganz einfach an den Ort bringen, an dem ihre Eltern inzwischen sind.“
Mit einem schnellen Schritt griff er an. Murtagh konnte gerade noch dazwischen springen und seine Waffe hochreißen, bevor die Klinge den Kopf eines jungen Mädchens traf. Die Kinder hinter ihm wichen erschrocken einige Schritte zurück und der Jüngste von ihnen begann erschrocken zu weinen. Doch dem konnte der Drachenreiter keine Beachtung schenken. Sein Gegner nutzte seinen unsicheren Stand und drängte ihn zurück. Er glitt leicht zur Seite, damit sie sich etwas von den Kindern entfernten, aber ansonsten war an Gegenwehr überhaupt nicht zu denken. Jeder Versuch sich aus der Defensive zu lösen wurde schon im Ansatz verhindert. Sein Gegner hatte einfach zu viel Kraft. Mühelos drückte er mit einer solchen Kraft auf sein Schwert, dass Dorns Reiter sich nicht aus der Position lösen konnte. 
Er konnte spüren, wie sein Seelengefährte, der die Gefahr erkannt hatte, in der er sich befand, näher kam. Auch Karis und Eragon waren auf dem Weg, aber er war sich nicht sicher, ob er solange durchhalten würde, bis einer von ihnen hier eintraf. Er versuchte seinen Gegner zurückzustoßen, doch sein Gegenüber erhöhte den Druck auf Zar roc so stark, dass er in die Knie ging. Inzwischen schwebte die schwarze Klinge seines Feindes direkt über seinem Kopf nur noch knapp fern gehalten von seiner Roten. 
Dabei fiel sein Blick auf eines der Kinder, welche ihn mit großen Augen anstarrten. Ein Funken in den Augen der Kleinen berührte ihn, doch er brauchte einen Augenblick, bis er erkannte, was es war. Es war Angst. Dieselbe Angst und Hoffnungslosigkeit, die ihn in seiner Jugend in Uru baen so oft durchströmt hatte, glomm jetzt wenn auch in wesentlich abgeschwächter Form in den Augen dieser Kinder. 
Der Mann vor ihm hatte ihre Hoffnung genährt ihre Eltern wiederzusehen, er hatte ihnen falsche Träume gegeben und sie manipuliert, bevor er sie einfach wie ungewollte Welpen loswerden wollte. 
Ein gleißender Zorn, bahnte sich in Murtagh seinen Weg, klärte seine Gedanken und ohne dass es ihm bewusst war, öffnete er sein inneres Auge und nutzte seine Windvision. Er würde nicht zulassen, dass dieser Bastard einfach so das Denken dieser Kinder vergiftete. Mit neuerwachtem Elan drückte er gegen die Klinge seines Gegners. Sein neuer Kampfgeist schien seinen Gegner zu überraschen, denn es gelang ihm, ihn etwas zurückzudrängen. 
Knurrend verstärkte der Bärtige seinen Angriff, wobei er sich unbewusst genau in die Position brachte, in der Murtagh ihn haben wollte. 
Sein rechter Fuß stand etwas unsicher auf einem auf einem kleinen Stein. Mit einer geschmeidigen Bewegung nach links ließ Murtagh das Schwert seines Gegners an seinem eigenen abgleiten. Sein Gegner, der versuchte sich mit ihm mitzudrehen, geriet durch den Schwung und seinen unsicheren Stand etwas aus dem Gleichgewicht und bevor er sich wieder sammeln konnte, war Dorns Reiter wieder auf den Füßen. Mit neuerwachtem Interesse, trat sein nun ebenfalls wieder gerade stehender Gegner einige Schritte zurück und musterte ihn argwöhnisch. 
„Wie es aussieht, habe ich dich wohl unterschätzt.“ 
Kampfbereit hob er sein Schwert. „Dann werde ich wohl ernst machen müssen.“ Er umfasste seine Waffe mit beiden Händen und setzte zu einem wuchtigen Hieb an. Murtagh wich der Bewegung aus und stach gleichzeitig mit Zar roc nach der Hüfte seines Gegners. Doch dieser war unrealistisch schnell. Seine Bewegungen verschwammen beinahe vor den Augen des jungen Drachenreiters und nur seiner Windvision verdankte er es, dass er den nächsten Angriff, der auf sein Bein zielte, entgehen konnte. 
Gerade noch rechtzeitig stieß er sein Schwert in den Boden um den Schlag abzufangen, aber dabei entblößte er seine obere Deckung, was der Bärtige nutzte um ihm kräftig mit der Faust ins Gesicht zu schlagen. 
Glücklicherweise hatte er den Schlag kommen gesehen, sodass er seinen Kopf gerade noch rechtzeitig zur Seite drehen konnte. Trotzdem streifte die Faust sein Gesicht und hinterließ eine leicht blutende Schramme. Grimmig riss er sein Schwert aus dem Boden und schlug nach seinem Gegner, der jedoch leichtfüßig zurückwich. Erneut begannen sich die beiden zu umkreisen, wobei sie sich nicht genau in Kreisen bewegten, da Murtagh ihn nicht in die Nähe der Kinder ließ. Dieses Mal griff der junge Drachenreiter zuerst an. Mit einer kreisförmigen Bewegung schlug er nach dem Kopf des Mannes. Sein Gegner duckte sich unter dem Angriff weg und stieß gleichzeitig nach seiner Hüfte. Kurz blitzte in Murtaghs Geist das Bild von Karis auf, der diese Verrenkung in einer ihrer Trainingseinheiten vollzog und ihm Zwielicht hart in den Magen gerammt hatte. Als er wieder hatte atmen können hatte der Schattenläufer ihn amüsiert angelächelt und ihm erklärt, dass er bei einem Gegner immer mit dem Unerwarteten rechnen musste.
Beinahe wie von selbst, drehte er sich leicht nach rechts, sodass die Waffe seines Gegners knapp an ihm vorbeisauste. Für einen kurzen Augenblick war sein Gegner verblüfft von der abrupten Reaktion seines Gegners. Diesen Moment nutzte der junge Drachenreiter aus. Er sprang nach vorne und schlug nach seinem Bein. „Bei einem überlegenen Gegner immer auf die weniger beachteten und damit meist nur unzureichend geschützten Extremitäten zielen. Damit überraschst du ihn meistens und du kannst selbst bei einem überlegenen Gegner einen Treffer landen. Selbst wenn du dadurch keine schwere Verwundung erzielst, verunsicherst du ihn, sein Kampfstil wird unkonzentrierter und sein Selbstbewusstsein erhält einen erheblichen Schlag.“ 
Der Ratschlag seines Lehrmeisters klang in seinen Ohren, als die rote Klinge sich in das Fleisch seines Gegners bohrte und der bärtige Mann einen wüsten Fluch ausstieß.
Mit einem Knurren, das selbst dem größten Drachen Konkurrenz gemacht hätte, wirbelte sein Gegner seine Waffe durch die Luft. 
Murtagh konnte gerade noch seine Klinge hochreißen, doch durch die enorme Kraft seines Gegners wurde er einfach beiseite geschleudert. Glühender Zorn schimmerte in den Augen des Mannes, als er seinem Gegner, der es gewagt hatte ihn zu verletzen, hinterherstapfte. Selbst die Luft um ihn herum schien von seinen Gefühlen erfühlt zu sein, da sie in einem engen Umkreis um seinen Körper herum zu flackern begann. 
Erneut schlug er mit seiner Klinge nach dem jungen Reiter. Und Murtagh wich aus. Seine ersten Kontakte mit den Schlägen seines Gegners hatten ihn gelehrt, dass er der rohen Kraft nicht gewachsen war. Zwar war das auch mit Eragon oder Karis nicht anders gewesen, doch dieser Gegner war noch mal etwas ganz anderes. 
Immer schneller sausten die Gedanken in dem jungen Drachenreiter umher, während er den zunehmend wuchtigeren Angriffen auswich oder sich bemühte, sie an seinem Schwert abgleiten zu lassen. Sein Gegner war sehr viel schneller und stärker, als er selbst. Zudem schien er wesentlich erfahrener zu sein.
Obwohl Murtagh seine Windvision verwendete um die Bewegungen seines Gegners vorherzusehen und so einen leichten Vorsprung vor dem bärtigen Mann zu haben, gelang es diesem immer wieder Lücken in seiner Verteidigung zu finden und mehr als einmal war er nur knapp einer ernsthaften Verletzung entkommen. 
Inzwischen zogen sich leichte Schnittwunden über seine Beine und auch eine massive Delle in seinem linken Panzerhandschuh, zierte seinen Körper, wohingegen der andere Schwertkämpfer von seiner Verletzung kaum beeinträchtigt zu sein schien. 
Er musste diesen Kampf schnell beenden, sonst hatte er ein ernsthaftes Problem. „Wenn dein Gegner stärker ist als du, vertrau auf deine Geschwindigkeit. Ist er schneller und stärker als du, versuche es mit einem speziellen Kampfstil. Und sollte dein Gegner dir sowohl in dem Bereich Schnelligkeit, als auch Stärke und Erfahrung überlegen sein, hast du nur noch eine Möglichkeit. Schummle!“ 
Noch gut erinnerte sich Murtagh, wie er seinen Lehrmeister angestarrt hatte, als er ihm diesen Ratschlag gegeben hatte. 
Dieser Rat widersprach praktisch allem wofür der alte Orden gestanden hatte. Seines Wissens nach hatte dieser immer Ehrlichkeit und Anstand gepredigt, doch als er diesen Umstand dem Schattenläufer gegenüber vorgebracht hatte, hatte dieser nur traurig gelächelt und geantwortet, dass das zwar ein guter Grundsatz wäre und es sicher erstrebenswert war nach diesen Tugenden zu leben, aber in einem richtigen Kampf kam man damit nicht weit. Man durfte nie damit rechnen, dass sein Gegner sich nur auf die ehrlichen Kampftechniken verließ, wenn sein Leben auf dem Spiel stand. Daher sah Karis auch keinen Grund sich daran zu halten. 
Und in diesem Moment, schien dem jungen Drachenreiter keine andere Wahl zu bleiben, als den Ratschlag seines Lehrmeisters zu befolgen. Denn ihm wurde zunehmend bewusst, dass er in einem offenen Schwerkampf keine große Chance hatte. Erneut nahm er mittels Windvision war, wie sein Gegner sich auf einen Schlag vorbereitete und brachte sich in Position. Er winkelte die Schulter an und ließ den Schlag an seiner Klinge abgleiten. Gleichzeitig trat er mit dem Fuß gegen einen losen Haufen Kies und schoss ihn Richtung des Gesichts seines Gegners. Geblendet, wich der Bärtige einige Schritte zurück, doch der schwarzhaarige Drachenreiter blieb an ihm dran. Diesen kleinen Moment der Unachtsamkeit ausnutzend ließ er sein Schwert erneut auf seinen Gegner niedersausen und trotz der überirdischen Schnelligkeit seines Gegners gelang es ihm, diesen am Arm zu verwunden. Grenzenloser Zorn blitzte in den Augen des Bärtigen auf, während er seinen Arm hielt und fauchend einigen Schritte zurücktrat. 
Das Flimmern um seinen Körper nahm zu und die Konturen seines Körpers begannen zu verschwimmen. Der etwas bulligere Eindruck seiner Statur verschwand und machte einer grazilen Gestalt Platz, seine schulterlangen grauen Haare färbten sich feuerrot, während seine Haut totenblass wurde und seine Augen glommen in einem teuflischen Grün. Noch bevor eines der Kinder, die sich inzwischen hinter den Trümmern verborgen hatten es panisch ausrief, wusste Murtagh genau, was da vor ihm stand. 
„Allem Anschein nach, habe ich dich unterschätzt.“ Die vor Blutgier triefende Stimme des Schattenelfen strich förmlich über den Körper des Drachenreiters und brachte das leise Weinen der Kinder abrupt zum Schweigen. „Eragon hat wirklich nicht übertrieben.“,ging es dem älteren von Selenas Söhnen durch den Kopf. Auch er fühlte sich bei dem Klang aufs Unangenehmste an vergangene Schlachten erinnert. „Ich wünschte, ich hätte mehr Zeit mit dem Schüler meines Schülers zu spielen, aber bedauerlicherweise hat unser kleines Treffen inzwischen die Aufmerksamkeit deiner Freunde erregt und auch wenn ich die Angelegenheit mit Karis gern klären würde, bin ich im Moment wohl bedauerlicherweise noch nicht in der Verfassung euch allen zusammen gerecht zu werden.“ Echtes Bedauern klang in seiner Stimme mit und brachte das Bild des Blutbades, welches sie in Murtaghs Kopf pflanzte nur noch mehr zum schillern.
„Daher werde ich diese Angelegenheit jetzt schnell beenden.“ Ein düsterer Glanz trat in Ecros Augen und noch bevor sich Dorns Reiter überlegen konnte, was dieser damit meinte, spürte er wie sich ein geistiger Fühler von beeindruckender Macht in sein Bewusstsein bohrte. Wie ein glühender Speer brach er durch seine äußeren Schutzwälle und nur knapp gelang es dem jungen Reiter ihn davon abzuhalten weiter vorzudringen. Doch er spürte bereits, wie seine Wälle unter dem unablässigen Ansturm zu schwanken begannen. Nur seine eiserne Selbstbeherrschung, die er sich in seiner Jugend in Uru baen erarbeitet hatte, verhinderte dass diese ebenfalls sofort fielen. 
Der Angriff des Schattenelfen war ganz anders, als der seines Schülers, den Murtagh während seiner Ausbildung kennengelernt hatte. Während Karis Angriff, ähnlich einem Schwarm von Klingen mehrere Stellen einer mentalen Barriere zugleich angriff, bevor sie sich zu einem einzigen gedanklichen Speer vereinigten und dann mit brutaler Präzision auf eine durch den vorangegangenen geschaffene Schwachstelle einstachen, schien das Ziel des Schattenelfen mehr die brutale Brechung des Willens seines Gegners zu sein. 
In einem Fort war er bemüht, dem jungen Reiter zu zeigen, wie schwach er im Vergleich zu ihm war.
Beinahe mühelos riss er Schutzwall um Schutzwall nieder, wobei er seinen Gegner seine Herablassung spüren ließ. Diese Emotion, erschütterte das Selbstvertrauen von Morzans Sohn trotz seiner Selbstbeherrschung enorm. Sein Widerstand wurde mit einer Geringschätzung betrachtet, die man eventuell einer summenden Fliege entgegenbrachte. Vielleicht etwas nervig aber in keinster Weise bedrohlich. Seine Seele geriet aus dem Gleichgewicht und auch die letzten Barrieren des verunsicherten Reiters, begannen unter den brutalen Angriffen zu schwanken, als ein wohlbekanntes Brüllen ihn aus der Trance riss, in die ihn Ecros Gefühle versetzt hatten. 
Murtagh riss die Augen, die er unbewusst in Konzentration geschlossen hatte, auf und erblickte die blutrote Silhouette seines Seelengefährten, der über die Dächer auf ihn zuflog.  
Sein Körper glitzerte im Licht der Sonne, rubinfarbene Flammen loderten aus seinem Schlund und seine Schwingenschläge kündeten von einem Zorn, den sein Reiter selbst durch die Schichten seines Schutzwalls spüren konnte. Kein Reiterdrache tolerierte es, wenn die andere Hälfte seiner Seele angegriffen wurde und noch bevor der Drache in Reichweite für eine physische Attacke war, konnte Ecros spüren, wie sein, in Wut entbrannter, Geist sich auf seinen stürzte. Der Überraschungseffekt war so groß, dass Ecros ins Schwanken geriet. Sein geistiger Griff um den schwarzhaarigen Reiter löste sich und ließ Dorns Seelengefährten wieder zu Atem kommen. Murtagh, von der lähmenden Präsenz seines Gegners befreit, erkannte seine Chance. Blitzartig kam er auf die Füße und hechtete nach vorne. Sein rotes Schwert funkelte im Licht, das von den Schuppen seines Seelengefährten reflektiert wurde und sah aus als wäre es mit unzähligen schillernden Rubinen besetzt, als es auf Ecros Herz zuraste. 
Im letzten Moment, gelang es Karis ehemaligen Lehrmeister sich von dem wutschnaubenden Drachengeist zu befreien. Seine Augen weiteten sich vor Entsetzen, als er die Gefahr erkannte in der er sich befand und hastig versuchte er einen Schritt zur Seite zu machen. 
Haarscharf an seinem Herzen vorbei, drang Zar roc in sein Fleisch. Es zertrümmerte sein Sternum und drang durch einen Lungenflügel, bevor es an seinem Rücken wieder austrat. 
Der Schattenelf stieß ein gespenstisches Heulen aus, als die Klinge sein Fleisch durchbohrte. Seine schulterlangen roten Haare, begannen sich zu winden wie Schlangen und seine Hände verkrampften sich in unterdrücktem Schmerz, bevor sein Konturen begannen zu zerfasern. Seine Umrisse verschwammen, ähnlich wie vorhin, als sein Tarnzauber sich aufzulösen begann, doch dieses Mal hielten sie nicht an den Grenzen seines Körpers inne. Seine gesamte Gestalt löste sich auf und verschwamm, bis sie mit der Luft vermischt zu sein schien. Gleich darauf war nichts mehr von ihm zu sehen. 
Einen Moment lang blickte Murtagh noch den davonwirbelnden Farbfasern nach, bevor er sich seinem inzwischen landenden Seelengefährten zuwandte. Er brauchte keine Worte um zu sagen, was in diesem Augenblick in ihm vorging. Grenzenlose Zuneigung und Dankbarkeit empfingen den blutroten Giganten, als er auf dem kleinen Hinterhof zum Landen ansetzte. 

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