Prolog

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Er war dazu geboren hier oben zu stehen.

Er liebte es auf der Bühne zu sein und sich der Musik hinzugeben.

Die kreischende Menge, die vor ihm war, schrie ihm zu. Nur ihm. Der Jubel war nicht bestimmt für vier Jungs. Nein, er war ganz alleine für ihn und dieses Wissen, dass die Leute wegen ihm hier waren - nur für ihn - war überwältigend. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht und er schloss seine Augen. Er atmete ein. Seine Brust hob sich. Er atmete aus. Seine Brust senkte sich. Das hier war sein Augenblick und er kostete ihn aus. Das Gefühl bereitete ihm ein Kribbeln, was bis in die Zehenspitzen reichte. Es war pures Glück, das durch seine Adern strömte.

Seine Augen öffneten sich und er sah über die Menge hinweg. Plötzlich ergriff jedoch ein Schauer seinen Körper. Er jagte kalt über seinen Rücken hinweg und nahm das Glücksgefühl mit sich. Zurück blieb nur ein Gedanke, der ihn heimsuchte und die Euphorie verdrängte. Sie war nicht gekommen.

Dabei hatte sie versprochen zu kommen. Suchend schweifte sein Blick über die Menge, aber er konnte in diesem Durcheinander von Menschen nicht ein Gesicht erkennen. Sie verschwammen zu einer undurchsichtigen Masse, in der die einzelnen Individuen untergingen. Dennoch hörte er nicht auf nach ihr zu suchen. Sie hatte es versprochen. Je länger er sich umsah und sie dennoch nicht entdecken konnte, desto größer wurde seine Panik. Langsam kroch sie in ihm hoch, sammelte sich in seinem Magen, sodass ihm schlecht wurde. Sie griff nach seinem Herzen um es in einem festen Griff zusammenzudrücken. Er widerstand dem Drang sich die Arme um den Bauch zu schlingen und sich zusammenzurollen, damit die Angriffsfläche kleiner wurde.

Sie hatte ihn im Stich gelassen, dabei hatte sie es versprochen. Noch nie hatte sie ein Versprechen gebrochen. Sie war immer da gewesen, egal wie schlecht es ihm ging und ausgerechnet heute ließ sie ihn ihm Stich. Dabei brauchte er sie jetzt am dringendsten.

Wo war sie?

Er versuchte tief durchzuatmen und einen klaren Kopf zu bekommen. Den Gedanken, dass sie nicht da war, versuchte er von sich zu schieben um der Musik Platz zu machen. Sonst war es ihm immer so leicht gefallen sich von der Musik tragen zu lassen. Aber heute, an diesem Tag, wo es so wichtig war, ließ ihn auch die Musik im Stich.

Die Erkenntnis, dass er alleine hier auf der Bühne stand, ohne seine Freunde, die ihm den Rücken stärkten, überschwemmte ihn, wie eine Welle im Ozean. Er wurde von ihr mitgerissen und herumgewirbelt. Bald schon wusste er nicht mehr, wo oben und unten war. Sein Anker fehlte und er wusste nicht, ob er diesen Sturm überstehen würde. Er würde an den Klippen zerschellen und untergehen ohne, dass er etwas dagegen unternehmen konnte.

____♥

20.12.16

Changing DirectionsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt