3. Flucht aus London

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3. Flucht aus London
Am 28. Januar war es so schlimm, dass ich das Gefühle hatte erdrückt zu werden. Von der plötzlichen Enge und Dunkelheit meiner Wohnung in London und in mir drinnen. Und der Angst die sich wie eine Faust um mein Herz geschlossen hat und mir die Luft zum Atmen nahm.

Völlig überstürzt und fluchtartig bin ich aus der Wohnung und in mein Auto gestürmt.

Ohne zu überlegen bin ich losgefahren. Mein einziges Ziel?
London, diese große und volle Stadt so schnell wie möglich zu verlassen und genügend Abstand zwischen mich und diese unheilvolle Stadt zubringen.

So kopflos wie ich gefahren bin ist es im Nachhinein wirklich ein Wunder das ich keinen Unfall verursacht habe, auch wenn ich alle Ampeln egal ob rot, orange oder grün mitgenommen habe und wie ein Irrer durch die Straßen geprescht bin. Ob das Konsequenzen haben könnte war mir zu diesem Zeitpunkt völlig egal.

Sobald ich London verlassen habe wurde es kurz besser. Aber ich fühlte mich überall verfolgt und auf der Flucht.

Meine Sicht verschwamm immer mehr und ich fuhr einfach an den Straßenrand. Den Schlüssel ließ ich stecken, die Scheinwerfer und der Motor blieben an und ich stolperte aus dem Wagen.
Frische Luft durchströmt meine Lungen das erste Mal seit Wochen und die Kälte des Januars schlug mir ins Gesicht. Sofort breitete sich eine Gänsehaut auf meinem ganzen Körper aus und dicke Wolken entstanden bei jedem Ausatmen. Zitternd schlang ich mir die Arme um den Oberkörper und bemerke erst jetzt, dass ich nur in T-Shirt und Boxershorts mitten im Winter irgendwo knapp außerhalb von London stand.

Mit heftig bebender Brust sah ich mich um.

Dann faste ich mir ins Gesicht und spürte warum meine Sicht auf einmal so verschwommen wurde, dass ich anhalten musste.

Meine Wangen waren nass von den Tränen die sich unaufhörlich aus meinen Augen stahlen. Es war so kalt, dass sich auf meinen Wangen schon langsam Eis bildete und dadurch fror ich nur noch mehr.

Verzweifelt wischte ich mir über die Augen und sah mir meine Umgebung genauer an.

London, eine Stadt die wie viele Andere niemals wirklich schläft, ihr Nachtleben und der Tumult liegen hinter mir. Und vor mir sah ich eine Backsteinbrücke, dahinter erstreckte sich die gähnende Dunkelheit.

Taumelnd lief ich auf die Brücke zu, deren Mauer mir nur bis zur Hüfte ging und stützte mich dort atemlos und mit gebeugten, zitternden Knien ab.

Ein kleiner Fluss rauschte unter der Brücke hindurch.

An den Ufern war das Wasser angefroren und kleine Eisstücke wurden immer wieder vom Wasser mitgerissen.

Bei dem Gedanken wie kalt das Wasser wohl war, fing ich nur noch mehr an zu zittern.

Ausgelaugt und kraftlos lasse ich meinen Kopf auf meinen Händen liegen, die auf der Mauer ruhen und schließe die Augen.

In mir ist außer meiner Angst nur noch die Leere.

Kein Funken Hoffnung, Freude, Glück oder eine andere Emotion.

Nichts.

Nur die Angst.

Ich wünschte da wäre nur die Leere.

Keine Angst, sondern einfach nur das große Nichts.

Es wäre besser als diese Angst die immer in meinen Gedanken sitzt und mich langsam aber sicher um den Verstand bringt.

Die kalte Luft brannte in meinen Lungen, meine Nase wurde immer kälter und meine Lippen klebten aneinander fest.

Aus der Ferne ertönte Sirenengeheule, aber ich blendete es einfach aus.

Stand einfach nur an dieser Brücke, den Kopf in den Händen vergraben, während die Kälte in mir hoch kroch.

Es war einfach alles so sinnlos.

Wieso hatte ich nicht schon früher die Bremse gezogen und das alles beendet?

Wie konnte ich zulassen, das ich mich irgendwann so fremd in meinem eigenen Körper fühle? Das ich mich selbst verliere?

Wie konnte es sein, dass ich die vergangenen Jahre nur wie durch einen Schleier sehen kann, wenn ich auf sie zurückblicke?

Wieso hat Niemand gesehen was mit uns passierte?

Wieso hat uns Niemand geholfen?

Wieso fühlte ich mich so einsam und leer?
Einsam unter 7 Milliarden Menschen.

Und warum bemerkte ich das erst jetzt?

Das lauter werdende Geräusch der Sirenen riss mich aus meinen Gedanken.

Kraftlos richtete ich mich auf und drehte der Mauer meinen Rücken zu. Meine Scheinwerfer strahlten mir direkt in die Augen, aber dahinter konnte ich das Blaulicht eines Streifenwagens erkennen und das laute Heulen der Sirenen bestätigte mir dies.

Es war einfach zu bunt, zu wechselhaft und zu laut.

Warum musste es um mich herum immer so verdammt laut sein?!

Wieso musste um mich herum immer Chaos und das große Treiben sein?

Jeder Mensch wünscht sich doch irgendwann ein bisschen Ruhe.

Warum war mir das nicht vergönnt, jetzt wo ich es unbedingt brauchte?

Wieso konnte die Welt um mich herum nicht einfach mal schweigen?

Der Polizeiwagen war schon sehr nah und die Sirenen unbeschreiblich laut, so laut das ich glaubte mein Trommelfell würde platzen.

Wieso stellten sie dieses beschissene Ding nicht einfach ab?!

Ich war nicht mehr mein eigener Herr als ich orientierungslos nach hinten stolperte und mir die Ohren zuhielt, in der Hoffnung all das Laute würde endlich verschwinden.

Ich will es nie wieder laut um mich haben, ich will nie wieder im Rampenlicht stehen.

Viel zu viele Zwänge, Regeln, Verbote und Ängste sind damit verbunden.

Ich will das Alles nie wieder fühlen müssen.

Ich will nie wieder singen müssen.

Mein letzter Gedanke bevor mein Scheinwerferlicht und das Blaulicht mit der Schwärze der Nacht verschmelzen ist: Stille, ich will einfach nur noch Ruhe und Stille.

Dann wird alles schwarz und ich spüre nur noch wie ich falle.






Harry Styles - Change my lifeWhere stories live. Discover now