Beatles im Beetle

56 8 0
                                    

Sowohl Jawer als auch ich fanden die Nähe zur Winkelgasse unangenehm.

Wir beide konnten uns noch zu gut an den schrecklichen Einkauf im letzten Jahr erinnern

Oops! This image does not follow our content guidelines. To continue publishing, please remove it or upload a different image.

Wir beide konnten uns noch zu gut an den schrecklichen Einkauf im letzten Jahr erinnern. Die meisten Geschäfte waren verbarrikadiert gewesen oder mit Sicherheitshinweisen des Ministeriums bepflastert. Nur der Laden "Weasleys Zauberhafte Zauberscherze" hatte sich irgendwie halten können. Die Zeit für Scherze war aber mittlerweile mehr als vorbei und ich verspürte nur noch den Drang so schnell es ging weit wegzukommen.
Jawer schien zu wissen wo wir hin wollten.
Als ich ihn fragte zog er einen U-Bahn und einen Zugplan hervor. "Die hab ich schon vor einem Monat besorgt, damit kommen wir schnell aus London raus. Ich weiß nur noch nicht genau wie man sie benutzt."
"Fahrpläne?" Stirnrunzelnd nahm ich ihm die Papiere aus der Hand. "Ja, ich hab die vorhin kurz an diesem Drehteil ausprobiert, musste aber nachher drunter durchklettern, um hierher zu kommen." Ich versuchte ein Lachen zu verkneifen, spürte aber Jawers verwirrten Blick auf mir. "Was ist?"
"Das sind keine Tickets, sondern nur die Pläne. Hiermit kommen wir nirgendwo hin." Gegen Ende wurde meine Stimme trister. 

Wir kamen nicht weg...

In meinem Rucksack war zwar Geld, doch um damit zwei Personen aus London rauszubekommen, war es vermutlich zu wenig. Und wenn nicht, hätten wir danach kein Geld mehr. Wir blieben stehen und sahen uns an.

"Der Fahrende Ritter?"
"Auf keinen Fall."
"Flohpulver?"
"Kein Pulver, kein Kamin."
"Portschlüssel würd ich sagen fallen auch weg und wir haben kein Geld für Bus oder Zug.
Auch ein Taxi kommt nicht-"

Ich stoppte und spürte neue Hoffnung in mir.
"Greenford. Weiter müssen wir nicht!" Beflügelt von meiner genialen Idee wollte ich schon losrennen, doch Jawer hielt mich zurück.
"Wohin?"
"Greenford, der Stadtteil in London Borough of Ealing. Dort hat bis vor ein paar Monaten mein Opa gelebt."
"Er hat gelebt?" Er betonte die Vergangenheitsform. Ich sprach immer schneller: "Ja. Er ist verstorben, aber darum geht es gar nicht. Er hat mir nämlich was vererbt. Wir müssen nur zu der Garage mit seinen Sachen." Jawer musste irgendwie verstanden haben, dass ich wusste was ich tat, denn er ließ meinen Ärmel los und nickte.

"Geh voraus."

Die Garage war noch im selben Zustand wie vor 6 Wochen, als ich zuletzt mit meinen Eltern hier gewesen war. Mein Vater hatte mir unbedingt die Überraschung zeigen wollen, welche er zusammen mit Opa über Jahre vorbereitet hatte.

Ich zog ein Schlüsselbund aus meiner Jacke, welchen ich mit einem mysteriösen Brief zu meinem 16ten Geburtstag bekommen hatte. Damals fand ich das Geschenk ziemlich blöd, vor allem da ich immer noch in Hogwarts gewesen war und mir eigentlich Schokolade gewünscht hatte. Nun war ich wiederum froh.
"Und du kannst damit umgehen?" Jawer hatte ich nicht ganz von der Idee überzeugen können.
"Klar." Können war immerhin was anderes als dürfen. Ich drehte den Schlüssel im Schloss und drückte das Garagentor hoch.

Vor uns stand im leuchtenden Rot ein kleiner Beetle. Der kleine Käfer erstrahlte selbst im trüben Londoner Sonnenschein. Der eigentlich sehr alte Wagen war einmal generalüberholt worden und nun wieder komplett Straßen tauglich. Er war-
"Das ist ein Auto?" Jawer blickte runzelte auf den Wagen vor uns.
Gespielt schockiert sah ich ihn an.
"Wärst du ein Muggeljunge, würdest du dich hüten so über ein solches Prachtstück zu reden." Fast so liebevoll wie mein Vater, fuhr ich mit meiner Hand über die Motorhaube.
"Es wäre als würdest du den 'Komet 140' zum Fegen benutzen."
"140?" Nun wirke Jawer belustigt.
"Ich glaub nicht, dass irgendjemand ihn für was anderes als zum Saubermachen benutzt. Der muss schon mindestens 100 Jahre alt sein." Ich seufzte und schüttelte den Kopf.
"Das ist eine Sache, die du einfach nicht verstehen kannst." Mein Vater hatte den Wagen voller Liebe angesehen, er würde bestimmt ziemlich schockiert sein, wenn er bemerkte, dass er gestohlen worden war. Mit einem zweiten Schlüssel öffnete ich nun den Wagen und überprüfte dann noch schnell den Motor. Sicher war sicher.

Währenddessen hatte Jawer angefangen, die restlichen Sachen meines Großvaters zu betrachten. "Das hab ich schon mehrfach gesehen. Ein Computer, richtig?", fragte er während er ein altes Handy hochhielt. "Fast. Es ist ein Handy. Zum Telefonieren, ähnlich wie Flohpulver."

"May, du musst mir nicht erklären was telefonieren ist. Ich hatte Muggelkunde." Ich lachte leise. "Das Fach ist aber nicht besonders gut, wenn du ein Handy nicht von einem Laptop unterscheiden kannst." Manchmal war es wirklich komisch, was Zaubererkinder wussten und was nicht. Eigentlich hatte ich Glück in der Muggelwelt aufgewachsen zu sein. Ich kannte beide Welten. 

"Sollen wir es mitnehmen? Ich glaube, es könnte praktisch sein." Die Idee war nicht schlecht. "Klar, du musst nur das Aufladekabel finden." Die nächsten Minuten verbrachte ich mit dem Unterbringen unserer Sachen im Wagen -auch Jawer hatte einen großen Rucksack dabei gehabt-, in der zwischenzeit suchte dieser nach dem passenden Kabel. Das Problem war jedoch, dass er nicht nur ein Kabel fand, sondern gleich einen ganzen Haufen. "Wofür in der Welt braucht ihr so viele Stecker?"

Das Auto war endlich bereit und ich drehte mich zu Jawer. Ich brauchte keine drei Sekunden, um das Passende zu finden. "Das auf dem Regalbrett ist das Richtige." Er probierte es aus. Es passte. Ein wenig unzufrieden kam er zum Auto. Leise brummte er: "Zwei Jahre und immer noch nichts gelernt."
"Du klingst ja wie Megan wenn sie von Wahrsagen spricht." Ich hatte heiter klingen wollen, doch der Gedanke an unsere Freundin war nicht so fröhlich wie erwartet und sowohl Jawer als auch ich fielen in Schweigen. Wir setzten uns in den Wagen und ich startete ihn. Der Beetle gab ein lautes Geräusch von sich und startete dann mit ruckelndem Motor.
Jawer klammerte sich an seinen Sitz. "Das ist ziemlich... ungewohnt.", sagte er nervös. "Daran gewöhnst du dich schnell. Keine Sorge mein Vater war ein sehr guter Fahrlehrer." Dass ich keinen Führerschein hatte beschloss ich fürs erste nicht zu erwähnen. Das Fahren hatte mein Vater mir dieses Jahr auf Landstraßen beigebracht. Eine Stadt und vor allem London war nochmal etwas anderes, dem war ich mir bewusst, aber wir hatten keine andere Möglichkeit, als ins kalte Wasser zu springen.
Vorsichtig fuhr ich an, ließ Jawer die Garage wieder schließen und wir begaben uns auf die noch recht leeren Straßen. Das Gangschalten klappte am Anfang noch nicht perfekt, aber nach ein paar Straßen ging es schließlich.

"Echt... nette Art zu reisen." Jawer war leicht grün im Gesicht. Ich mochte mir gar nicht vorstellen, wie es ihm im fahrenden Ritter ergangen wäre. Es dauerte eine Weile, aber schließlich ließen wir London und den Regen hinter uns.
"Die kenn ich. Das sind CD's."
Jawer wirkte so glücklich, als er zwei Kassetten im Handschuhfach fand, dass ich mich nicht traute ihm die Wahrheit zu sagen.
"Was steht drauf?", fragte ich neugierig und in der Hoffnung etwas Ablenkung zu bekommen.
"'The Beatles - Help' und nochmal 'The Beatles' mit 'Revolver'." Er sprach den Bandnamen sehr fremdartig aus:

Be at les

"Manchmal könnte man um euch Reinblüter weinen. So unkultiviert und ahnungslos.", zog ich ihn auf. "Sagt das Mädchen, was mich bei seinem ersten Quidditch-Spiel gefragt hat, ob das Gefangen werden, dem goldenen Schnatz nicht wehtun würde.", versuchte er mich zu necken, doch ich legte nur meine Stirn in Falten.
"Das war doch Eve, oder?"
Evelyn war ebenso wie Jawer in Hufflepuff und wohl mit der sanfteste Mensch den ich kannte. Nur halt ein wenig Langweilig.

Jawers Antwort klang steif:
"Kann sein."

Ich warf ihm einen kurzen Blick zu. Es musste hart für ihn sein von ihr getrennt zu sein. Soweit ich es beurteilen konnte, waren sie sich das letzte Jahr sehr nah gekommen und eigentlich hatte ich erwartet, dass sie nach den Ferien zusammen kommen würden. Es gab einfach Menschen, die füreinander geschaffen waren. 

"Schieb 'Help!' ein. Die mag ich lieber."

Das Beatles vielleicht nicht die beste Musikwahl war, fiel mir erst ein, als die Kassette bereits leise knisterte und schließlich sanftes Gitarrengeklimper anfing.

Yesterday, all my troubles seemed so far away

Now it looks as though they're here to stay

Oh, I believe in yesterday

Oh ja, das tat ich.   


Muggel MagieWhere stories live. Discover now