11 - Liabilities

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Immer die Wahrheit zu sagen bringt einem wahrscheinlich nicht viele Freunde, aber dafür die Richtigen.

~ John Lennon
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Nachdem Sophia plötzlich aufgelegte, schaffte ich es nicht mehr meine Gedanken zu ordnen. Ich hatte noch so viele Fragen und zu wenig Antworten um einen klaren Entschluss fassen zu können. Ich hatte das Gefühl in meinem Kopf herrschte ein wirres Durcheinander zu dem ein wichtiges Puzzleteil fehlte, damit es ein richtiges Bild ergab. Aber ich konnte auch nicht länger darüber nachdenken, denn mein Kopf schmerzte bereits.

Erschöpft warf ich mein Handy hinter mir auf meine Kissen und mein Kopf folgte sogleich. Ich war plötzlich so unglaublich müde. Der Tag war anstrengend gewesen. So viel Neues, was ich erst einmal verdauen musste.

Ich dachte dieser Umzug würde alles einfacher machen. Keine Komplikationen, keine Probleme.  Ich müsste mir keine Gedanken mehr darüber machen in der Schule gut mitzukommen, oder mich fragen, wie ich es schaffte mich in einem neuen Land zurechtzufinden. Ich dachte echt, das alles läge nun hinter mir. Und irgendwie tat es das auch, aber dafür waren jetzt neue Probleme aufgetaucht mit denen ich klar kommen musste. Es wäre wohl besser, wenn ich einfach das tat, was man mir sagte. Wenn Ryan Probleme machte, hielt ich ihn auf Abstand. Das war der einfachste Weg, oder nicht?

Obwohl ich mich weder umgezogen noch zu Abend gegessen hatte, schlief ich nach wenigen Minuten schon ganz automatisch ein. Ein Angewohnheit von mir. Wenn ich an Schlaf dachte, schlief ich auch gleich ein.

Allerdings war das wohl die schlimmste Nacht, der letzten Wochen.

~~~

Nachdem ich am nächsten Morgen viel zu übermüdet aufwachte wurde mir bewusst, dass ich eigentlich mehr als zehn Stunden geschlafen hatte. Wenn man das überhaupt Schlaf und nicht komisches Rumgewälze nennen konnte, denn ich war trotzdem totmüde.

Träge tigerte ich in das Badezimmer um mich fertig zu machen. Haare kämmen, Zähne putzen und Maskara auftragen. Und weil dieser Tag bereits nach einem Blick in den Spiegel verriet, dass es ein fauler Tag werden würde, zog ich mir einen weiten dunkelblauen Hoodie an, der alles andere als cool und modern war.

Leider waren meine Eltern nicht zu Hause, sie fuhren seit neustem immer vor mir zur Arbeit, deshalb musste ich den dämlichen Bus nehmen.

Ich konnte mich nicht mehr errinern wie viele Leute den selben Schulweg mit mir teilten, aber im Endeffekt war das auch egal, denn Starren im Bus war schwieriger, als man denkt. Ich war froh, dass das Starren in der Schule weniger geworden war. Allem Anschein nach gewöhnte man sich an mich, wie ich es auch nicht anders erwartet hätte. Sojemand wie ich war nur ein paar Tage interessant und dann nicht mehr. Und darüber war ich auch heilfroh.

Im Bus suchte ich mir einen freien Platz und hörte die ganze Fahrt über Musik. Teilweise auch auf brasilianisch und anderen Sprachen. Eine Lehrerin hatte mich mal gefragt wie viele Sprachen ich denn Sprechen konnte, worauf ich erst einmal Lachen musste. Grob konnte ich bestimmt mehr als fünf, aber am besten nur Englisch. Mein Aufenthalt war immer zu kurz, um die Sprache richtig zu lernen, für ein Gespräch reichte es jedoch auf alle Fälle.

Wenn man schon viel von der Welt gesehen hatte, dann erschien die Erde einem gar nicht mehr so groß. Natürlich gab es noch viele Orte, die ich nicht gesehen hatte, wie zum Beispiel Russland oder China, aber dennoch war es irgendwie ein anderes Gefühl, als vorher.

Ich konnte mich noch gut an das erst Jahr im Ausland erinnern. Ich war super aufgeregt gewesen und konnte mich überhaupt nicht richtig orientieren. Und kaum hatte man sich eingelebt, zog ich wieder um. Manchmal verfluchte ich Dads Job, dass wir jedes Mal umzogen, wenn er einen neuen Auftrag bekam, doch ein anderes Mal war ich wieder verdammt stolz. Seine Fotografien wurden in vielen bekannten Katalogen und Kalendern verwendet, sodass ich mir sie nicht einmal alle kaufen konnte. Weil es einfach zu viele waren.

R.J.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt