1. Aus

453 17 0
                                    

Das hier ist eine Art Fortsetzung zu "Lass es uns einfach probieren", nicht ganz so flauschig wie die bereites bekannten Texte, aber trotzdem mit Happy End. Es ist dieses Mal eine zusammenhängende Kurzgeschichte aus mehreren nicht ganz so langen Kapiteln.

~~

Das erste Mal, dass sich das Saltatio Mortis Pärchen Alea und Luzi so richtig verkrachte, war an dem Tag, an dem Luzi seinen Freund auf frischer Tat ertappte. Er war gerade vom nahgelegenen Bäcker zu ihrer gemeinsamen Wohnung zurückgelaufen, als er in einem verglasten Wintergarten den roten Schopf seines Geliebten ausgemachte. Es war normalerweise nicht seine Art, in fremde Häuser zu starren, auch wenn es oft einladend war – manche Menschen hielten Vorhänge für überflüssig, vor Allem in dieser kleinen Vorstadt von Karlsruhe. Doch er hatte seinen Blick schweifen gelassen und mit einem warmen Gefühl im Bauch an seinen Sänger gedacht, sodass er im ersten Moment geglaubt hatte, er bilde ihn sich dort hinter dem Glas ein. Schlagartig war er dann jedoch stehen geblieben und hatte mit offenem Mund auf die Szene, die sich dort bot, gestarrt. Es war eindeutig Alea gewesen, der hinter diesen Fenstern gerade eine Frau küsste. Nicht so eben freundschaftlich auf die Wange, wie er es manchmal von ihm gewohnt war und wie es seine Art war, sondern so richtig echt. Ihm wurde schlecht. Tausende Gedanken wirbelten durch seinen Kopf, er konnte es einfach nicht fassen. Abgesehen davon, dass er da gerade offensichtlich hintergegangen worden war, war er von seinem Freund auch noch angelogen worden. ‚Ich gehe nur mal eben zum Sport, hatte mich mit einem Kumpel verabredet, wir wollten zusammen trainieren'... Luzi musste hart schlucken, als er an diese Lüge dachte. Er hätte ihm ja wenigstens sagen können, dass er zu einer Freundin, oder was auch immer die für ihn war, ging. Niemals hätte der Kleinere in Betracht gezogen, dass sein Lieblingsmensch mit einer weiblichen Person eine Affäre am Laufen hatte. Doch das Bild, welches sich ihm einige Meter entfernt zeigte, zeugte vom Gegenteil. Bis jetzt hatte er auch nicht so wirklich den Eindruck gehabt, dass Alea mit ihm nicht ausgelastet war. Zumindest fiel ihm spontan keine andere Erklärung dafür ein. Doch, wenn er darüber nachdachte, war es schon auffälliger geworden, dass sich sein Freund in letzter Zeit beim Sex vermehrt aktiv, den männlichen Part, gegeben hatte, obwohl sie am Anfang ihrer Beziehung immer mal wieder die Rollen getauscht hatten. Ob er da nur neugierig gewesen war, wie es sich anfühlte und jetzt festgestellt hatte, dass er doch lieber eine Frau an seiner Seite haben wollte? Dann fiel ihm das nach den über zwei Jahren aber echt früh ein. So ein Idiot.

Missmutig kramte Luzi nach dem Handy in seiner Hosentasche, schloss seine Kopfhörer an und drehte die Musik in seinen Ohren so laut, dass sie ihm kaum eine Chance gab, seine Gedanken zu hören, die ihn dennoch trotzdem regelrecht anschrien. Sie wollten gehört werden, wollten endlich aus der Ecke heraus, in der Luzi sie seit dem Beginn ihrer Beziehung gedrängt hatte. Und irgendwie war er schwer enttäuscht davon, dass er seinem, damals noch gutem Kumpel, so leicht vertraut hatte. Noch nie vorher war dieser mit einem Mann zusammen gewesen, zumindest nicht, soweit er das in Erinnerung hatte. Warum sollte er, als erster Mann, also das Glück haben, mit ihm zusammen zu sein? Alea hatte dem doch bestimmt nur zugestimmt, weil er keinen guten Freund verlieren wollte...

Daheim angekommen, pfefferte er die frisch gekauften Brötchen auf den Tisch, schmiss sich selbst wütend auf das Sofa und wollte gerade den Fernseher anmachen, um sich irgendwie abzulenken, als sein Handy eine neue Nachricht ankündigte. Es war Frank, der Bassist ihrer Band, der in die gemeinsame Whatsapp Gruppe eine freundliche Erinnerung geschickt hatte, dass doch heute eine kurze Probe für den Auftritt am Wochenende sei und sie doch bitte alle pünktlich erscheinen sollen. Angesetzt war der Termin auf 15 Uhr. Einen kurzen Blick auf die Uhr ergab, dass das schon seit fast einer halben Stunde vorbei war. „Scheiße!", fluchte Luzi gestresst, schnappte sich den Autoschlüssel und brauste kurz darauf in seinem Auto davon. Eigentlich hätte der Sänger mit ihm fahren sollen, doch der sollte ruhig das Fahrrad nehmen. So weit war es ja auch nicht. Es war ihm total egal, was der jetzt machte. Er war so wütend auf ihn, dass er aggressiver fuhr als sonst. Ihm war klar, dass er so in seinem aktuellen, emotionalen Zustand eigentlich nicht hinter dem Steuer sitzen sollte und dass seine Unfallgefahr dadurch erheblich anstieg. Doch auch das war ihm im Moment gleichgültig. Er spürte nur die unbändige Wut, die Enttäuschung und die Trauer in seiner Brust wie ein Tier mit Krallen, das sich an seinem Inneren festkrallte und ihm langsam das Herz herausriss.

"Vergib mir"Where stories live. Discover now