3. Gebaut

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Nur du treibst die Geister in mir aus
Dein Blick verbrennt das Dunkle in mir
Denn du bist mein Seelenspiegel
Ich gehöre für immer dir.

Alea erinnerte sich noch gut an diese Nacht, in der Lasterbalk ihnen diesen Song geschrieben hatte. Er hatte ihm niemals erzählt, was er damals geträumt hatte. Alle waren davon ausgegangen, dass er Luzi gesehen hatte, wie er getötet oder gefoltert wurde. Ein klassischer Albtraum eben. Doch dem war nicht so gewesen. Es war viel schlimmer. Als hätte er alles vorhergesehen.

Wie ein verängstigtes Kind hatte sein Freund in einer Ecke gekauert. Schwarze Wände waren um ihn herum gewesen und schienen ihn erdrücken zu wollen. Alea hatte zugesehen. Beinahe tatenlos. Er konnte sich nicht bewegen, aber hatte auch nicht den Willen dazu gehabt. „Verlass mich nicht", hatte Luzi gefleht. Er konnte nicht anders, er hatte sich von ihm abgewandt, sein verzweifeltes Gesicht nicht mehr sehen können. Er hörte seine Schreie als er sich von ihm entfernte. Schritt für Schritt. Als er sich nach einigen Metern umdrehte, war da nicht mehr Luzi gewesen. Sein Körper hatte sich in den einer Frau verwandelt. Keine Bestimmte, vermutlich ein Model von einem Werbeplakat, welches ihm unbewusst in den Sinn gekommen waren. Lange blonde Haare fielen an ihrer Seite herunter und sie hatte ihn angelächelt. Dann hatte sie den schlanken Arm ausgestreckt, ihn zu sich gewinkt. Er war versucht gewesen, doch er wollte nicht. Ihm gegenüber erschien wieder das Gesicht von Luzi, sein bester Freund, seine Liebe. Er liebte ihn irgendwie, da war er sich sicher. Und er war sich auch sicher, dass diese Liebe weit mehr als eine intensive Freundschaft war. Luzi war für ihn wie ein Seelenverwandter, an den er sich stundenlang ankuscheln konnte. Der kleine Mann gab ihm mehr als eine Frau ihm jemals geben konnte und doch sah er da diese blonde Schönheit hinter sich, die ihn verführerisch anlächelte.

Er durfte nicht! Er durfte diesem Verlangen in sich nicht nachgeben! Mit fester Entschlossenheit hatte er sich umgedreht und war auf das Gesicht des Mannes zugerannt. Was lief in ihm eigentlich falsch? Konnte er nicht einfach sorglos Luzi lieben? Warum war das so kompliziert? Warum war er so kompliziert? Er war knapp davor gewesen, im Traum den Körper seines Freundes zu erreichen, er wollte ihn in die Arme schließen, aber er hatte sich in Luft aufgelöst. „Du hast mich bereits verloren", hatte er noch geflüstert, da war Alea dann zum Glück aufgewacht. Er hatte furchtbare Angst vor der Einsamkeit seit er damals allein gelassen wurde und es drohte wieder zu passieren, wenn er sich nicht unter Kontrolle hatte.

Sie schwiegen sich im Auto an. Luzi, weil er der Meinung war, dass es an dem Sänger lag, das Wort zu ergreifen und Alea, weil der mit sich selbst zu kämpfen hatte. Selbst als sie angekommen waren, hatte sich an dieser Situation nichts geändert. Der Kleinere ging vor, räumte die leeren Pizzaschachteln weg und öffnete das Fenster, um die abgestandene Luft, die nach Rauch und Essen roch, zu vertreiben. Er wusste, dass der Andere diesen Geruch nicht leiden konnte. Dieser war unschlüssig im Eingangsbereich der Wohnung stehengeblieben, er fühlte sich auf einmal fremd hier.
„Was ist?", wurde er plötzlich sanft aus seiner Starre gerissen.
Verwirrt über dieses Empfinden über das Gefühl des fehl am Platze zu sein, schüttelte er den Kopf und murmelte: „Nichts".

Sein Freund seufzte. „Hör auf mir auszuweichen und rede mit mir. Ich bin bereit dir zuzuhören. Aber bitte, schau mich nicht an, als ob ich dich verachten würde".
Alea schluckte einen Kloß im Hals hinunter und schlang seine Arme um den Körper des Anderen, vergrub sein Gesicht in der Kuhle zwischen Schulter und Hals. Diese Tat war mehr Reflex als Bewusst, ein Zeichen, dass er ihm nicht auswich und ihn brauchte. Der Umarmte bugsierte sie vorsichtig auf das Sofa im Wohnzimmer, setzte ihn dort hin und nahm neben ihm Platz, drehte sich aber in seine Richtung, sodass er ihn ansehen konnte.
„Ich verachte dich deshalb nicht, weißt du", begann er das Gespräch, als der Sänger weiterhin schwieg. Alea starrte zu Boden. Luzi hatte allen Grund dazu und tat es doch nicht. Vielleicht wäre es für ihn einfacher, wenn er doch verachtet wurde. Dann konnten sie sich streiten, schreien und sich hassen. Und vielleicht wäre es so einfacher. Sie würden einander in Ruhe lassen und sich nie wieder sehen.
„Warum nicht?", fragte er schließlich.
„Weil ich dich kenne. Und du würdest nicht hier sitzen wie ein geprügelter Hund, wenn es dir nicht leid tun würde. Aber ich verstehe immer noch nicht warum... Reiche ich dir nicht aus?" Entsetzt schnappte der Andere nach Luft. Genau das war es eben nicht und das durfte sein Freund nicht glauben.
„Nein! Bitte... Ich bin noch nicht bereit, dir das zu erzählen", bat er brüchig.
Verwundert hob Luzi die Augenbrauen. „Was erzählen?"

"Vergib mir"Where stories live. Discover now