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~POV Tim~

Meine Eltern haben mir als Kind immer wieder gesagt, dass Obdachlose selbst Schuld an ihrer Situation haben. Sie hätten schließlich auch was aus ihrem Leben machen können. Wir sollten ihnen kein Geld geben, das würden sie nur für Drogen oder Alkohol ausgeben. Aber das glaube ich nicht. Niemand will freiwillig auf der Straße leben und es gibt viele Möglichkeiten, warum solche Leute auf der Straße leben müssen. Wir haben doch genug Geld und wenn ich ihnen mal etwas abgebe, bringt das schon keinen um. Es hilft nur. Aber das kann ich meinen Eltern nicht erklären. Sie verfolgen ein bestimmtes Ziel. Wenn ich soweit bin, soll ich die Firma übernehmen. Und wenn ich achtzehn bin so schnell wie möglich heiraten. Dann eine Familie gründen und meine Kinder sollen dann genau das gleiche machen wie ich und die Firma übernehmen. Meine Eltern bestimmen also über mein Leben. Und da ich sie glücklich machen will, mache ich einfach das was sie wollen. Nach dem Essen ging ich nach oben in mein Zimmer, schaltete den Fernseher an und schaute mir eine Serie an. Irgendwann klopfte es an der Tür. "Ja?" Lina trat rein und setzte sich zu mir. "Mir ist langweilig." "Seit wann klopfst du denn an?", lachte ich. "Ich wollte dich halt nicht stören." Klar. Wer es glaubt. Sie nahm meine Bettdecke und schaute mit mir die Sendung. Nach einer Stunde hörte ich nichts mehr von ihr, weswegen ich neben mich schaute. Lina war eingeschlafen. Es war 00:36. Ich schaltete den Fernseher aus und legte mich zu ihr. Gut, dass mein Bett so groß war. Es dauerte nicht lange, bis auch ich eingeschlafen war.

"Boah Tim!", holte mich Lina aus meinem Schlaf. "Was?", sagte ich verschlafen und setzte mich auf. Ich schaute neben mich, konnte aber niemanden im Bett sehen. Erst als ich nach unten schaute, sah ich Lina auf dem Boden liegen. "Das ist nett gemeint. Aber mein Bett ist groß genug für uns beide. Du musst nicht auf dem Boden schlafen.", sagte ich und versuchte mir ein Lachen zu unterdrücken. "Ha ha. Witzig. Du hast mich runter geschmissen!" Jetzt musste ich lachen. "Dann musst du nicht bei mir einschlafen." "Du hättest mich ja auch in mein Zimmer tragen können." "Vergiss es! Wir sind schließlich nicht zusammen. Und auch dann würde ich es nicht tun. Du bist zu fett.", lachte ich weiter. "Du bist hier der Fettsack.", sagte sie und schlug mir mit ihrer Faust gegen die Schulter. "Das sind Muskeln." "Ausrede.", lachte Lina und stand auf. "Kommst du mit frühstücken?", fragte sie mich. Ich nickte und ging mit ihr nach unten ins Esszimmer, wo unsere Eltern bereits saßen. "Guten Morgen.", begrüßten sie uns. "Morgen.", sagte ich. "Der Morgen ist nicht gut.", sagte Lina und setzte sich. "Was ist passiert?", fragte ihre Mutter die Silke hieß. "Tim hat mich aus dem Bett geschmissen." "Dann musst du nicht bei mir einschlafen." "Ihr würdet doch ein gutes Paar abgeben.", meinte meine Mutter und bekam die Zustimmung von Silke. "Nein!", sagten wir gleichzeitig. "Wir sind beste Freunde und werden niemals eine Beziehung zusammen eingehen.", erklärte ich. "Beste Freunde Kodex.", fügte Lina hinzu. Unsere Eltern beließen es dabei und sagten nichts weiter dazu. "Timi? Kannst du mal mitkommen?", fragte Lina mich nach dem Essen. "Wenn du mich nicht Timi nennst. Vielleicht." "Gut. Tim, könntest du mal mitkommen?" "Klar.", lachte ich und folgte ihr in ihr Zimmer. "Hilfst du mir bei meinem Referat?" "Was hast du denn für ein Thema?" "Erster Weltkrieg. Bitte. Ich muss das morgen abgeben." "Morgen? Hast du schon angefangen?" Sie schüttelte mit dem Kopf. Das war ja typisch. "Na schön. Ich helfe dir." Ich setzte mich an ihren PC und zusammen fingen wir an ein paar Infos rauszusuchen und aufzuschreiben. Danach druckten wir noch ein paar Bilder aus und schon waren wir fertig. Das hat ja auch nur den ganzen Tag gedauert. Wieso musste ein Referat auch fünfzehn Minuten gehen. Das war viel zu lang. "Danke.", sagte Lina und umarmte mich. "Immer wieder gerne. Aber dafür hab ich was gut bei dir." "Jaja. Ich geb dir eine Pizza aus.", lachte sie, setzte sich auf ihr Bett und schaltete eine Serie an. Es war wohl irgendein Anime. Ich setzte mich neben sie und fragte: "Was ist das?" "Ein Yaoi." Ich schaute sie fragend an. "Ein was?" "Yaoi. Kennst du das nicht?" Ich schüttelte den Kopf. "Boys Love.", stöhnte sie genervt. "Tut mir leid, dass ich gefragt hab. Das ist also eine Serie über zwei Jungs? Die sich lieben?" "Richtig. Das ist voll süß." "Aber deine Eltern wissen das nicht, oder?" "Hallo? Natürlich nicht! Die würden mir meinen Fernseher wegnehmen." Ja, unsere Eltern waren Homophob. Schlimm genug, dass sie Obdachlose und ärmere Leute wie Dreck behandeln. Ich blieb noch bei ihr und beschäftigte mich mit meinem Handy. Dabei schaute immer wieder mal kurz auf diese Serie. Die Story war gar nicht so schlecht. Aber mit dem anderen konnte ich nichts anfangen. Vielleicht würde ich Lina verstehen, wenn ich schwul wäre. Aber da ich das nicht war, wusste ich auch nicht, was daran so süß sein sollte. "Och Timi. Kannst du nicht auch schwul sein?" "Äh... Ne.", lachte ich. "Aber das wäre voll süß. Und dann habe ich endlich einen schwulen besten Freund." "Du hast einen hetero besten Freund. Damit musst du dich jetzt zufrieden geben. Man kann nicht alles haben." Sie seufzte nur und schaute weiter. "Ich geh dann. Wir sehen uns morgen." "Ja bis morgen." Ich ging in den Sportraum und lief fast eine Stunde auf dem Laufband. Ja, wir hatten einen Sportraum. Der aber meistens nur von mir benutzt wird. Ab und an mal von Lina. Aber ich war fast jeden Tag hier. Erschöpft und verschwitzt sprang ich schnell unter die Dusche und danach ins Bett. Das Gute war, dass ich ein eigenes Badezimmer hatte, genau wie Lina. Nur hatte Lina auch noch einen begehbaren Kleiderschrank, welcher voller Kleider war. Mir reichte ein einfacher Schrank. Denn wenn ich Klamotten brauchte, bestellte ich sie mir aus dem Internet. Ich las nochmal kurz meine Nachrichten durch, ging noch auf Twitter und Instagram und ging danach schlafen.

Zwischen Arm und ReichWhere stories live. Discover now