~Neuanfang~

405 11 0
                                    

Ich brauchte definitiv einen Neuanfang. Über meine Trauerphase war ich schon lange weg. Die war sowieso hinfällig gewesen. Mein Ex hatte zum Glück Schluss gemacht. Inzwischen bereute ich, dass ich nicht schneller gewesen war. Doch das war schon ewig her und der neue Typ wollte einfach nicht kommen. Folglich bekam ich keinen Neuanfang, egal ob ich ihn jetzt wollte oder nicht. Und ich versichere euch: Ich wollte ihn definitiv.

Doch all das änderte nichts an meiner miserablen Lage. Ich hatte keine Begleitung, die mit mir zu dem Clueso-Konzert gehen würde. Nicht mal eine Freundin war übrig gewesen, immerhin war Valentinstag. Tja, so war es halt, wenn man in einer relativ großen Truppe der einzige Single war.

Ich hatte mich schon angezogen. Eine Jeans, ein schickes T-Shirt und ein bisschen natürliche Schminke. Von allem ein bisschen mehr als ich es normalerweise trug, aber immerhin war es ein Konzert. Ich würde gesehen werden und hoffentlich Spaß haben. Obwohl ich alleine war, war es dennoch Musik und alle Leute um mich herum würden gut gelaunt sein, also sprach nichts gegen einen tollen Abend in dem Erfurter Stadtgarten.

Ich wusste nicht, weshalb meine Schwester genau eine Karte gekauft hatte. Sie hatte einen Freund, weshalb waren nicht zwei übrig gewesen? Und jetzt war sie krank und ich war von ihr überzeugt worden, die Karte abzukaufen. Anstatt dass sie sie mir schenkte. Frechheit. Bestimmt wäre irgendjemand mitgekommen, wenn ich noch eine Karte hätte. Irgendjemand, den ich nur vom Sehen kannte oder so.

Um ehrlich zu sein hatte ich schon Respekt davor, ganz allein zwischen miteinander redenden Menschen zu stehen, die mich ansahen und sich nach einer Weile denken würden, was ich für ein freundloses Opfer wäre. Vermutlich hatte ich davor zu viel Respekt. So schlimm konnte es ja nicht sein.

Als es so weit war, fuhr ich in Richtung Stadtgarten. Spontan beschloss ich, etwas Alkohol mitzunehmen, aber natürlich war ich nicht dumm. Ich würde, wenn ich total besoffen wäre, ja nicht mal reingelassen werden. Deshalb nahm ich nur einen viertel Liter Bier mit. So gut wie nichts. Und vielleicht würde mich das etwas lockerer machen.

Während der Fahrt hörte ich mir ein paar Lieder von Clueso an, die mir meine Schwester spontan überspielt hatte. So konnte ich mich darauf einstellen, was mich erwarten würde. Als es nach gefühlten Stunden endlich soweit war, stieg ich an der Haltestelle "Alte Oper" aus. Von hier war es nicht mehr weit. Ich würde leider zu pünktlich kommen. Wie nervig... Es wäre gefühlt noch niemand da, und das nur, weil die Busse zu so unnötigen Zeiten fuhren. Aber was wollte man machen.

Viel zu früh erreichte ich also mein Ziel. Ich hatte nichts zu tun und wollte auch nicht wirklich in der ersten Reihe stehen, weshalb ich mich ein bisschen umsah. Ich lief um den Block und suchte eine Bank, eine zum Hinsetzen. Ich würde lange genug stehen. Leider fand ich keine, aber die Alternative war auch annehmbar. Eine Betonwand, die nicht allzu hoch war.

Ich setze mich hin und kuschelte mich ein bisschen in meine Jacke und meinen Schal. Es war kälter als ich gedacht hatte. Februar war nicht mein Lieblingsmonat. Zum Glück war er sehr kurz.

Irgendwann, es war noch nicht viel Zeit vergangen, holte ich mein Bier raus. Ich hatte genug Zeit und außerdem war ich auch wirklich durstig. Dass mir dadurch noch kälter werden würde, war mir egal. Wenn es soweit wäre, würde ich schon rumhüpfen. Hoffentlich. Ich schaute auf die Uhr. Das war gerade meine Hauptbeschäftigung. Zehn Minuten vor Anfang würde ich mich auf den Weg machen. Doch bis dahin hatte ich noch genug Zeit.

Nach einer Weile hörte ich eine quietschende Tür und dieses Geräusch hatte es in sich. Sie quietschte nämlich nicht nur ein bisschen. Ich drehte mich um, um zu erkennen, wo die Person, die vermutlich rauskommen würde, herkam. Sonst hatte ich ja nichts zu tun, außer auf die Uhr zu schauen und ein bisschen Bier zu trinken.

Wen ich da sah, überraschte mich nicht wirklich. Ich kannte diesen Mann nämlich nicht. Kein Wunder, immerhin kam ich ja nur aus dem Landkreis. Also wollte ich mich gerade wieder umdrehen und auf die Uhr sehen, als sich der Blick des Mannes mir zuwandte. Er sah so aus, als wollte er alleine sein und durchatmen. Tja, Pech gehabt. Schließlich wandte ich mich also ab, wie es schon mein Plan gewesen war. Vielleicht hätte er dann das Gefühl, dass er tatsächlich alleine wäre.

Aber dieser Mann, der, wie mir dann auffiel, keine vierzig war, überraschte mich. Denn er kam auf mich zu. Ich war doch nicht auf seinem Grundstück, oder? Das wäre peinlich. Eine Frau, die aussieht, als würde sie sich betrinken und Hausfriedensbruch begeht.

Also ignorierte ich ihn in der Hoffnung, dass er an mir vorbeigehen wollte. Ich meine, die Wahrscheinlichkeit, dass irgendein Wildfremder eine Bier trinkende Frau ansprach –nebenbei war das Bier inzwischen fast leer-, war ziemlich gering. Nochmals sah ich auf die Uhr. Puh, noch eine viertel Stunde. Vielleicht hätte ich später losfahren sollen.



Concert of my lifeWhere stories live. Discover now