~Lass den Kopf nicht hängen~

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Ein Räuspern schreckte mich aus meinen Gedanken. Quer hinter mir stand dieser Mann. Glücklicherweise sah er nicht sauer aus. ,,Grüß Gott", sagte ich ziemlich einfallslos. Andererseits wollte ich auch nicht zu einladend wirken. Ich war ja keine Prostituierte, die in einer Seitengasse auf irgendeinen Mann wartete.

,,Hallo", antwortete er. Dann sprach er weiter. Sonst wäre eine von diesen blöden Stillen entstanden, in denen niemand wusste, was er sagen sollte. ,,Was machen Sie abends hier ganz alleine?" Er sah auf mein Bier und hatte die Stirn leicht gerunzelt. Er wollte nicht wissen, was ich hier machte. Wahrscheinlich konnte er sich das auch so schon denken. Doch von dem Konzert wusste er wahrscheinlich nicht.

,,In einer knappen viertel Stunde gehe ich zu einem Konzert hier um die Ecke. Ich bin nur zu früh gekommen." Komischerweise sah der Gesichtsausdruck des Mannes so aus, als würde er mir glauben. ,,Alkohol ist da aber nicht erlaubt."

Als hätte ich das nicht selbst gewusst. Weil ich nicht wirklich etwas sagen wollte – ich kannte den Mann immerhin nicht -, musterte ich ihn unauffällig. Oder ich versuchte es zumindest. So schlecht sah er echt nicht aus. Er könnte sogar meine Zielgruppe sein. Tatsächlich schien er noch ein bisschen jünger sein als ich es anfangs vermutet hatte.

,,Wie heißen Sie?", fragte er mich. Erst wollte ich nicht antworten, weil mir das eine zu private Frage war, doch tatsächlich gab es hunderte von Menschen, die auch so hießen. Deshalb sagte ich schlicht und einfach, also auch ohne Nachnamen: ,,Lina."

Wahrscheinlich dachte er dass ich komplett Probleme hatte. Ich hatte ihm bisher ja nur Gründe dafür geliefert. Weshalb war ich überhaupt so deprimiert? Eigentlich war dieser Abend bisher doch nicht schlecht gewesen! Ich musste diesen Mann schleunigst davon überzeugen, dass ich mich nicht nach dem „Konzert" von der Brücke stürzen würde oder so.

Ich begann zu erklären: ,,Also eigentlich hab ich echt Lust auf das Konzert. Ich habe die Karte meiner Schwester abgekauft und die Lieder von Clueso sind ja wirklich nicht schlecht, obwohl ich jetzt auch nicht sooo viele kenne. Um ehrlich zu sein habe ich erst heute angefangen, mich ein bisschen über diesen Sänger schlau zu machen. Aber ich sehe ihn ja eh nie wieder außer heute Abend."

Das kurze Leuchten in den Augen des Mannes hatte ich mir bestimmt nur eingebildet. Er unterbrach mich: ,,Und weshalb ist Ihre Laune dann ziemlich nah am Meeresspiegel?"

So konnte man es natürlich auch ausdrücken. ,,Nun ja, heute ist Valentinstag und ich bin hier völlig alleine." Der Mann runzelte die Stirn. Weshalb hatte ich ihn eigentlich noch nicht nach seinem Namen gefragt?

,,Ich bin also niemand?" Die Frage hätte verletzt oder abweisend wirken können, aber man hörte deutlich den scherzhaften Unterton. Dann sagte er leise: ,,Nur wenn du jetzt aufstehst holst du dich wieder ein." Das kam mir seltsam bekannt vor, aber nun ja, wahrscheinlich war das ein Sprichwort.

,,Wie ist eigentlich Ihr Name?", wechselte ich ziemlich abrupt das Thema. Der Mann schien zu zögern, wie ich es auch getan hatte, antwortete dann aber: ,,Thomas." Das war kein wirklich besonderer Name, aber er war auch irgendwie schön. Sonst würden nicht so viele Männer so heißen.

Dann fiel mir etwas auf: ,,Oh, Clueso heißt ja auch Thomas. Gehen Sie auch auf das Konzert von ihm?" Er zögerte –warum tat er das so oft?- und bejahte dann meine Frage. Apropos, ich sah auf die Uhr. Die Zeit war schneller vergangen als ich gedacht hatte. ,,Ich glaube ich muss jetzt los. Sie können ja mitgehen, wenn Sie wollen."

Thomas ließ sich erneut Zeit mit seiner Antwort. ,,Ich warte noch ein bisschen hier. Vielleicht sehen wir uns ja dann." Als ich schon gehen wollte, fragte er mich noch: ,,Wollen wir uns wiedertreffen?" Mir blieb wortwörtlich die Spucke weg. Doch was sprach dagegen? Er war mir wirklich sehr sympathisch, also gab ich ihm meine Handynummer. ,,Heute nach dem Konzert?" ,,Heute nach dem Konzert."

Als ich ging, blickte ich mich nicht um. Ich würde ihn ja heute noch mal wiedersehen. Thomas.

Concert of my lifeWhere stories live. Discover now