Kapitel 3

321 21 0
                                    

Ach du heilige Hühnersuppe! Ich muss irre gewesen sein. Hätte mir vielleicht jemand vorher verraten können, dass ich es mit berühmten Personen zu tun haben würde? Nein? Toll!

Ich schlucke, nehme die Kopfhörer aus den Ohren und beobachte wie die Jungs sich aus der großen Gruppe bewegen und suchend durch die Halle blicken. Der mit dem Schild schüttelt ein Mädchen von seinem Arm ab. Ich versuche möglichst unauffällig zu wirken. Also tue ich wie ein Groupie, rücke näher an die Gruppe und schieße ein paar Alibibilder. Ein Mädchen mit wasserstoffblonden Haaren schreit mir in mein Ohr. Ich glaube ich habe einen Tinnitus.


"Wie sieht die Kleine noch gleich aus?", sagt ein großen Kerl, der so wirkt, als würde er täglich Stunden mit dem Styling seiner blonden Haare verbringen. Er ist ziemlich groß und schafft es locker über die Menge zu schauen.


"Ich glaube, sie ist extrem winzig, trägt eine große Brille und hat rotblonde Haare", sagt der mit dem Schild. "Ach und die Haarspitzen sind violett." Oh nein. Ich sehe schon wie der blonde - ich habe ihn Goldlöckchen getauft - jedes Mädchen im Umkreis von 10m scannt. Ich husche in die hintere Reihe, bleibe aber so nah, dass ich sie noch verstehen kann. Zügig rupfe ich mir einen Haargummi von meinem Handgelenk und binde mir die Haare zu einem unordentlichen Dutt zusammen. Um auch meine ganzen Haarspitzen zu verstecken, ziehe ich mir meine Kapuze auf.


"Ich würde gerne wissen, was sie denkt, wer sie ist. Wir haben auch nicht ewig Zeit."


" Ist ihr Flieger denn schon angekommen?", fragt ein Junge mit einer roten Wollmütze auf dem Kopf.  "Überprüft das mal einer?" Ich bin am überlegen, ob ich einfach gehen und auf einen Flieger zurück nach London warten sollte. Dann wäre ich aus dem Schneider. Ich wäre aber auch ein Angsthase.


"Jepp, der Flieger ist vor einer dreiviertel Stunde angekommen. Sie muss hier also irgendwo sein. Warum zum Teufel finden wir sie nicht? Es kann ja nicht so schwer sein einen Zwerg zu finden!"


"Huhu Franny, wo bist du?" Der mit der Mütze tut so, als würde er den Boden nach mir absuchen. So klein bin ich nun auch wieder nicht, du Holzkopf! Ich schieße noch ein zwei Bilder von ihnen wie sie nach mir suchen. Dann schreite ich aus der Schar Menschen heraus. Die Kamera lege ich behutsam zurück in meine Tasche, damit sie nicht kaputt geht. Noch bin ich mir nicht sicher, ob ich mich stellen soll oder nicht. Also lehne ich mich an eine Wand und beobachte das Spektakel als stummer Zuschauer. 


"Ich habe keine Lust mehr zu warten", mault der mit dem Schild. Er zieht sein Handy aus der Tasche und ich ahne schlimmes. Sein Finger huscht über den Bildschirm und einen minimalen Moment später zeigt er sein Handy rum. "Wer dieses Mädchen findet, bekommt ein Date mit Daniel!", ruft er. Die Mädchenmassen kreischen und rennen bereits durch die Halle. Ich habe mich spontan dazu entschieden, die Fliege zu machen.


Ich laufe schnellen Schrittes in Richtung Ausgang. Hinter mir höre ich keine Schritte. Man geht also nicht davon aus, dass ich nach draußen wollen könnte. Wieso auch? Wer träumte denn nicht davon mit arroganten Kerlen zusammen zu arbeiten? Ich! Ein paar wenige Male schaue ich über meine Schulter, ob ich Verfolger habe. Die Jungs stehen immer noch unschlüssig herum. Goldlöckchen telefoniert und die dumme Mütze zeigt genau wie das Schild sein Handy herum.  Niemand  scheint mich zu bemerken. Glück gehabt.


Ich entdecke einen kleinen Bäcker. Mein Magen knurrt und nach einem weiteren Blick hinter mich, entschließe ich mich dazu, mir ein Stück Schokoladenkuchen zu kaufen. Die Frau am Tresen nimmt meine Bestellung lächelnd auf und bedeutet mir mich hinzusetzen. Ich gehe in die hinterste Ecke und setze mich an das Fenster. Ich öffne meine Jacke, lasse sie aber an und die Kapuze auf. Man will ja nichts riskieren. Der Schokoladenkuchen wird mir gebracht. Ich lasse meine Gabel auf ihn niedersausen. Mhmm. Nach einem Bissen bin ich mir sicher: Das ist der beste Kuchen, den die Welt je gesehen hat. Jedes Stück lasse ich mir solange auf der Zunge zergehen, als wäre es das letzte. Und als es tatsächlich das letzte Stück ist, reibe ich mir glücklich und zufrieden über meinen gefüllten Bauch. Ich zahle und finde mich kurze Zeit später wieder in der Halle ein. Ich schlendere an den kleinen Shops vorbei und bleibe an einem Buchladen hängen. Ich studiere die ausgestellten Exemplare und lese in das ein oder andere hinein. Nichts spricht mich direkt an, aber ich weiß nicht, was ich sonst tun soll.


"Zeig das Foto noch mal!" Ein Mädchen reißt einem anderen das Handy aus der Hand. Ich ignoriere sie und setze mich in Bewegung, um an der Info nach einem Flug nach London zu fragen. Schritte ertönen hinter mir. Ich laufe etwas schneller und entdecke an der Info die Jungs. Sie müssen wohl mit einer eisernen Geduld gesegnet sein. In einem Bogen laufe ich an ihnen vorbei und blicke dabei auf den Boden. Die Kapuze ziehe ich mir noch tiefer ins Gesicht. Mit langsamen Bewegungen entferne ich mich. Laute klackernde Schritte sind immer noch hinter mir zu hören. Ich werde schneller. Die Schritte auch.


Und dann wird mir die Kapuze vom Kopf gerissen.



LETTER BLINDNESS // Daniel André Tande FanfictionWhere stories live. Discover now