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Dunkelheit füllt den Raum, als Samantha Lux mit einem fauligen Geschmack im Mund aufwacht. Ihr Kopf dröhnt, ihr Magen spielt verrückt und ihr linkes Schlüsselbein fühlt sich an, als wäre es gebrochen. Piepend versucht ihr Wecker sie davon zu überzeugen, aufzustehen. Hätte sie gerade nicht höllische Schmerzen, würde sie liegen bleiben. Doch die Übelkeit nimmt rasend schnell Überhand, also rennt sie in das nahe gelegene Bad und übergibt sich. Kraftlos lässt sie sich neben der Toilette auf den Boden sinken, während die Erinnerungen an die vergangene Nacht langsam zurückkehren. Ihr Schädel droht zu zerspringen, als die Geschehnisse sich in ihr Gedächtnis drängen. 

Sie erinnert sich daran, wie sie in ihrem Bett lag, mit einem Buch in der Hand. Plötzlich flackerte das Licht ihrer Leselampe auf. Noch bevor sie der Ursache auf den Grund gehen konnte, flog ein schimmernder blauer Lichtball durch ihr geöffnetes Fenster, raste auf sie zu und schoss wie eine Pistolenkugel in ihren Brustkorb. Der Aufprall erschien ihr so heftig, dass sie das Gefühl hatte, gegen das Kopfende ihres Bettes geworfen zu werden. Danach folgte eine Aneinanderreihung von seltsamen Bildern, die mit einer ihr unbekannten Stimme untermalt wurden, die ihr sagte, dass sie in genau acht Tagen auf einer kleinen Waldlichtung ganz in der Nähe erwartet werden würde. 

Müde reibt Samantha sich die Stirn, ehe sie sich vorsichtig aufrichtet und einen Blick in den Spiegel riskiert. Was sie sieht, lässt sie kurz schaudern. Ihr Spaghettiträgertop bietet ihr eine hervorragende Sicht auf einen seltsam schimmernden blauen Fleck auf ihrem Schlüsselbein. Zaghaft streicht sie mit den Fingern darüber. Ein Blitz durchzuckt ihren Körper und löst erneut einen stechenden Schmerz aus. Verzweifelt klammert sie sich an den Rand des Waschbeckens, versucht, ihr Gleichgewicht zu halten. So plötzlich, wie der Schmerz gekommen war, verflüchtigt er sich auch wieder. Nach einem tiefen Atemzug beschließt Samantha, die von ihren Freunden oft auch einfach nur Sam genannt wird, ihre morgendliche Routine hinter sich zu bringen. Anschließend begibt sie sich wieder in ihr Zimmer, um sich anzuziehen.

Nach dem Frühstück macht sich die 15-jährige auf den Weg zur Schule. Zur Vorbereitung auf den Tag hört sie, über die Kopfhörer, die sie an ihr Smartphone angeschlossen hat, etwas Musik. Sie hat seit einigen Jahren eine Vorliebe für koreanischen Pop, welche sie mit ihrer besten Freundin teilt. Während sie den Gehweg entlang geht, streicht sie sich durch ihre kurzen, blonden Haare. Eine Angewohnheit, die sie von einer sehr guten Freundin übernommen hat, ohne es zu wissen. Mit ihren Gedanken hängt sie immer noch bei vergangener Nacht. Sie neigt zwar dazu, öfters seltsame Träume zu haben, doch der blaue Fleck beunruhigt sie nach wie vor. 

Endlich an der Schule angekommen trifft sie auf ihre beste Freundin, Lorena Rayne, die sie sofort zur Seite zieht. Mit ihren Eltern wollte sie nicht über die letzte Nacht reden. Vermutlich hätten sie sie ausgelacht oder für verrückt erklärt. Bei Lorena hingegen weiß sie, dass sie ihr alles anvertrauen kann. Selbst solche unglaublichen Geschichten. Die beiden Mädchen, die nur ein halbes Jahr Altersunterschied haben, ziehen sich in eine Ecke auf dem Schulhof zurück. Bis der Unterricht beginnt, bleiben Sam noch ziemlich genau 15 Minuten, um Lorena von letzter Nacht zu berichten. 

"Lory, ich hab ein riesiges Problem. Ich glaub, ich werd' verrückt!"
Lorena lacht, erklärt Sam dann sogar, dass sie doch schon längst verrückt ist, was diese in Anbetracht der jüngsten Ereignisse weniger witzig findet. Kopfschüttelnd versichert sie ihrer besten Freundin, wie ernst die Lage ist und beginnt, von ihrem vermeintlichen Traum zu berichten. Mit jedem gesprochenen Wort wird Lorena zunehmen unruhiger. Als Samantha schließlich endet, blickt ihr Gegenüber nervös auf den Boden.
"Sam, ich weiß, das klingt jetzt total bescheuert aber..."
Dem jungen Mädchen mit den hellbraunen Haaren fehlen die Worte. Ihre blau-grünen Augen sind glasig. Sie legt ihren Schulranzen, der eigentlich nicht mehr als ein Rucksack ist, ab, gefolgt von ihrer Jacke. Dann dreht sie sich zu Sam und bittet diese, ihr T-Shirt an der linken Schulter etwas nach unten zu ziehen. Kaum ist Sam dieser Anweisung gefolgt, stockt ihr der Atem. Lorena besitzt einen ähnlichen blauen Fleck wie ihrer, nur minimal kleiner. Lory tritt einen Schritt von Sam weg, zieht sich wieder an und blickt in ihre verwirrten, weit aufgerissenen grünen Augen. Atemlos fährt Samantha sich durch ihre blonden Haare. 
"Sammy? Was bedeutet das?"
"Ich hab keine verdammte Ahnung! Woher soll ich das wissen?! Was machen wir jetzt?!" Noch bevor die beiden ihre Diskussion weiterführen können, ertönt der Gong zur ersten Stunde. 

Nach Schulschluss gehen Lorena und Samantha gemeinsam zur Busstation. Die Zwei wollen schon den ganzen Tag darüber reden, wie sie mit der ganzen Sache umgehen sollen. Jetzt, wo sie zusammen auf Sams Bus warten, stellen sie sich erneut etwas abseits, um ungestört miteinander zu sprechen.

"Ich hab nachgedacht, Sam. Wenn wir wirklich wissen wollen, ob wir einfach nur zufällig denselben bekloppten Traum hatten, haben wir eigentlich nur eine Möglichkeit." Ihre Stimme ist kaum mehr ein Flüstern. Mit zusammengezogenen Augenbrauen sieht Lorena in Sams schmales, blasses Gesicht. Dieser ist in den letzten Stunden erschreckend schnell klar geworden, worauf das Ganze wohl oder übel hinauslaufen wird. Sie nickt kaum merklich, bevor Lorena den Tatsachen ins Auge sieht und das Unvermeidliche ausspricht.
"Diese komische Stimme hat zu uns beiden das Gleiche gesagt. Wir haben jetzt acht Tage Zeit, um uns vorzubereiten, Sam. Und in acht Tagen werden wir in diesen dämlichen Wald gehen und herausfinden, was zum Teufel da los ist. Mit etwas Glück war es ja tatsächlich nur ein dummer Traum. Würdest du... mitkommen, wenn ich dich darum bitte?"

Sam hebt ihren Kopf, blickt zum Himmel. Lorena ist ihre beste Freundin, sie selbst glaubt nicht an Zufälle und ihre Neugierde ist dermaßen groß, dass sie fast ihr Ego übertrifft. Sie beobachtet vorbeiziehende Wolken am hellblauen Sommerhimmel. Dann dreht sie lächelnd ihren Kopf zu Lory, kichert schüchtern.
"Na gut, aber nur das eine Sache gleich mal klar ist: Wenn wir uns irren, pennen wir bei mir und bestellen eine gigantisch große Pizza, um unsere dämlichen Gehirne zu feiern!"
Die beiden Mädchen beginnen sofort, laut loszulachen. In Acht Tagen würden sie noch einmal für einen winzigen Moment lachen. Kurz bevor sie auf der Waldlichtung ankommen und feststellen würden, dass dieser dämliche Traum schonungslose Realität ist und sie nicht die Einzigen in ihrer Umgebung sind, die ihn hatten. 

Elemental Children - Kinder der GötterWhere stories live. Discover now