32. Kapitel - JAMIE

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Bitte komm nicht rüber.
Bitte komm nicht rüber.
Bitte komm nicht rüber.

Jap, das war mein heutiges Mantra und wird wahrscheinlich auch mein Mantra für die nächsten Tage werden bis die Hochzeit vorbei ist.

Ich bin nicht da.
Ich bin nicht da.
Bitte, geh einfach weiter.

Das letzte was ich jetzt wollte war ein scheiß Gespräch zu führen. Dann müsste ich nämlich so tun, als ob ich mich total freuen würde und als ob ich gerade an keinem anderen Ort lieber wäre, als hier bei dieser Veranstaltung.
In Wirklichkeit wäre ich jetzt aber überall lieber als hier.

Meine Schwester hatte sich für ihre Hochzeit irgend so ein "traumhaftschönes" Hotel (ihre Worte) an der Ostküste nahe Southampton ausgesucht. Es war wie in einem fucking Märchenfilm. Schon den ganzen Morgen kamen alle möglichen Gäste an: Verwandte, Freunde, aber auch Leute, die ich noch nie in meinem Leben zuvor gesehen hatte. Ich war dazu "verdammt" worden sie zu begrüßen, aber stattdessen hatte ich mich in einer Ecke an der Bar verkrochen und hoffte inständig darauf, dass mich niemand ansprechen würde.

Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, dass meine Laune den Tiefpunkt erreicht hätte, denn mein Zustand befand sich schon weitgehend darunter.
Seit knapp einer Woche hatte ich kaum etwas gegessen, geschweige denn ein Auge zu bekommen. Nur bei dem kleinsten Gedanken an die Ereignisse der letzten Tage könnte ich wieder los heulen. Nie und ich meine noch nie habe ich mich so beschissen gefühlt. Noch nie hatte ich das Gefühl, dass alles um mich herum zusammen brechen würde.

Es war nicht leicht zu verarbeiten was geschehen war.

Ich hatte meinen besten Freund für eine Weile wieder bekommen. Am Ende hatte ich allerdings mehr zurück erhalten als nur unsere alte Freundschaft. Ich habe mich in meinen fucking besten Freund verliebt und ihn dabei verloren.
Ich hatte aufgehört nach einem Grund zu suchen, warum alles schief gegangen war.
Es gab zu viele Möglichkeiten, die zu dem geführt hatten was passiert war.
Ich würde dieses Puzzle nicht vervollständigen können. Das wusste ich.

Meine Worte versagen bei dem was ich eigentlich ausdrücken möchte. Es gibt nichts mehr was ich sagen kann, außer, dass man manchmal genau das vor Augen hat was man möchte. Es ist direkt da, aber man hat es nicht gleich erkannt.
Zu der Zeit wo man es dann endlich begreift ist es schon zu spät und man wünscht sich, dass alles anders wäre. Man hält an dieser Vorstellung fest und will sie nie wieder los lassen.

Ich wünschte mir sehr, dass es anders wäre, aber leider läuft, dass Leben nicht so wie wir das gerne hätten.

"Jamie. Oh, mein süßer kleiner Jamie!" Schrie meine Tante Judy von der anderen Seite des Raumes. Dass sie mich immer noch klein nannte, obwohl ich mit meinen 1,90m nicht mehr so klein war, fand ich sehr amüsant. Hinter sich zog sie meine andere Tante Ester und dessen Mann George mit.
Zu gerne hätte ich meine Augen genervt verdreht, aber stattdessen setzte ich ein gefaktes Lächeln auf und begrüßte die drei herzlich.
Ich stellte mich zu ihnen und versuchte dem Gespräch zu folgen, aber meine Gedanken schweiften immer wieder ab, sodass ich mich kein Stück darauf konzentrieren konnte.

"Jamie?" Weckte mich Tante Ester aus meinen Gedanken.

"Hä? Ja, was?" Stammelte ich.

"Spätzchen. Hast du deine süße Freundin mitgebracht?" War das ihr scheiß Ernst? Sorry, das war unangebracht, aber musste sie das wirklich fragen?

"Sorry liebes Tantchen, ich muss dich leider enttäuschen. Wir haben uns vor knapp einem Jahr getrennt." Sagte ich gequält.

"Oh, dass tut mir aber Leid. Aber du hast doch bestimmt schon eine neue Freundin? Ihr jungen Leute lasst doch nichts anbrennen."
Wenn ich könnte würde ich jetzt einfach wegrennen. Mir ein Taxi nehmen. Zum Flughafen fahren. Mir das Flugzeug nehmen, welches am weitesten wegfliegt und nie wieder kommen.
So genervt war ich.

"Jamie. Du bist doch so ein süßer und charmanter junger Mann, wie kommt es, dass du noch kein Mädchen zum heiraten gefunden hast?" Stimmte nun auch Tante Judy mit ein.
Einatmen, Ausatmen, Einatmen und wieder Ausatmen.

"Ach, Tantchen. Ich bin doch noch viel zu jung, um sesshaft zu werden." Sagte ich. Währenddessen tauchte, aber immer wieder Alex Gesicht in meinem Kopf auf und ich begann ein Stechen in meinem Herzen zu fühlen.

"Du hast ja recht, aber lass dir nicht zuuu viel Zeit mein Junge." Gab sie zurück und streichelte mir sanft über die Wange. Ich wollte unbedingt aus dieser unbequemen Situation entkommen.

"Sorry, ich muss die anderen Gäste noch begrüßen. Wir sehen uns bestimmt später wieder. Also wenn ihr mich jetzt bitte entschuldigt." Das war zwar vollkommen gelogen, aber das war mir echt so was von egal, denn mir wurde das alles zu viel.

Ich verließ den Raum und sah mich noch einmal schnell um, ob mich jemand sah bevor ich in den Fahrstuhl stieg.
In meinem Zimmer angekommen ließ ich mich aufs Bett fallen und schnappte mir das Kissen, welches neben mir lag. Ich presste es auf mein Gesicht und schrie. Nicht so laut, dass mich jemand hören könnte, aber ich schrie einfach los.

Klopf... Klopf... Klopf...

"Ich bin nicht da!" Schrie ich. Wer auch immer da vor der Tür stand sollte sich verpissen. 

"Geh einfach!" Gab ich erneut laut zurück, immer noch mit dem Kissen auf meinen Kopf gepresst.

Klopf... Klopf... Klopf...

Wütend und total genervt stand ich auf und war dazu bereit mich mit der Person vor meiner Tür anzulegen.
Derjenige hatte sich definitiv den falschen Tag ausgesucht, um mir auf die Nerven zu gehen.

Finding Happiness (menxmen) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt