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Ich wusste nicht wie lange ich in dieser Position verharrte. Es hätten Minuten, Stunden oder auch Tage sein können. Ich verlor jegliches Zeitgefühl. Meine Glieder wurden mit der Zeit taub und füllten sich mit der Kälte, die der steinige Boden ausstrahlte.

Die Tränen waren versiegt und auch Kaden hatte aufgehört zu sprechen. Ich war mir nicht einmal mehr sicher, ob er noch im Raum war. Das einzige was ich in diesem Moment fühlte war der unglaubliche Druck in meinem Kopf, der von meinen Gedanken ausging.

Und der dominanteste Gedanke war: ‚Er hatte sie vor deinen Augen getötet'.

Ich glaube mein Verstand begriff erst jetzt wo er es mit eigenen Augen wahrgenommen hatte, in welcher Lage ich mich befand. Das ein gefährlicher Massenmörder mich gefangen hielt, der zusätzlich psychisch Instabil zu sein schien. Er glaubte, dass er etwas Gutes tat. Dass nach dem Ende dieses Lebens noch etwas existierte. Er war sich keiner Schuld bewusst.

Mein Kopf ratterte schmerzlich als ich versuchte, dies zu verstehen. Ich wollte wissen, wie es zu diesem Gedankengang kam. Wie er den Respekt vor einem menschlichen Leben verlor.

Und doch war ich mir sicher, dass ich ihn nie danach fragen würde. Nie wieder wollte ich ein Wort mit dem Mann wechseln, der vor meinen Augen eine Frau getötet hatte.

Ich hasste mich dafür, als Erleichterung sich in meinen Knochen breitmachte. Erleichterung darüber, dass ich noch am leben war. Es war ein egoistischer Gedanke, jedoch menschlich.

Ich glaubte es brauchte einen wirklich extrem starken Charakter, wenn einem ein anderes Leben mehr bedeutete, als das eigene. Und ich kannte sie nicht. Ich hatte keine emotionale Bindung zu ihr.

Sofortig versuchte ich mich selbst zu rechtfertigen, warum ich ihr nicht geholfen hatte. Warum ich nicht mehr versucht hatte.

Mein Gewissen war zwiegespalten und ich konnte keine Balance zwischen, selbstlos einem anderen das Leben retten und selbst am Leben zu bleiben, finden. Ich musste mit diesem verwirrenden Gedanken leben, die einen unheimlichen Kopfschmerz verursachten.

„Sam?"

Ruckartig zog ich die Luft in meine Lungen und versuchte mich nicht zu bewegen, als die dunkle Stimme ertönte. Er sagte er würde mich nicht umbringen, dass ich keine Angst zu haben brauchte. Aber wenn für ihn der Tod nicht schlimmes war, wie sehr konnte ich dann seiner Aussage vertrauen?

Große Schritte hallten auf dem Boden wieder und ich spürte seine Aura näher kommen. Jedoch rührte ich mich nicht. Ich hatte keine Ahnung wie es jetzt weitergehen sollte und ob es überhaupt weitergehen würde. Hatte ich eine Zukunft?

„Sie mich an."

Seine Stimme war ruhig. Und doch bewegte ich meinen Kopf kein Stück. Ich wollte die Augen nicht öffnen. Ich wollte nicht in seine grünen Augen sehen und realisieren, dass das alles die pure Realität war.

„Bitte."

Er klang so verletzlich, schon fast flehend. Es war so gegensätzlich zu seinen Taten und dem, was er war. Doch noch immer rührte ich mich nicht. So leise wie möglich atmete ich, versuchte in meinem Verstand eine Theorie darüber auszustellen, was ich jetzt machen sollte.

Nach einigen Minuten in denen kein weiteres Wort gesagt wurde, hörte ich ein tiefes seufzen und kurz darauf, wie sich Schritte entfernten. „Ich lasse dich kurz alleine. Verarbeite alles in Ruhe."

Und mit seinem letzten Wort hörte ich das laute knallen der Tür, die zurück ins Schloss fiel. Augenblicklich hob ich meinen Kopf und fixierte meinen Blick auf die Tür um sicher zu stellen, dass er wirklich gegangen war. Und das war er.

Captured In My ThoughtsWhere stories live. Discover now