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Fragen über Fragen türmten sich in meinem Kopf, suchten nach Antworten, die ich ihnen nicht bieten konnte. Warum war die Tür aufgegangen? War sie nicht wie immer abgeschlossen? War es Kadens Absicht oder hatte er es in seinem Stress einfach vergessen? Würde er mich wirklich ohne eine beschützende Tür hier zurücklassen? Würden nun Leute aus der Außenwelt zu uns hinein kommen und versuchen alles, was wir uns so mühselig aufgebaut hatten, zu zerstören?

Ich konnte es nicht fassen, mit welch einer Situation ich konfrontiert wurde, welche Ängste und welche Erleichterung sich in mir ausbreitete. Wobei ich bei meiner Erleichterung, am liebsten hätte schreien wollen.

Wieso spürte ich Erleichterung, Druck von mir abfallen? Ich sollte Angst haben, vor der Gefahr die jenseits dieser Türen lauerte. Doch die Ängste, die Zweifel und alle anderen zwielichtigen Gedanken wurden aus meinem Gehirn verband, als sich eine kühle Brise gegen die Holztür drückte, sie somit einen winzigen Spalt weiter öffnete.

Meine Augen weiteten sich, als ich einen kleinen Streifen des gepflasterten Weges vor unserem Haus erkennen konnte, ein Stück dahinter der Wald begann. Wann war ich das letzte Mal an der frischen Luft?

Früher waren ich und Kaden öfter draußen, doch nun konzentrierte ich mich nur noch auf meine Pflichten im Haus, vergaß die Umwelt vor unserem Haus vollständig. Ich musste doch das Haus sauber halten, damit Kaden sich wohl fühlte. Ich musste Kaden das Essen kochen, damit er bei Kräften blieb. Ich musste seine Wäsche waschen, damit er für mich immer der perfekt gepflegte Mann bleiben würde.

Doch nun wo er weg war, wo ich all meine Aufgaben abgeschlossen hatte, war es mir da möglich, dieses Haus zu verlassen? Ich wollte nicht weg...? Ich wollte nur kurz an die frische Luft. Die warmen Sonnenstrahlen auf meiner Haut kitzeln spüren. Die Waldluft riechen. Sand unter meinen Füßen fühlen.

Wie in Trance rappelte ich mich etwas auf, kroch auf allen vieren immer näher an die Tür heran. Geschickt schob ich den Putzeimer beiseite, beschloss ihn später wegzuräumen. Ich konnte es fast nicht glauben, als ich mich etwas streckte und die Tür vorsichtig weiter auf zog.

Sofort kniff ich die Augen zusammen, konnte es kaum begreifen als ich im offenen Türrahmen unseres Hauses saß und mir die Natur vor mir anschaute. Es war noch genauso schön, wie ich es in Erinnerung hatte. Kaden und ich hatten uns so ein schönes Haus genommen.

Gefesselt von den wiedererweckten Gefühlen, stellte ich mich zitternd auf, trat noch einen Schritt weiter nach vorn. Nun war ich draußen. Wirklich draußen. Ich stand vor dem Haus, blickte auf den Weg der im Wand verschwand und auf den, der den Hügel zum Strand hinab führte.

Erinnerungen, wie Kaden und ich das erste Mal nach draußen gegangen waren, prasselten auf mich ein. Wie wir uns im Wasser geküsst haben, die Wellen unsere verbundenen Körper umspielten und wir einen einzigartigen Moment am Stand erleben durften. Wir waren so unglaublich glücklich.

Immer mehr versank ich in meinen Erinnerungen, die sich mit den bekannten Sinneseindrücken vermischten. Mein Magen kribbelte, meine Beine wurden unruhiger. Druck baute sich in mir auf, hinterfragte ob wirklich all meine Erinnerungen so positiv waren. Ob ich so glücklich war und ob ich nicht vielleicht etwas vermisste, gar etwas vergaß. Etwas wichtiges.

Und bevor ich mich versehen konnte, rannten meine Beine los. In die Richtung, in der ich mein Glück vermutete. Den Strand.

Meine nackten Füße drückten sich in den sandigen Waldboden, wirbelten Dreck und Steine auf. Ich lief, stolperte mehrmals, doch konnte mich fangen. Meine Beine waren geschwächt, verloren schon nach einigen Metern ihre Energie und trotzdem lief ich weiter. Es schmerzte. Und mit jedem Stich der durch meine Glieder zog, brannte sich das liebliche Gesicht von Kaden in meine Augen ein.

Captured In My ThoughtsWhere stories live. Discover now