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Ich konnte es nicht glauben, als doch tatsächlich ein Laut der Freude meinen Mund verließ. Ich war nicht stark genug, um wirklich Lachen zu können. Noch immer hing ich geschwächt in Kadens Armen und ließ mich von ihm halten. Doch für einen erstickten Laut, gefolgt von einem breiten Grinsen reichte es.

Ich war so unglaublich froh. Endlich sah ich es. Ich konnte Kadens Welt vollständig verstehen. Konnte ihm Erleichterung bereiten. Ich wusste nicht was nun auf mich zukommen würde, geschweige denn was ich als nächstes tun sollte.

Doch Kaden übernahm diesen Gedanken, als er mich vorsichtig fester umschlang und gemeinsam mit ihm nach oben zog. Ich biss die Zähne zusammen, verdrängte den Schmerz. Mein Blick war fest auf den jungen Mann gerichtet. Immer wieder fuhr ich mit meinen Augen seine Wunden entlang, mahlte mir all die schönen Belohnungen für ihn aus.

„Du bist so perfekt.", murmelte Kaden leise in mein Ohr, als wir beide aufrecht in dem dunklem Raum standen. Ich strengte meinen Körper nicht an, verließ mich für den halt auf Kadens Stärke. Das einzige was ich eigenständig kontrollierte, war mein stolzes Kopfnicken als Antwort auf Kadens Aussage.

„Willst du mehr sehen?" Kadens Stimme klang so leicht und dunkel, dass sie fast hypnotisierend wirkte. Da ich meiner Stimme noch immer nicht ganz vertraute, nickte ich nur. Unbedingt wollte ich noch mehr sehen, meine neu gewonnene Stärke festigen und Kaden eine Hilfe sein.

Kaden nickte leicht an meiner Schulter, führte mich nun langsam in kleinen Schritten weiter nach vorne. Ich ließ mich von ihm leiten, wendete meinen Blick nicht von den jetzt so wunderschönen Verletzungen ab. Bei jedem Schritt, bei jedem kleinen Stechen welches ich dadurch verspürte, musste ich unweigerlich an Kaden denken. Er kam mir in den Kopf, beruhigte mich und machte mir deutlich, dass mein nächsten Leben zusammen mit ihm so unglaublich schön sein würde.

Und durch diese Erkenntnis wurde mir klar, dass es dem jungen Mann nicht anders gehen konnte. Auch er sollte die eigentliche Genugtuung in dem Schmerz spüren. Er sollte spüren, dass der Schmerz es wert war so grausam ertragen werden zu müssen. Und wenn er dies nicht spürte, wenn er den Schmerz einfach nur als menschenunwürdig ansah, dann war es seine eigene Schuld. Denn dann verstand er den großen Sinn hinter diesen Aktionen nicht. Dann war dieser Mensch einfach dumm.

Ich war unglaublich froh, dass mich Kaden vor meinem Dasein als solch dummer Mensch gerettet hatte. Dass ich meine Zeit nicht mehr mit diesen falschen Gedanken verschwenden musste, sondern nun weiter blicken konnte.

„Achtung.", flüsterte er mir sanft ins Ohr, als wir etwa zwei Meter vor dem jungen Mann stehen blieben. Er stellte mich gerade hin und ich war darauf bedacht, all meine vorhandene Kraft aufzubringen, um nun alleine stehen zu können. Breitbeinig und mit meinen Händen in meine Seiten gekrallt stand ich dort, ließ zu, dass Kaden seinen Griff langsam von mir löste. Ich sah nicht wohin Kaden verschwand, war zu konzentriert auf das Bild vor mir, spürte nur seine fehlende Wärme.

Ich war fasziniert von dem Gefühl welches mich beschlich, als ich dem Mann in das Gesicht blickte. Es waren kaum negativen Gefühle auszumachen. Der Stolz, dass ich in dieses leidende Gesicht sehen konnte, überdeckte sie. Ich betrachtete die Wunden, sah nun genauer die tiefen Schnitte und das dahinter aufkommende Muskelgewebe. Und doch verschwand das Grinsen nicht aus meinem Gesicht.

Weiterhin sah ich in sein Gesicht, bis mich ein leises Stöhnen von ihm aus meiner Trance riss. Erschrocken weiteten sich meine Augen und ich trat einen Schritt zurück. Doch meine Beine waren dieser schnellen Reaktion nicht gewachsen, weshalb ich sofort meinen Stand verlor und mich nach hinten fallen ließ. Ich wollte vor Schreck kreischen, jedoch waren meine Lungen dafür zu ausgelaugt gewesen.

Captured In My ThoughtsWhere stories live. Discover now